Schattenblick → INFOPOOL → SPORT → BOXEN


PROFI/650: Garanten der Extraklasse - wie füreinander geschaffen (SB)



Leo Santa Cruz holt sich den Titel von Carl Frampton zurück

Vor mehr als 10.000 restlos begeisterten Zuschauern in der MGM Grand Garden Arena in Las Vegas hat sich Leo Santa Cruz den Titel des Superchampions der WBA im Federgewicht von Carl Frampton zurückgeholt. Der Nordire hatte bei ihrem ersten Aufeinandertreffen vor sechs Monaten in Brooklyn nach einem phantastischen Auftritt beider Akteure knapp nach Punkten die Oberhand behalten. Auch die Revanche erfüllte alle in sie gesetzten Erwartungen an einen ebenso hochklassigen wie mitreißenden Kampf, wobei diesmal der US-Amerikaner verdientermaßen den Zuschlag der Punktrichter bekam (114:114, 115:113, 115:113). Diese Konstellation schreit geradezu nach einem dritten Duell, zu dem sich beide Boxer umgehend bereiterklärten.

Für den 28jährigen Leo Santa Cruz aus Los Angeles stehen nun 33 Siege, eine Niederlage sowie ein Unentschieden zu Buche, für den ein Jahr älteren Rivalen aus Belfast 23 gewonnene Auftritte und ein verlorener Kampf. Nach seinem Scheitern bei ihrer ersten Begegnung im Ring hatte der gebürtige Mexikaner mit sich gehadert, er habe sich zu sehr auf den Schlagabtausch eingelassen und zu wenig Gebrauch von seinen technischen und taktischen Qualitäten gemacht. Bei der Revanche setzte er diese Selbstkritik konsequent um, arbeitete vorzugsweise mit seinem ausgezeichneten Jab und nutzte seine Größen- und Reichweitenvorteile.

Während Santa Cruz normalerweise in einem Kampf über zwölf Runden mehr als 1000 Schläge abfeuert, begnügte er sich diesmal laut der Statistik von CompuBox mit 884, von denen 230 ihr Ziel fanden (26 Prozent). Carl Frampton konnte bei 592 Versuchen 133 Treffer landen (22 Prozent). Wenngleich diese Daten für sich genommen natürlich noch keinen Aufschluß darüber geben, wer von beiden der dominierende Boxer war, unterstreichen sie doch die Einschätzung der Experten, daß der Kalifornier diesmal zu Recht gewonnen habe.

Im vergangenen Jahr hätte Leo Santa Cruz den Kampf gegen Frampton beinahe abgesagt, weil bei seinem Vater und Trainer wenige Wochen zuvor Knochenkrebs in der Wirbelsäule diagnostiziert worden war. José Santa Cruz bestand jedoch auf der Austragung des Duells, wenngleich er seinem Sohn während der Vorbereitung und im Kampf selbst nur eingeschränkt zur Seite stehen konnte. Da die Erkrankung inzwischen besiegt zu sein scheint, konnte der ältere Santa Cruz wie gewohnt in der Ecke schalten und walten. Er pfiff seinen Boxer immer wieder zurück, wenn sich dieser in den offenen Schlagabtausch stürzen wollte, und trug so maßgeblich dazu bei, die überlegene taktische Marschroute durchzusetzen.

Unter ohrenbetäubenden Anfeuerungsrufen und Schlachtgesängen beider Fangemeinden gingen die Kontrahenten vom ersten Gong an aufeinander los, als schlössen sie nahtlos an, wo sie im letzten Juli aufgehört hatten. Sie tauschten unablässig heftige Schläge aus, so daß das Geschehen im Ring hin und her wogte, ohne daß einer der beiden eindeutig die Oberhand gewonnen hätte. Santa Cruz machte den geringfügig souveräneren Eindruck, bis Frampton in der siebten Runde den Druck erhöhte und ihn zurückzutreiben begann. Der US-Amerikaner bot ihm jedoch Paroli, verließ sich immer weniger auf den Jab und drehte im neunten Durchgang den Spieß um, als er den Nordiren mit schweren Treffern traktierte. In den letzten drei Runden gingen beide Boxer zur offenen Schlacht über, die bis zum Schlußgong anhielt.

Anschließend fielen sie einander in die Arme, was in ihrem Fall keine obligatorische Geste war. Während die meisten anderen Boxer Abneigung gegen ihren Kontrahenten empfinden oder zumindest zur Bewerbung des Kampfs eine Fehde simulieren, scheinen Santa Cruz und Carl Frampton einander zu schätzen, woraus sie nie ein Hehl gemacht haben. Der Nordire räumte denn auch unumwunden ein, daß sein Gegner in einem harten und großartigen Kampf diesmal verdient gewonnen habe. [1]

Da Santa Cruz zunächst aus der Distanz geboxt hatte, mußte Frampton angreifen, um an den Gegner heranzukommen. Dabei handelte er sich jedoch zahlreiche Konter durch den Jab des Herausforderers ein. In den letzten vier Runden paßte der Nordire seine Kampfesweise besser den Umständen an und suchte den Infight, der jedoch nicht sein bevorzugtes Metier ist. In der Endphase dominierte der Kalifornier daher zwar nicht mehr so deutlich wie zuvor, konnte aber die Punktrichter nach wie vor für sich einnehmen. [2]

Wie Leo Santa Cruz nach seinem Erfolg erklärte, habe er sich intensiv vorbereitet und eine kluge, weil etwas zurückhaltendere Kampfesweise durchgetragen. Daß sein Vater bei der Vorbereitung und im Kampf uneingeschränkt dabeigewesen sei, habe den entscheidenden Unterschied gemacht. José Santa Cruz war stolz auf seinen Sohn, der boxend und konternd die zuvor geprobte Taktik bestmöglich umgesetzt habe. Er schätze sich glücklich, seinem Sohn aus der Ecke beistehen zu können.

Richard Schaefer, der mit seinem neugegründeten Unternehmen Ringstar Sports wieder als Promoter mitmischt, attestierte Leo Santa Cruz einen hochklassigen und disziplinierten Auftritt, der nichts zu wünschen übriggelassen habe. Er schließe Carl Frampton in seine uneingeschränkte Hochachtung ein, da diese beiden Boxer wie füreinander geschaffen seien. Sie könnten zehnmal gegeneinander antreten und würden den Zuschauern jedesmal eine Schlacht auf Biegen oder Brechen bieten, so Schaefer.

Leo Santa Cruz, dessen Börse 900.000 Dollar betrug, und Carl Frampton, der als Titelverteidiger mit einer Million noch etwas besser abschnitt, werden einen dritten Kampf bestreiten und ihrer sportlichen Rivalität ein weiteres Kapitel hinzufügen. Frampton lud den Kontrahenten nach Belfast ein, wo er seinen Landsleuten einen spektakulären Auftritt präsentieren möchte. Santa Cruz erklärte sich sofort zu einem dritten Duell bereit, äußerte sich aber nicht zu dem möglichen Austragungsort. Im Grunde genommen hatte er Frampton bereits im Juli 2016 mit dem Kampf in New York eine Art Heimvorteil gewährt, da die dort ansässige irische Fangemeinde das Barclays Center in einen Hexenkessel verwandelte. Wenngleich man damals nicht gerade von einer Fehlentscheidung sprechen konnte, dürfte doch nach einem Kräftemessen zweier nahezu gleichwertiger Boxer die Stimmung im Saal nicht spurlos an den Punktrichtern vorübergegangen sein. Daher werden sich Leo Santa Cruz und der erfahrene Promoter Richard Schaefer kaum auf eine Reise nach Belfast einlassen. Davon abgesehen darf man sich aber voll und ganz auf den nächsten Akt der Trilogie freuen.


Fußnoten:

[1] http://www.espn.com/boxing/story/_/id/18576483/leo-santa-cruz-takes-featherweight-title-carl-frampton-majority-decision-win

[2] http://www.boxingnews24.com/2017/01/leo-santa-cruz-vs-carl-frampton-results/#more-226021

29. Januar 2017


Zur Tagesausgabe / Zum Seitenanfang