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SPIELE/006: Olympias gebrochene Ringe - Friedensidee und Kriegschemie (5) (Gerhard Feldbauer)


Dow chemical an barbarischen Kriegsverbrechen der USA in Vietnam beteiligt

Konzern sponsert Olympische Spiele

von Gerhard Feldbauer, 27.07.2012



Wenn am Freitag in London die Olympischen Spiele eröffnet werden, dann starten die Athleten im Olympiastadion unter der Kunststoffhülle, die der US-amerikanische Chemiekonzern Dow Chemical gesponsert hat. Schlimmer kann der von dem Begründer der modernen Olympischen Spiele, Baron Pierre De Coupertin, 1884 bei der Wiedererweckung der modernen Olympischen Spiele zur Grundlage genommene Gedanke des Friedens nicht entweiht werden.

Die Dow Chemical war Hauptlieferant des von der US-Army in Südvietnam gegen die Bevölkerung eingesetzten international geächteten chemischen Kampfstoffes Agent Orange/Dioxin. In milden Konzentrationen als relativ unschädliches Unkrautvertilgungsmittel verwendet, kam es in Südvietnam in hohen Konzentrationen zum Einsatz. Von den 1961 bis 1971 versprühten etwa 100 Millionen Liter Herbizide bestanden mehr als 44 Millionen aus "Agent Orange". Es handelte sich um chemische Kampfstoffe, um giftige, erstickende oder ähnliche Gase sowie bakteriologische Mittel, deren Einsatz das Genfer Protokoll vom 17. Juni 1925 verbietet. Die USA traten diesem Abkommen erst 1975 nach Kriegsende bei.

Das Russel-Tribunal enthüllte bereits im Dezember 1967, dass bis zu diesem Zeitpunkt 3,096 Millionen Hektar Land, vor allem Reisfelder, mit Herbiziden besprüht und vernichtet wurden. Für 1968/69 kamen etwa weitere 2 Millionen Hektar Reisfelder und 2,2 Millionen Hektar Wald hinzu. In einer 2004 von der "Vietnamesischen Vereinigung der Opfer von Agent Orange/Dioxin" beim Federal Court von Brooklyn in New York eingereichten Klage zur Entschädigung der Opfer (die zurückgewiesen wurde) wurde nachgewiesen, dass Ziel der Sprühaktionen nicht die Beseitigung der "Deckung" des Feindes, sondern in den meisten Fällen ausdrücklich die Zerstörung von Früchten und Ernten war.


Vier Millionen Vietnamesen Opfer von Agent Orange

Insgesamt 17 Millionen Vietnamesen waren dem Gift ausgesetzt, drei bis vier Millionen trugen schwere gesundheitliche Schäden davon. Leukämie, Lungentumore und Leberkrebs rafften unzählige Menschen dahin. 100.000 Kinder trugen schwere Geburtsschäden davon: Missgebildete Säuglinge ohne Augen, mit Wasserköpfen und Klumpfüßen, viele debil und taub. Wo während des Krieges Giftgase niedergingen, halten die Folgen noch in der dritten Generation an. 2000 kamen neuneinhalb mal mehr behinderte Kinder zur Welt als in Gebieten, die nie Chemiewaffen ausgesetzt waren. Eine Gruppe der deutsch-vietnamesischen Freundschaftsgesellschaft berichtete 2002, dass sie "überall mit den Folgen des Krieges konfrontiert" wurde. "Wir haben Kinder gesehen, die keine Arme hatten oder deren Beine verkrüppelt waren. Oder Kinder, die noch jetzt in der 3. Generation mit Hasenscharten und Hör- oder Sehschäden geboren werden" (Karl Rainer Fabig: Agent Orange vor Gericht. Vietnam Kurier der deutschen Freundschaftsgesellschaft, 1/2005).


BASF Partner der Dow Chemical

Zu den Partnern der Dow Chemical, gleichzeitig der größte Napalmproduzent, gehörte der IG-Farbennachfolge-Konzern Badische Anilin- und Sodafabriken (BASF), der in den USA zwei Tochtergesellschaften unterhielt, darunter in Freeport/Texas die Badische Dow Chemical Company. Mit jeweils fünf Filialen waren die Farbwerke Hoechst und mit drei die Bayer AG Leverkusen in den USA vertreten und über sie an Aufträgen für die amerikanischen Truppen in Vietnam beteiligt. Im Juni 1969 wurde bekannt, dass ein bundesdeutsches Bankkonsortium der Dow Chemical einen Milliardenkredit für die Kampfstoffherstellung zur Verfügung stellte. Die BASF wurde damit gleichermaßen Nutznießer dieser Finanzspritze. Die Pariser "France Nouvelle" hatte am 6. Juli 1965 berichtet, dass die Bayer AG den USA auch mehrere Patente für die Herstellung chemischer Kampfstoffe verkauft und über ihre USA-Filiale Chamagro Corporation in Kansas City auch direkt Giftstoffe lieferte, die vom USA-Chemical-Corps in Vietnam angewendet wurden.

Auch die Londoner Zeitschrift "Eastern World" berichtete in ihrer Juli/August-Ausgabe 1966 darüber, wie "eine Reihe von Industriefirmen in der Bundesrepublik den Amerikanern bei ihrem Aggressionskrieg in Vietnam halfen". Die Amerikaner hätten "reges Interesse an den neuen, äußerst wirksamen Kampfgasen bekundet, die in westdeutschen Laboratorien auf der Grundlage der zur Zeit des Zweiten Weltkrieges von der IG-Farbenindustrie hergestellten Gase entwickelt werden." Dass habe zu "einer engen Zusammenarbeit zwischen amerikanischen und westdeutschen militärischen Kreisen, Laboratorien und Firmen, die auf den Gebieten der Entwicklung, der Herstellung und der Anwendung chemischer und bakteriologischer Kampfstoffe maßgebend sind", geführt. Laut der Zeitung hatte die Hoechst AG damals zugesagt, mehrere Sachverständige in die USA zu entsenden und den USA auch "die notwendigen Unterlagen und Angaben für die Herstellung tödlicher Gase vom Typ Zyklon B zu überlassen, das die Nazis im vergangenen Krieg in großem Maße in ihren Todeslagern verwendeten und mit dessen Anwendung für nicht weniger grausame Zwecke die Amerikaner in Südvietnam bereits begonnen haben". Laut "Eastern World" arbeiteten westdeutsche Chemiker und Bakteriologen, darunter von den Farbwerken Hoechst AG, in Südvietnam in einer Sondereinheit der US-Armee, die ein mobiles Forschungsinstitut für bakteriologische und chemische Kriegsführung betrieb, das am "lebenden Objekt" neue Kampfstoffe testete.

Kriegsverbrechen Hitlerdeutschlands faktisch rehabilitiert

Die Unterstützung der USA-Aggression in Vietnam durch die Bundesrepublik entsprach strategischem Kalkül. Indem Bonn Washington bei den in Vietnam begangenen Kriegsverbrechen und Völkermord zur Seite stand, erreichte es als völkerrechtlicher Nachfolgestaat des Dritten Reiches faktisch die Rehabilitierung der von der Hitlerwehrmacht in den besetzten Gebieten begangenen ähnlichen Verbrechen. Heeresinspekteur Albert Schnez nahm das laut "Frankfurter Rundschau" vom 15. Dezember 1969 zum Anlass, die Pflege des Geistes der faschistischen "Kampfbataillone und -kompanien des letzten Krieges" als "Vorbild" zu fordern. Wenn die USA mit westdeutscher Beteiligung sich in Südvietnam die Ergebnisse und Erfahrungen der Giftgasproduktion und ihrer Anwendung durch die IG Farben während des Zweiten Weltkrieges, u. a. in den Konzentrationslagern, zu nutze machten, dann bedeutete auch das nichts anderes als die Rehabilitierung selbst dieser in Nürnberg verurteilten Kriegsverbrechen Hitlerdeutschlands.

Während die Forderungen der vietnamesischen Opfer vom Obersten USA-Gericht zurückgewiesen wurden, mussten 200.000 betroffene US-amerikanische Vietnamkriegsteilnehmer bereits 1984 mit 180 Millionen US-Dollar entschädigt werden. Allerdings geschah das nicht im Ergebnis eines Gerichtsurteils, sondern eines außergerichtlichen Vergleichs, bei dem die Opfer obendrein auf alle weiteren Rechte verzichteten. Bezüglich südkoreanischer Kriegsteilnehmer hat ein Gericht in Seoul die Schäden, die Agent Orange/Dioxin und andere giftige Kampfstoffe bei ihnen verursachten, ebenfalls anerkannt.

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Quelle:
© 2012 by Gerhard Feldbauer
Mit freundlicher Genehmigung des Autors


veröffentlicht im Schattenblick zum 27. Juli 2012