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PROFI/647: Wachablösung auf dem Gipfel des Cruisergewichts (SB)



Oleksandr Ussyk enthront Krzysztof Glowacki als WBO-Weltmeister

Wenngleich Oleksandr Ussyk erst zehn Profikämpfe bestritten hat, ist er bereits WBO-Weltmeister im Cruisergewicht. Der Olympiasieger des Jahres 2012 aus der Ukraine setzte sich in Danzig einstimmig nach Punkten (119:109, 117:111, 117:111) gegen den polnischen Titelverteidiger Krzysztof Glowacki durch. Der Ukrainer brach damit einen Rekord, der älter ist als er selbst: 1986 war Evander Holyfield bei seinem zwölften Auftritt im Profilager Champion im Cruisergewicht geworden. Glowacki, der Marco Huck im August 2015 den Gürtel abgenommen hatte, mußte sich nach 26 Siegen erstmals geschlagen geben.

Der mit 1,90 m deutlich größere Ussyk fand schneller in den Kampf als Glowacki und bestimmte die Anfangsphase mit seiner Führhand. Erst in der vierten Runde kam der in der Rechtsauslage boxende Pole besser zur Geltung und brachte den Gegner mehrfach mit seiner Linken in Bedrängnis, euphorisch angefeuert von seinen Landsleuten, die jeden gelungenen Treffer feierten. Glowacki trug jedoch in diesem Durchgang nach einem unabsichtlichen Kopfstoß eine Rißwunde über dem rechten Auge davon. Von der sechsten Runde an übernahm der Ukrainer wieder das Kommando, da er schneller und beweglicher zu Werke ging. Der 29jährige Herausforderer schlug präziser, konterte geschickter und zermürbte den ein Jahr älteren Lokalmatador mit Körpertreffern. [1]

Glowacki versuchte während des gesamten Kampfs, vorwärts zu marschieren, doch verfehlte er den Ukrainer mit seinen wuchtigen Schlägen häufig. Von der zehnten Runde an änderte sich dieses Bild insofern, als Ussyk nun wesentlich häufiger und aus wechselnden Richtungen schlug, was den Polen sichtlich verwirrte und ihm überhaupt nicht behagte. Der Ukrainer wirkte nun immer zuversichtlicher und legte sogar einen Ali-Shuffle ein, um Glowacki sogleich mit der Linken einen Kopftreffer zu verpassen. Wenngleich der Pole noch immer versuchte, gefährliche Einzeltreffer zu landen, bot ihm der Herausforderer entweder überhaupt kein Ziel oder schwächte die Wirkung durch seine Bewegung ab. Nur wenn der Titelverteidiger zum Körper schlug, führte dies häufiger zum Erfolg, doch bediente er sich dieses Mittels zu selten, als daß er Ussyk damit ernsthafte Probleme bereitet hätte.

In den letzten beiden Runden kam der Ranglistenerste so oft mit Kombinationen durch, denen der Lokalmatador nichts entgegenzusetzen hatte, daß ein vorzeitiger Sieg in der Luft lag. Einmal drehte Glowacki seinem Gegner sogar den Rücken zu, als könne ihm dadurch nichts mehr passieren. Er konnte von Glück reden, daß Ussyk in dieser Szene nicht zum Hinterkopf schlug, sondern den Polen umkreiste, um ihn von der Vorderseite her zu treffen. Glowacki schien in dieser Phase völlig den Faden verloren zu haben und nur noch auf dem Rückzug zu sein. Zu Beginn der zwölften Runde ging Ussyk nach einem Gerangel zu Boden, was Ringrichter Robert Byrd jedoch nicht als Niederschlag wertete. Dennoch setzte Glowacki noch einmal alles auf eine Karte, doch der Ukrainer überstand auch diese letzte Offensive des Gegners und setzte seinerseits mit einem Wirkungstreffer den Schlußpunkt. [2]

Hatte man mit einem engen Kampfverlauf gerechnet, da Glowacki zwar als technisch unterlegen eingeschätzt wurde, jedoch wegen seiner gefährlichen Einzeltreffer jederzeit für eine Überraschung gut zu sein schien, so dominierte Oleksandr Ussyk unverhofft klar das Geschehen im Ring. Nach den ausgezeichneten Auftritten des Polen gegen Marco Huck und Steve Cunningham war dies eine Enttäuschung, die sich jedoch weniger darauf zurückführen ließ, daß er diesmal wesentlich schwächer gewesen wäre. Er traf vielmehr auf einen Gegner, der ihm nicht nur körperlich, sondern auch boxerisch klar überlegen war und nach knapp drei Jahren im Profigeschäft mit Fug und Recht Weltmeister geworden ist.

Als interessierter Beobachter verfolgte WBC-Weltmeister Tony Bellew das Geschehen im Ring, der als Kommentator für den Sender Sky Sports tätig ist. Bellew, der seinen Titel am 15. Oktober gegen B.J. Flores verteidigt, lobte seinen früheren Sparringspartner. Er kenne Ussyk schon seit Amateurzeiten und habe ihn stets im Auge behalten. Im Kampf gegen Glowacki habe er dem Ukrainer in seiner persönlichen Wertung neun von zwölf Runden gutgeschrieben, da dieser technisch überlegenen geboxt und härter geschlagen habe. Man habe an diesem Abend seines Erachtens etwas ganz Besonderes erlebt. Er heiße Oleksandr Ussyk im Kreise der Weltmeister des Cruisergewichts willkommen, einer der bestbesetzten Gewichtsklassen der Welt. Eines Tages würden sich ihre Wege sicher kreuzen.

Auch sein Trainer Dave Coldwell zeigte sich von der Stärke des neuen Weltmeisters beeindruckt. Das Cruisergewicht werde oftmals unterschätzt, da das US-amerikanische Publikum diese Boxer nicht kenne, ihre Namen nicht aussprechen könne und sie zu Unrecht nicht würdige. Diese großartige Gewichtsklasse warte mit einer Vielzahl hervorragender Akteure auf, deren Spitze Ussyk nun angehöre. [3]


Fußnoten:

[1] http://www.ran.de/boxen/news/box-wm-in-danzig-usyk-bricht-holyfield-rekord-mit-sieg-ueber-glowacki-100329

[2] http://www.boxingnews24.com/2016/09/oleksandr-usyk-vs-krzysztof-glowacki-results/#more-217528

[3] http://www.skysports.com/boxing/news/12183/10583251/oleksandr-usyk-impresses-fellow-cruiserweight-world-champion-tony-bellew

19. September 2016


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