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PROFI/711: Weltergewicht - Weizen ohne Spreu ... (SB)



Errol Spence ringt Shawn Porter den Gürtel ab

In einem ebenso hochklassigen wie spannenden Kampf zweier Weltmeister im Weltergewicht über volle zwölf Runden hat sich Errol Spence (IBF) gegen Shawn Porter (WBC) durchgesetzt und damit auch dessen Titel in seinen Besitz gebracht. Die Entscheidung fiel knapp nach Punkten (116:111, 116:111, 112:115), wobei die abweichende Wertung mit einem dicken Fragezeichen zu versehen ist. Der Auftritt ging vor rund 16.700 Zuschauerinnen und Zuschauern im Staples Center in Los Angeles über die Bühne und wurde vom Sender Fox Sports im Pay-TV übertragen. Während der 29jährige Spence aus DeSoto in Texas damit in 26 Kämpfen ungeschlagen blieb, stehen für den zwei Jahre älteren Porter nunmehr 30 Siege, drei Niederlagen sowie ein Unentschieden zu Buche.

Der als Favorit gehandelte Errol Spence ließ es anfangs relativ ruhig angehen, steigerte sich aber in der zweiten Hälfte des Kampfes und erzielte in der elften Runde einen Niederschlag. Viele Durchgänge verliefen nahezu ausgeglichen, doch schlug der Texaner insgesamt präziser und härter als sein Gegner, so daß ihm am Ende der Sieg zu Recht zugesprochen wurde. Als Porter zu Boden gehen mußte, war im Grunde die Entscheidung gefallen, da er zwar umgehend wieder auf die Beine kam und weiterhin mitkämpfte, aber bis zum Schlußgong kein deutliches Zeichen zu seinen Gunsten mehr setzen konnte. Errol Spence hätte es sich wohl leichter machen und wie zuletzt gegen Mikey Garcia aus der Distanz boxen können, wo der kleinere Kontrahent nur mit Mühe an ihn herangekommen wäre. Er zog es jedoch vor, Porter in dessen bevorzugtem Milieu zu begegnen und ihm zu beweisen, daß er auch im engen Schlagabtausch dichter am Gegner überlegen war.

So entwickelte sich über weite Strecken ein erbittertes Ringen auf hohem Niveau, bei dem beide Akteure häufig trafen und umgekehrt eine Menge einstecken mußten. Daß Spence der bessere Boxer ist, zeigte sich andeutungsweise von der elften Runde an, als er von dem Handgemenge Abstand nahm, sofort die Oberhand gewann und den Kampf eindrucksvoll ins Ziel brachte. Shawn Porter hätte angesichts seiner beachtlichen Leistung zweifellos eine Revanche verdient, doch Spence schmiedet andere Pläne und will sich auch die restlichen beiden Titel im Weltergewicht sichern. Shawn Porter wird unmittelbar nach dieser Niederlage kaum einen hochdotierten Kampf gegen Danny Garcia, Keith Thurman oder gar Manny Pacquiao bekommen. Wahrscheinlicher wäre da schon ein zweiter Gang mit Yordenis Ugas, den er im Frühjahr umstritten besiegt hat. [1]

Nachdem man im Vorfeld davon ausgegangen war, daß sich Spence recht souverän gegen Porter durchsetzen würde, sorgte der enge Verlauf doch für eine Überraschung. Der Favorit war physisch und psychisch gefordert wie nie zuvor in seiner Karriere. Er mußte sein Bestes geben, um sich durchzusetzen, was ihm denn auch zum Ende hin überzeugend gelang. Porter hat ungeachtet der Niederlage seinen Ruf aufpoliert, da er bislang eher als ein Boxer verrufen war, der limitierte technische Fertigkeiten mit wildem Drang samt grenzwertigen Aktionen zu kompensieren pflegt. Nur wenige dürften ihm zugetraut haben, einen hochklassigen Gegner wie Spence so lange unter Druck zu setzen, wie ihm das gelungen war. Spätestens ab der zweiten Hälfte ihres Kampfs würde der in der Rechtsauslage boxende Texaner das Kommando übernehmen, dachte man.

Shawn Porter unternahm jedoch wesentlich mehr, als nur durchzuhalten und den Kampf möglichst sperrig für seinen Widersacher zu machen. Er brachte saubere Rechte und linke Haken zum Körper ins Ziel, die Spence sichtlich beeindruckten, der nie zuvor in seiner Profilaufbahn so klar getroffen worden war. Zudem hatte Spence seine Gegner zuletzt mit wenigen Kombinationen niedergestreckt, sobald er das Tempo erhöhte und entschieden Druck machte. Von einer solchen Wirkung war bei Porter lange Zeit überhaupt nichts zu sehen, der alles wegsteckte, was ihn traf, und bis zur elften Runde in keiner Phase angeschlagen wirkte. [2] Laut der Statistik von CompuBox hatte Spence 221 von 745 Schlägen ins Ziel gebracht (30 Prozent), während Porter 172 Treffer bei 744 Versuchen gelungen waren (23 Prozent). Dies bestätigt einen engen Kampfverlauf mit Vorteilen für den Favoriten, der jedoch wesentlich mehr einstecken mußte, als er auf die leichte Schulter nehmen konnte.

Errol Spence, der seinen IBF-Titel damit zum fünften Mal erfolgreich verteidigt und einen weiteren dazugewonnen hatte, zog anschließend mit den Worten Bilanz, er habe in seinem vorangegangenen Kampf Mikey Garcia ausgeboxt, aber gegen Porter unter Beweis gestellt, daß er auch dessen Stil gewachsen und der stärkere Weltergewichtler sei. Shawn Porter sei ein sehr unangenehmer Gegner und ein wahrer Champion, der für einen harten Kampf gesorgt habe. Um so besser fühle sich nun der Sieg an, mit dem ein Traum in Erfüllung gegangen sei. Die harte Arbeit zahle sich aus, da er nun einen zweiten Gürtel in seinen Besitz gebracht habe und sich auch die übrigen holen werde. Er danke seinem Gegner Shawn Porter, seinem eigenen Team und all seinen Fans aus Texas, die den Weg nach Los Angeles nicht gescheut hatten, um ihm hier den Rücken zu stärken.

Auch Shawn Porter, der Spence seit Jahren kennt und mit dem er befreundet ist, konnte stolz auf seine Leistung sein, wie er auch seinerseits den Kontrahenten würdigte. Sie seien beide in den Ring gestiegen, um ihr Bestes zu geben und den Zuschauern etwas zu bieten, das sie so schnell nicht vergessen würden. Er habe all seine Erfahrung ins Spiel gebracht und ein wenig mehr aufgeboten, als sein Gegner erwarten konnte. Der habe indessen einen Weg gefunden, damit umzugehen, wofür er ihm und seinem Team allen Respekt erweise. Und an das Publikum gewandt, fragte Porter: "Habt ihr diesen Kampf genossen?"

Bei seinem letzten Auftritt im März hatte Errol Spence klar gegen Mikey Garcia die Oberhand behalten, der Weltmeister in vier Gewichtsklassen gewesen und aus dem Leichtgewicht aufgestiegen war, um diesen vielbeachteten Prestigekampf auszutragen. Obgleich körperlich überlegen, hatte Spence nicht brachial von seiner Physis und vollen Schlagwirkung Gebrauch gemacht, sondern den Kontrahenten nach allen Regeln der Kunst ausgeboxt, der nicht zum Zuge kam und sämtliche Runden abgeben mußte. Gegen Shawn Porter, der ein erfahrener und sehr robuster Weltergewichtler ist, würde er anders zu Werke gehen, hatte Spence angekündigt. Er löste dieses Versprechen ein, wenngleich ihm der in Aussicht gestellte vorzeitige Sieg nicht gelang, da sich der Gegner über weite Strecken als ebenbürtig erwies.

Porter hat in der Vergangenheit namhafte Gegner wie Adrien Broner, Andre Berto, Devon Alexander und Paulie Malignaggi besiegt, im September 2018 im Kampf um den damals vakanten WBC-Titel Danny Garcia das Nachsehen gegeben und zuletzt bei seiner ersten Titelverteidigung im März 2019 den anspruchsvollen Pflichtherausforderer Yordenis Ugas knapp in die Schranken gewiesen. Er zögerte auch nicht, sich mit Errol Spence zu messen, dem viele andere führende Weltergewichtler tunlichst aus dem Weg gegangen waren, weil sie um seine Stärken wußten. Man muß es Shawn Porter hoch anrechnen, daß er dieses Duell zweier Weltmeister nicht gescheut und sich überdies viel besser verkauft hat, als die breite Mehrheit der Experten prognostiziert hatte.

Das Weltergewicht ist seit Jahren eine der am stärksten besetzten Gewichtsklassen der Branche, woran sich auch nach dem Abschied Floyd Mayweathers, der einst für die größten Umsätze sorgte, nichts geändert hat. Spence und Porter waren sich vor ihrem Kampf darüber einig, daß dem Sieger der Rang des besten Boxers in diesem Limit gebühre. Dieser Einschätzung ungeachtet sind da aber noch Manny Pacquiao als aktueller WBA-Weltmeister wie auch Terence Crawford zu nennen, der den Titel der WBO in seinem Besitz hat und als einer der besten Akteure aller Gewichtsklassen gehandelt wird. [3]

Danny Garcia, der früher Champion im Halbwelter- und Weltergewicht gewesen war, saß im Staples Center diesmal als Kommentator für den Sender Fox Sports am Ring, der den Kampf übertragen hatte. Auf die Frage, ob er gegen Garcia antreten werde, antwortete Errol Spence diplomatisch, er nehme es mit jedem auf, den sein Promoter und sein Team für ihn auswählten. Indessen hat er längst Stellung bezogen und erklärt, daß er Manny Pacquiao und Terence Crawford ins Visier nehme, um auch ihnen die Gürtel abzujagen. Sollte ihm das gelingen und er unangefochtener Weltmeister aller vier maßgeblichen Verbände im Weltergewicht werden, plane er einen Aufstieg ins Halbmittel- oder vielleicht sogar ins Mittelgewicht, um dort die anspruchsvollsten Aufgaben in Angriff zu nehmen. Selbst einen Kampf gegen Saul "Canelo" Alvarez schließt Spence mittelfristig nicht aus. Zuvor warten jedoch weitere hochkarätige Auftritte im Weltergewicht auf ihn, die es in sich haben. Shawn Porter schien dabei noch die leichteste Aufgabe zu sein, doch selbst dieser Eindruck trog, wie sich nun herausgestellt hat. In dieser Gewichtsklasse gibt es selbst für einen so talentierten und aufstrebenden Boxer wie Errol Spence in der höchsten Etage eben keine Konkurrenten, die sich gleichsam im Vorübergehen als Spreu vom Weizen trennen ließen.


Fußnoten:

[1] www.boxingnews24.com/2019/09/errol-spence-vs-shawn-porter-live-results/

[2] www.espn.com/boxing/story/_/id/27723480/no-question-errol-spence-jr-shawn-porter-delivered

[3] www.espn.com/boxing/story/_/id/27724574/errol-spence-jr-edges-shawn-porter-unifies-welterweight-titles

29. September 2019


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