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BERICHT/384: Der kleine sportliche Unterschied (welt der frau)


welt der frau 9/2007 - Die österreichische Frauenzeitschrift

Der kleine sportliche Unterschied

Von Julia Sparber


Im Sport gibt es immer noch Männerdomänen - darin können aber auch Frauen gut sein. Eine Ringerin, eine Skispringerin und eine Eishockeyspielerin erzählen, warum sie sich für diese Sportarten begeistern.


Frauen hatten aufgrund historischer und sozialer Beschränkungen erst sehr spät die Möglichkeit, in Männersportarten zu punkten. Das körperliche Kräftemessen galt und gilt teilweise heute noch als "unweiblich". Durch Sport würden die Frauen von den "eigentlichen Aufgaben" - dem Kinderkriegen - abgelenkt und Sportarten wie Ringen, Eishockey, Skispringen, Boxen und Fußball seien Sache der sowieso aggressiveren und athletischeren Männer.

Die Geschichte des Frauenfußballs zeigt aber eine völlig andere Entwicklung. Seit es den Fußball gibt, gab es auch immer Frauen, die damit spielten. Im 12. Jahrhundert beteiligten sich in Frankreich Frauen wie Männer an einem Spiel namens "la soule", einem Vorläufer des heutigen Fußballs. Auch bei den Inuit haben Frauen an einem fußballähnlichen Spiel teilgenommen. In Deutschland machten Frauen um die Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert bei einer Art Spiel mit dem runden Leder mit, bei dem sie sich im Kreis stehend den Ball gegenseitig zukickten. In England wurde 1894 das erste britische Frauenfußballteam gegründet und in den 1920er-Jahren gab es ein weibliches Spitzenspiel: die "Dick Kerr's Ladies" gegen die "St. Helen's Ladies", das im Everton-Stadion 53.000 zahlende Zuschauer verfolgten. Trotzdem wurde Frauenfußball durch den Österreichischen Fußballbund (ÖFB) erst 1982 offiziell anerkannt, der Frauenboxsport gar erst 1996 durch den Österreichischen Amateur-Boxverband legalisiert.


Geschlechterunterschiede?

In allen Sportarten kann man davon ausgehen. Grund dafür ist das endogene Testosteron, das die Muskeln antreibt und für eine bessere Sauerstoffversorgung sorgt. Sportwissenschaftler errechneten bei Männern eine maximale Sauerstoffaufnahme von dreieinhalb Litern pro Minute, bei Frauen seien es rund zwei Liter. Männer verfügen über die zehnfache Menge an Testosteron, das die Bildung von roten Blutkörperchen anregt. Sie kommen so auf zehn Prozent mehr Hämoglobin im Blut, dem Protein, das für die Sauerstoffversorgung sorgt. Genauso wichtig sind aber auch die Differenzen in der Muskulatur: Im Verhältnis zur Körpergröße haben Männer schlicht mehr Muskeln und größere Herzen.

All diese physiologischen Unterschiede können Frauen jedoch nicht abhalten, auch Männersportarten im Rahmen ihrer Möglichkeiten auszuüben. Sportwissenschaftler bescheinigen Frauen im Eishockey ein ebenbürtiges taktisches Spielverständnis, nur eben weniger Schnellkraft. Im Skispringen können Frauen gleich weit springen wie Männer, sie brauchen nur 3-4 km/h mehr im Anlauf. Bei den Ringerinnen gelten die gleichen Griffe, die gleichen Wertungen und die gleichen Kampfzeiten wie bei den Männern, der einzige Unterschied besteht im Stil: Frauen kämpfen nur im Freistil, bei dem der gesamte Körper und nicht nur der Bereich oberhalb der Gürtellinie als Angriffsfläche zählt.


Was bleibt vom Sport unterm Strich?

Seit die FIS das Damenskispringen offiziell anerkannt hat, gibt es auch Preisgelder. 1.500 Schweizer Franken werden auf die ersten sechs Springerinnen aufgeteilt. Den genauen Verteilungsschlüssel legen die jeweiligen Veranstalter fest.

Für die vom Bund ausgeschriebene Sporthilfe ist die Mitgliedschaft in einem Fachverband der Bundes-Sportorganisation notwendig. Sie wird an Leistungserfolgen gemessen und kann maximal 440 Euro im Monat betragen. Zusätzliche Einkommensmöglichkeiten bieten Sponsoren mit Aufschriften auf Helmen und Trikots. In den Randsportarten wie Ringen, Skispringen und Eishockey ist allerdings die Medienpräsenz gering und deshalb auch wenig lukrativ. Für die Sportlerinnen in den Männerdomänen muss also der Spaß an der Freud die Motivation sein. Viel Geld verdienen können sie damit nicht.


"Ich war immer wie a Bua"

Marina Gastl ist Ringerin beim Sportclub Inzing in Tirol

"Ich hab als Kind nie mit Barbiepuppen gespielt, mir war Fußball lieber." Sie spielte mit ihren zwei Brüdern und die waren es auch, die sie zu ihrem täglichen Ringertraining einfach mitgenommen haben. Sie stemmte schon früh Gewichte und zeigte bei Schulterwürfen rasch Geschick. Mit zehn Jahren nahm sie an den Tiroler Meisterschaften teil und schaffte prompt den Titel - gegen Buben wohlgemerkt. Taktik- und Technikübungen, wie sie die Gegnerin am schnellsten zu Boden bringt, Laufen und Krafttraining waren von nun an tägliches Brot - heute neben dem Brotberuf als Sekretärin. Täglich nach Büroschluss geht sie zuerst heim auf Mamas Ofenbank: "Ein Schlaferl ist Pflicht!" Trainiert wird dann anschließend von 19.30 bis 21.30 Uhr. Von Montag bis Freitag, am Wochenende sind die Wettkämpfe angesagt. Marina Gastl ringt, ohne mit sich selbst zu ringen: "Ich will mich mit 30 nicht fragen: Warum hast nicht mehr probiert? Solange ich jung bin, mach ich es einfach." Seit Kindertagen wird sie auf Turniere geschickt und 2004 schaffte sie die Qualifikation für Olympia. "Das war a Wahnsinn, doch ich selber bekam das Rundherum gar nicht mit." Die Oma zu Hause nahm alle Bewerbe auf und präsentierte sie stolz der Verwandtschaft. Seither forciert die ganze Familie ihre Ringerkarriere und wenn ihr die Mama vor einem Wettkampf zuruft: "Marina, du bist die Beste für uns, egal ob du gewinnst oder verlierst!", gibt ihr das Berge.

Blöd geredet wird manchmal schon. Besonders im Schwimmbad, wenn sie ob ihrer muskulösen Figur beäugt wird. Die Europameisterin 2005 ist ein Kraftpaket von 175 cm und 75 kg. Hanteln mit 60 kg sind für sie "ganz locker". "Die mich schräg anschauen, haben keine Ahnung, was Ringen wirklich ist." Keineswegs nur brutal, sondern mit genauen Reglements: Es gilt, die Gegnerin aus dem Stand mit Würfen, Schleudern und Hebeln in Bodenlage zu bekommen. Mit beiden Schultern soll sie auf der Matte liegen. Zwicken, Beißen, Kratzen sind dabei aber streng verboten. "Wennst eine im Schwitzkasten hast und die beißt zu, dann ist der Kampfrichter sofort gefordert", erzählt Marina enthusiastisch. Klingt schon recht aggressiv? "Naja, Kampf ist Kampf und kein Kindergeburtstag." Da heißt es durchhalten und jeweils zwei volle Minuten ordentlich zupacken. Drei oder fünf Runden lang, je nachdem, ob Einzel- oder Mannschaftswertung. Siegerin ist die Erste, die zwei oder drei Runden gewonnen hat. Der Schultersieg gilt als Königsdisziplin und beendet den Kampf sofort.

Ihren persönlichen Ringkampf will Marina nicht so schnell aufgeben, weil ihr junges Leben dadurch geerdet wird: "Meiner Familie taugt das Ringen, meine Freunde sind lauter Ringer und i' leb gern in Inzing, wo der Ringer-Sportclub gefördert wird. Was will i' mehr?"


"Rekorde müssen ins Herz gehen"

Eva Ganster war Osterreichs erste professionelle Skispringerin

Sie ist in Kitzbühel aufgewachsen und dort bekommt man "das Skiführer-Gen mit der Muttermilch mit", lacht die 29-jährige Vorreiterin in Sachen Damen-Skispringen. "Das Hupfen", wie sie es nennt, hat sie erstmals bei einem Schülerskitag probiert. Der Sieger durfte über die kleine Schanze springen - alle dachten, ein Bub würde gewinnen. Doch Eva war's, die anschließend "g'hupft" ist und prompt Zweite wurde. Der Trainer hat damals zu ihr gesagt, sie solle beim Springertraining ruhig mal vorbeikommen, und dachte insgeheim: "Wenn's einmal stürzt, lässt sie es wieder", erzählt sie. Doch Eva ist nie gestürzt. Nach vier Jahren Unterstufe am Gymnasium in St. Johann wechselte sie ins Skigymnasium Stams als erste Skispringerin. 1991, im Alter von zwölf Jahren, wurde sie österreichische Schülermeisterin bei den Buben und bis sie 15 war, sollten noch einige Siege gegen die Buben folgen. In ganz jungen Jahren stimmen die Kraft-Hebel-Verhältnisse noch und man wiegt nicht viel. Eine gute Zeit für Skispringer. Später entwickeln sich Mädchen und Burschen völlig anders und "deshalb bin i' eine kompletten Topfen z'ammg'hupft", erzählt Eva Ganster. Sie erinnert sich aber auch an manche Benachteiligungen. "Beim Springen kann man mit Haltungsnoten viel korrigieren. Oder man hat einen Meter abgezwackt, damit ich nicht gewinne." Sie glaubt heute noch, man wollte damals das Skispringen für den männlichen Nachwuchs bewahren. Erst als die ersten Damenbewerbe eingeführt wurden, hat sie wieder Siege eingeheimst. 1994 ist sie in Bischofshofen ihren ersten Weltrekord gesprungen: 169 m! "Doch Rekorde kann man nicht mit Pokalen messen, die müssen ins Herz gehen." Die Olympischen Spiele in Lillehammer waren für sie so ein Herzenserfolg. Da ging sie als Vorspringerin über den Schanzentisch. Jeden Tag schönes Wetter und 80.000 Besucher im Stadion. Darunter auch die Mama. Das wird sie ihr Lebtag nicht mehr vergessen.

Was ist am Skispringen so spannend? "Man kann eigentlich alles probieren: Fallschirmspringen, Bungee-Jumping, aber das Skispringen geht nicht einfach so", erklärt sie und ihre blauen Augen blitzen. Das Gefühl des Abhebens kann niemand nachvollziehen, der es nicht von der Pike auf trainiert. Das gehört dem Springer ganz allein - für Eva Ganster das Schöne an dieser Sportart.

Doch sie wusste, dass sie als Skispringerin nicht alt werden wird. Also studierte sie nebenher Gesundheitssport und Bewegungswissenschaften und schloss 2005 als Magistra ab. Heute arbeitet sie in einem Hotel in Oberlech und betreut den Fitness- und Saunabereich. "Ich mache täglich fast sechs Stunden Sport, aber mit viel mehr Abwechslung, das taugt mir." Ihre sportliche Ambition mit dem Beruf zu verbinden ist ihr somit gelungen. Und sie ist Österreichs erstes Skispringermädel - diese Erinnerung bewahrt sie sich im Herzen.


"Stur genug, die Scheibe nit reinzulassen!"

Astrid Dummer gründete die "Icemice", eine weibliche Eishockeygruppe in Telfs.

Frauen und Eishockey passen so gut zusammen wie Männer und Synchronschwimmen? "Wer das denkt, der begibt sich auf dünnes Eis", lacht Astrid Dummer, der weibliche Capo der "Icemice" aus Telfs - einer Gruppe von Frauen unterschiedlichen Alters, die jüngste ist neun, die älteste 41 Jahre -, die zeigen wollen, dass Frauen auf dem Eis gute Figur machen können. Und das nicht nur im Eiskunstlauf.

Astrid Dummer arbeitet im Metallverarbeitungsbetrieb ihres Mannes. In den Kaffeepausen wird über "nix anderes als Eishackeln geredet". Wie schnell man sein müsse, wie anstrengend Eishockeyspielen wäre und dass Frauen das niemals packen würden. "Ich dachte damals: Wenn die das können, schaff' ich es auch." So besuchte sie die Männer auf dem Eis und trainierte gleich mit. "Ich hab nicht mal richtig eislaufen können", erzählt die heute 41-Jährige. Doch sie gab nicht auf. Mit 35 Jahren war sie Torfrau bei den "Red Angels", einem Innsbrucker Bundesligaverein. "Als Goolie muss man schon ein bisschen verrückt sein. Man lässt sich beschießen und ein undankbarer Job ist es auch." Warum sie denn so verrückt ist? "Ja, weil i'eben stur genug bin, die Scheibe nit reinzulassen", lacht die kräftige Frau mit den großen, blauen Augen. Stur blieb sie in jeder Hinsicht. Die Bundesliga wurde der dreifachen, berufstätigen Mutter zu viel, doch sie schaltete Inserate in Zeitungen und suchte Frauen mit Lust am Eishockeyspiel. Prompt meldeten sich einige. Burschikos gebaute Mädchen mit stämmigen Oberschenkeln, aber auch zierliche Persönchen, die unter dem Helm Lippenstift tragen. Ihr Mann Thomas übernahm das professionelle Training: Aufwärmen, Runden vor- und rückwärts laufen, Puck führen, passen, dehnen - all das trainieren die "Icemice" jeden Samstag ab 17:30 Uhr im Telfer Sportzentrum.

Der Puck flitzt schnell übers Eis, um ihn ins gegnerische Tor zu lenken sind ständige Sprints angesagt, die viel Schnellkraft erfordern. Weil dadurch die Muskulatur schnell übersäuert, wird bei den Profis jede Minute gewechselt. "Bei uns geht schon alles ein bisschen langsamer, doch Taktik und Technik können Frauen gleichermaßen lernen. Da sind wir um nix schlechter", erzählt die Torfrau voller Überzeugung. Unter Astrid Dummer sind die "Icemice" ein eingeschworenes Team geworden, das ein kleines Stück der Männerdomäne für sich in Anspruch nimmt. "Wir sind zwar nicht die besten Eishacklerinnen, doch wir haben sicher am meisten Spaß!"


Weiterführende Infos:
Wissenschaftsmagazin Science: "The Gender Gap?"
www.frauenfussball-guide.de, www.frauenfussball.at


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Quelle:
welt der frau - Die österreichische Frauenzeitschrift,
Ausgabe 9/2007, Seite 22-25
mit freundlicher Genehmigung der Redaktion und der Autorin
Herausgeberin: Katholische Frauenbewegung Österreichs
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veröffentlicht im Schattenblick zum 28. September 2007