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PROFI/697: Halbschwergewicht - Rückkehr in Glanz und Gloria ... (SB)



Sergej Kowaljow holt sich bei der Revanche den WBO-Titel zurück

Sergej Kowaljow ist wieder WBO-Weltmeister im Halbschwergewicht. Vor 4.877 Zuschauern im texanischen Frisco nahm der 35jährige Russe aus Los Angeles erfolgreich Revanche an dem ein Jahr jüngeren Kolumbianer Eleider Alvarez aus Montreal, der sich einstimmig nach Punkten geschlagen geben mußte (120:108, 116:112, 116:112), was dem Kampfverlauf durchaus gerecht wird. Promoter der Veranstaltung, die von ESPN+ übertragen wurde, war Bob Arums Top Rank Boxing. Am 4. August 2018 hatte Alvarez den Russen in Atlantic City überraschend entthront, als er ihn in der siebten Runde geschlagen auf die Bretter schickte. Kowaljow machte von der vertraglich vereinbarten Option eines sofortigen Rückkampfs Gebrauch und belehrte nun alle Kritiker eines Besseren, die ihm ein weiteres Debakel vorhergesagt hatten, da sie ihn auf dem absteigenden Ast seiner Karriere wähnten. Für den Russen, der damit zum dritten Mal in seiner Profilaufbahn Champion in dieser Gewichtsklasse geworden ist, stehen nun 33 Siege, drei Niederlagen sowie ein Unentschieden zu Buche, der zuvor ungeschlagene Alvarez zog nach 24 Erfolgen erstmals den kürzeren.

Man könnte fast von einer perfekten Vorstellung Kowaljows sprechen, der früher Weltmeister der Verbände WBA, WBO und IBF gewesen war und als führender Akteur im Halbschwergewicht galt, bis er sich dem Kalifornier Andre Ward zweimal umstritten geschlagen geben mußte. Der Russe boxte seinen Gegner regelrecht aus und präsentierte sich insbesondere in wesentlich besserer konditioneller Verfassung als bei ihrer ersten Begegnung. Auch konzentrierte er sich diesmal voll und ganz auf seine technischen und taktischen Fertigkeiten, statt sich im wilden Schlagabtausch oder häufigem Klammern vorzeitig zu erschöpfen. Auch Alvarez hatte gute Phasen vor allem in der ersten Hälfte des Kampfs und dann noch einmal ab der sechsten Runde, als Kowaljow allmählich zu ermüden schien. Doch von der neunten Runde an war der Russe wieder Herr des Geschehens und zog dem Kolumbianer uneinholbar davon, der ihn kein einziges Mal mit seinen Schlägen erschüttert hatte. [1]

Auch die Statistik von CompuBox zeugt von der Überlegenheit des Russen: Während Kowaljow 213 von 816 Schlägen ins Ziel brachte, konnte Alvarez lediglich 111 Treffer bei 369 Versuchen landen. Sergej Kowaljow, der nach der Niederlage im letzten August von einer Panne gesprochen hatte, da er übertrainiert gewesen und plötzlich müde geworden sei, wurde nach drei Kämpfen, bei denen er mit seinem Landsmann Abror Tursunpulatow zusammengearbeitet hatte, diesmal von dem Veteranen Buddy McGirt und dem Konditionstrainer Teddy Cruz betreut. Dieses Gespann hatte einst die Karriere Arturo Gattis wiederbelebt und machte nun dasselbe bei Sergej Kowaljow. Dessen Promoterin Kathy Duva hatte bereits nach der ersten Niederlage des Russen gegen Andre Ward im November 2016 dazu geraten, McGirt und Cruz zu Rate zu ziehen. Wie sie nun bilanzierte, habe Sergej schon damals gewußt, daß mit seinem Training etwas nicht stimmte. Er habe jedoch lange gebraucht, um ihrem Rat zu folgen, dessen Früchte unübersehbar seien. Sergej sei in großartiger körperlicher Verfassung angetreten und habe vor dem offiziellen Wiegen nicht einmal abkochen müssen, sondern sogar ganz normal gegessen. Dieser Erfolg schmecke um so süßer, als niemand erwartet habe, daß Kowaljow erfolgreich Revanche nehmen würde. [2]

Sehr zufrieden zeigte sich auch Buddy McGirt, da sich sein Boxer noch konsequenter als erwartet an die taktische Marschroute gehalten habe. Wie in den Pausen zu beobachten war, hatte der erfahrene Trainer seinen Schützling immer wieder eindringlich ermahnt, sich nicht auf das kraftraubende Klammern und Wühlen des Gegners einzulassen. Kowaljow hielt sich sichtlich daran, mied jegliche ringerischen Einlagen und boxte den Sieg souverän heraus. Hätte McGirt schon 2016 in seiner Ecke gestanden, wäre Andre Ward nicht mit einem Punktsieg davongekommen und Kowaljows Karriere anders verlaufen. Der Russe lobte sein Team und die Vorbereitung denn auch auch in den höchsten Tönen, da sie ihn in Bestform gebracht und seine Kombinationen deutlich verbessert hätten. Eleider Alvarez zollte dem Kontrahenten Respekt und erklärte, er habe auf einen vorzeitigen Sieg gedrängt, da ihm klar gewesen sei, daß Kowaljow bei einem Gang über volle zwölf Runden die besseren Karten haben würde. Er habe sein Bestes gegeben und fühle sich nicht als Verlierer, erkenne jedoch den Erfolg seines Gegners ohne Einwände an.

Für Sergej Kowaljow war es jedenfalls ein glänzendes Comeback, das ihm nun freie Hand gibt, entweder einen dritten Kampf gegen Eleider Alvarez zu bestreiten oder sich mit einem anderen Weltmeister im Halbschwergewicht zu messen. Wenngleich natürlich auch die WBO ein gewichtiges Wort mitzureden hat, wäre es sicher die attraktivere Option, mit Artur Beterbijew (IBF), Dmitri Biwol WBA) oder Oleksander Gvozdyk (WBC) in den Ring zu steigen, um die jeweiligen Titel zusammenzuführen. Da Biwol bei Matchroom Boxing USA unter Vertrag steht und seine Auftritte über den Streamingdienst DAZN gezeigt werden, dürfte es schwierig sein, die beiden Lager unter einen Hut zu bringen. Viel einfacher wäre es hingegen im Falle Beterbijews oder Gvozdyks, da die Promoter Top Rank (Bob Arum) und Main Events (Kathy Duva) eine Partnerschaft eingegangen sind. Eine weitere Option wäre der ebenfalls bei Arum unter Vertrag stehende WBO-Weltmeister im Supermittelgewicht Gilberto Ramirez, der für seinen nächsten Auftritt ins Halbschwergewicht aufsteigen will.

Nach seinem erneuten Titelgewinn ist Sergej Kowaljow wieder der führende Akteur im Halbschwergewicht. Er sei nicht wählerisch, versicherte der WBO-Champion, sondern bereit für jeden Gegner. Welcher andere Weltmeisters wage es, gegen ihn anzutreten? Er sei gekommen, um für sich selbst und seine Fans Geschichte zu schreiben, so der Russe. Nach Kathy Duvas Worten stehen nun wieder viele Türen offen. Sie werde sich mit den Freunden bei Top Rank zusammensetzen und zweifle nicht eine Sekunde daran, daß man problemlos einen angemessenen Gegner finden könne.


Fußnoten:

[1] www.boxingnews24.com/2019/02/sergey-kovalev-defeats-eleider-alvarez-results/

[2] tv5.espn.com/boxing/story/_/id/25912314/sergey-kovalev-tops-eleider-alvarez-reclaims-light-heavyweight-title

3. Februar 2019


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