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BERICHT/395: "Sport braucht eine TÜV-Kultur, ein Greenpeace des Sports" (DOSB)


DOSB Presse - Der Artikel- und Informationsdienst
des Deutschen Olympischen Sportbundes (DOSB)

Prof. Elk Franke: "Sport braucht eine TÜV-Kultur, ein Greenpeace des Sports"
Fachleute diskutierten in der Heinrich-Böll-Stiftung über Doping-Gefahren

Von Holger Schück


Journalisten beschäftigen sich mit der Aufklärung der Dopingmachenschaften "intensiver als die offizielle Sportwissenschaft". Dieses Fazit zog der Sportphilosoph und -soziologe Prof. Elk Franke von der Berliner Humboldt-Universität beim Forum "Grenzgänge" der Heinrich-Böll-Stiftung in Berlin. Überhaupt grenze sich der Spitzensport zuwenig von der "übrigen Leistungsgesellschaft" ab, was bedeute: "Das Ergebnis ist entscheidend, der Weg dahin ist nebensächlich." Der Sportler heutzutage sei eingebunden "in ein Netz von Technologie"; das wiederum produziere eine gewisse Handlungsdynamik: "Es wird ein Netzwerk geknüpft, und es sind Akademiker, die dafür sorgen, dass Aktive, denen für eine Spitzenleistung vielleicht eine Million Euro winken, in die Erfolgsgesellschaft eingebunden werden."

"Der Sport muss den Faktor Mensch erkennbar werden lassen", erläuterte Franke. "Heute ist er ein Beispiel dafür, wie in einer technologischen Welt das Humanum kaputt geht." Und: "Im Hochleistungssport werden Körper instrumentalisiert und ausgebeutet. Es ist die falsche Sinnentwicklung, die körperliche Leistungsfähigkeit mit moderner Chemie und Biotechnologie zu unterlegen. Die technologische Komponente heute bedeutet: Fragile Körper spielen keine Rolle mehr. Das fängt schon damit an, dass Tennis-Eltern von ihren Kindern fordern, dabei zu bleiben."

Der 65 Jahre alte Dekan der Sektion Sportwissenschaft an der Humboldt-Universität meinte, der Effekt des Dopens werde immer weiter angestachelt. Dies führte letztendlich zu "einer Zirkusveranstaltung von Monstern". Dann fehlten den Sportfans jegliche Identifikationsfiguren - "keiner wird mehr sagen: Hey, das ist doch der Uwe von uns." Franke: "Die olympische Idee kann sich nur vor dem Untergang retten, wenn sie alle acht Jahre etwa zehn bis 20 Sportarten ablegt. Wer ein Legitimationsproblem hat, fällt raus - so wie es früher bei Feldhandball und Steinstoßen der Fall war." Überhaupt benötige der Sport eine "TÜV-Kultur, ein Greenpeace des Sports".

Ohne diese Veränderungsinitiativen sehe er schwarz; die "grüne Bewegung" habe es mit ihrem Unabhängigkeitsstatus vorgemacht: "Umweltpolitik war vor 30 Jahren im Landwirtschaftsministerium angesiedelt. Wäre sie dort verblieben, wäre bis heute nichts passiert." Das "Hase- und Igel-Spiel" werde bei den Dopingkontrollen weiterlaufen. Gendoping, Nanotechnologie- und Stammzellendoping seien die nächsten Herausforderungen. Prof. Frankes Fazit: "Wir brauchen einen völlig neuen Code, der nicht an abstrakte Werte wie Fairplay gebunden ist."

Die Berliner Literaturwissenschaftlerin Ines Geipel, engagiertes DDR-Dopingopfer, berichtete: Zuletzt seien 27 illegale chinesische Doping-Labors aufgeflogen. 45.000 Forscher auf biochemischem Sektor gebe es in der Volksrepublik, "und jedes Jahr werden es 5.000 mehr". Andererseits werde die psychische Komponente des Steroiddopings weltweit unterschätzt, die neuronalen Veränderungen würden nicht zur Kenntnis genommen. Ungezählt seien die Toten, die wegen der Folgen von Doping zu beklagen sind. Dopingkontrollen hätten letztlich nur einen "Placebo-Effekt": "Das Spiel ist verloren."


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Quelle:
DOSB-Presse Nr. 44, 30. Oktober 2007, DOKUMENTATION IV, Seite 14
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veröffentlicht im Schattenblick zum 13. November 2007