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PROFI/686: Supermittelgewicht - Finale fern der Heimat ... (SB)



Callum Smith neuer Weltmeister und Turniersieger

Callum Smith hat das Finale der World Boxing Super Series gewonnen und ist neuer Weltmeister der WBA im Supermittelgewicht. Der 28jährige Brite setzte sich in Dschidda überraschend gegen seinen zwei Jahre älteren Landsmann George Groves durch, der sich in der siebten Runde geschlagen geben mußte. Der in 25 Kämpfen unbezwungene Smith strich beim ersten Titelkampf, der je in Saudi-Arabien ausgetragen wurde, den Löwenanteil der für den Finalkampf ausgelobten 10 Millionen Dollar ein und nahm als Turniersieger die eigens dafür entworfene Muhammad Ali Trophy aus den Händen von Rashidah Ali, einer Tochter der verstorbenen Legende, entgegen. Das Turnier hatte vor einem Jahr mit jeweils acht Teilnehmern im Cruisergewicht und Supermittelgewicht begonnen, wobei sich im höheren Limit der Ukrainer Oleksandr Ussyk durchsetzen konnte. Callum Smith hat drei Brüder, die ebenfalls im Profigeschäft aktiv sind, und ist nach Liam Smith, der von 2015 bis 2016 WBO-Champion im Halbmittelgewicht war, der zweite Weltmeister dieses boxenden Quartetts aus Liverpool.

George Groves, für den nun 28 gewonnene und vier verlorene Auftritte zu Buche stehen, hatte sich bei seinem Sieg über Chris Eubank im innerbritischen Halbfinale, das am 17. Februar in Manchester über die Bühne ging, die linke Schulter ausgekugelt, worauf eine Operation erforderlich war. Aus diesem Grund mußte das ursprünglich im Mai angesetzte Finale verschoben werden. Die Veranstalter erklärten sich bereit, Groves eine längere Frist einzuräumen, um das Turnier in der vorgesehenen Form abzuschließen. Sollte dies jedoch bis September nicht möglich sein, würde Eubank als Ersatz einspringen. Auch Callum Smith war willens, sich in Geduld zu üben, da eine hohe Börse, der Siegespokal und der WBA-Titel winkten. Der aufgrund seiner Erfahrung favorisierte Groves mußte sich im Vorfeld des Kampfs zwangsläufig skeptischen Fragen nach seiner körperlichen Verfassung stellen, versicherte aber, umfänglich wiederhergestellt zu sein. Smith galt indessen auch deshalb als Außenseiter, weil er mit Siegen über Erik Skoglund und den Ersatzkandidaten Nieky Holzken einen wesentlichen leichteren Weg ins Finale hinter sich hatte als Groves.

Smith fand gut in den Kampf und schloß die erste Runde mit einer Serie von Schlägen ab, für die sich Groves in der zweiten mit seinem steifen Jab revanchierte. Als kleinerer Boxer mit einer geringeren Reichweite war der Favorit doch mit seinen kurz angesetzten Schlägen bemerkenswert erfolgreich, während der Außenseiter vor allem auf wuchtige Einzeltreffer seiner Rechten setzte. Damit erschütterte er Groves in der dritten Runde, worauf er über den an den Seilen lehnenden Gegner herfiel, der diesen Ansturm jedoch geschickt überstand und den Gegner seinerseits traktierte. Smith traf auch in der Folge vereinzelt mit der Rechten, doch spielte der Champion mehr und mehr seine technische Überlegenheit aus. Das Verhängnis ereilte Groves in der siebten Runde, als er sich auf einen Schlagabtausch einließ und einen linken Haken gegen die Schläfe einstecken mußte, der ihn zurücktaumeln ließ. Smith legte sofort nach, setzte ihn in der Ecke fest und schlug auf ihn ein, bis er auf die Knie sank. [1] Dort versetzte ihm der Herausforderer einen verbotenen Schlag auf den Hinterkopf, doch Ringrichter Luis Pabon ignorierte die doppelte Regelwidrigkeit und erklärte den Kampf nach 2:04 Minuten der siebten Runde für beendet, nachdem Groves die Frage verneint hatte, ob er weitermachen wolle. [2]

George Groves hatte in diesem Kampf mehr harte Treffer abbekommen, als ihm lieb sein konnte, andererseits aber phasenweise klug und geschickt aus der Distanz geboxt und eine Führung auf den Zetteln der Punktrichter herausgearbeitet. Obgleich ihm diese Taktik gegen den körperlich überlegenen Kontrahenten zum Vorteil gereichte, wollte er es in der siebten Runde offenbar wissen und fing sich dabei den letztlich entscheidenden Konter ein. Möglicherweise hätte er klammernd die kritische Situation überstanden, doch da er nach dem Treffer in die Seile zurückwich, setzte er sich dem Angriff des Gegners weitgehend schutzlos aus. Er hielt zwar die Deckung hoch, so daß Smith viele Löcher in die Luft schlug, wehrte sich aber nicht mehr und wurde schließlich erneut schwer an Kopf und Körper getroffen. Rückblickend gesehen wäre es weitaus klüger gewesen, sich nicht auf den Schlagabtausch mit Smith einzulassen und allenfalls gegen Ende des Kampfs noch einmal voll zur Sache zu gehen.

Hocherfreut sah sich Callum Smith nach einer langen und geduldigen Jagd auf den Titel endlich für sein Durchhaltevermögen belohnt. Wie er in einer ersten Stellungnahme erklärte, habe er sich nach dieser Chance gesehnt, unterdessen aber nie den Glauben daran verloren, daß er talentiert genug sei, der beste Boxer seiner Gewichtsklasse zu werden. Den Beweis habe er nun angetreten. Als Turniersieger und WBA-Weltmeister wird Smith als führender Akteur im Supermittelgewicht gehandelt, wobei man aber nicht vergessen darf, daß mehrere hochklassige Rivalen nicht mit von der Partie waren. Während das Turnier im Cruisergewicht die gesamte Weltspitze zusammenführte und Oleksandr Ussyk am Ende alle vier maßgeblichen Titel vereinte, fehlten im Supermittelgewicht prominente Akteure wie Gilberto Ramirez, David Benavidez, Jose Uzcategui oder Jesse Hart. Ob sich Smith auch gegen sie durchsetzen könnte, ist mit einem Fragezeichen zu versehen.

Im ersten Interview nach der Niederlage haderte George Groves weder mit dem regelwidrigen Nackenschlag noch führte er die zuvor verletzte Schulter zur Entschuldigung an. Er habe ohne Einschränkung kämpfen können, aber es sollte eben nicht sein, so der entthronte Weltmeister. Er zolle dem Gegner höchsten Respekt, da dieser hervorragend gekämpft und gewaltig zugeschlagen habe. Am Ende sei es ein Körpertreffer gewesen, der ihm in der Ecke den Rest gegeben habe. Die enorme Schlagwirkung des Herausforderers sei ja bekannt und da er überdies Reichweitenvorteile aufbieten konnte, habe man natürlich den Plan gefaßt, sich möglichst nicht auf einen Schlagabtausch einzulassen. Doch Callum Smith sei an diesem Abend einfach der bessere Boxer gewesen.

Möglichen Spekulationen, ob er nach diesem Scheitern im Finale des Turniers und dem Titelverlust seine Karriere beenden werde, entzog Groves sofort den Boden. Wenngleich es unter dem Strich ein vertracktes Jahr gewesen sei, werde er die Boxhandschuhe keinesfalls an den Nagel hängen. Nach der langen Abwesenheit von zu Hause wolle er zuallererst seine Familie wiedersehen und sich ausruhen, um später in Ruhe zu entscheiden, wie es weitergehen soll. George Groves hat zwar in Dschidda keine berauschende Vorstellung gegeben und sich ohne Not in eine Klemme begeben, die böse für ihn ausging, andererseits aber doch solide geboxt und den langarmigen Kontrahenten bis zur entscheidenden Szene recht gut neutralisiert. Wenngleich er die dritte K.o.-Niederlage seiner Laufbahn einstecken mußte, hat er nach wie vor einen guten Namen und könnte durchaus Gegnern wie dem WBC-Weltmeister David Benavidez, dem WBO-Champion Gilbert Ramirez, Jose Uzcategui bei der IBF oder dem regulären WBA-Titelträger Rocky Fielding das Wasser reichen. [3]


Fußnoten:

[1] www.espn.com/boxing/story/_/id/24824204/callum-smith-beats-george-groves-via-seventh-round-knockout-win-wba-world-title

[2] www.boxingnews24.com/2018/09/callum-stops-tkos-george-groves-results/

[3] www.boxingnews24.com/2018/09/george-groves-im-not-retiring/

29. September 2018


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