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PROFI/628: Sturmangriff mit offenem Visier (SB)



Gennadi Golowkin überrollt Dominic Wade

Gennadi Golowkin hat seine Titel im Mittelgewicht in Inglewood, Kalifornien, erfolgreich gegen den IBF-Pflichtherausforderer Dominic Wade verteidigt. Der 33jährige Superchampion der WBA sowie Weltmeister der IBF und IBO benötigte keine zwei vollen Runden, um den völlig überforderten Kontrahenten nach drei Niederschlägen vorzeitig in die Kabine zu schicken. Während der 33jährige Kasache damit in 35 Kämpfen ungeschlagen ist, mußte sein acht Jahre jüngerer Gegner aus Largo, Maryland, nach 18 Siegen die erste Niederlage hinnehmen.

Der in Los Angeles lebende Titelverteidiger nahm in der ersten Runde Maß und stellte offenbar fest, daß ihn die Schläge des Herausforderers nicht beeinträchtigen konnten. Daraufhin kümmerte er sich kaum noch um seine Deckung und setzte Wade mit heftigen Treffern zu. Gegen Curtis Stevens und David Lemieux, die wesentlich härter als Wade zuschlagen können, hatte Golowkin viel mehr darauf geachtet, wenig abzubekommen. Solche Vorsicht war diesmal nicht geboten, zumal ihn die Zuschauer begeistert anfeuerten, als er über seinen Gegner herfiel. Da sofort klar war, daß ihm der US-Amerikaner keinen Kampf liefern konnte, der sich zur Unterhaltung des Publikums über eine längere Frist strecken ließ, entschied sich Golowkin dafür, einen spektakulären Kurzauftritt zu geben.

Schon vor Ende der ersten Runde lag der Herausforderer zum ersten Mal auf dem Boden, und von diesem Volltreffer schien er sich auch in der Pause nicht vollständig erholt zu haben. Im zweiten Durchgang schickte Golowkin den Gegner erneut auf die Bretter, der es gerade noch schaffte, rechtzeitig wieder auf die Beine zu kommen. Wenig später folgte der dritte Niederschlag, worauf Wade liegenblieb und von Ringrichter Jack Reiss nach 2:37 Minuten ausgezählt wurde.

Die boxerischen und taktischen Möglichkeiten des Herausforderers waren augenscheinlich derart beschränkt, daß ihm nicht anderes einfiel, als vor Golowkin stehenzubleiben und den Schlagabtausch zu riskieren. Statt sich zu bewegen und den Champion zumindest für eine gewisse Zeit hinzuhalten, lieferte er sich ihm frühzeitig aus. Hinzu kam das Manko des Außenseiters, daß er weder zum Körper noch Kombinationen schlug, sondern auf einzelne Aktionen setzte. Das reichte nie und nimmer aus, um den Kasachen zu irritieren, geschweige denn zu bremsen, der völlig freie Hand hatte und umgehend davon Gebrauch machte.

Golowkin, der für einen Auftritt von weniger als sechs Minuten zwei Millionen Dollar brutto verdiente, brachte laut der Statistik von CompuBox von 133 Schlägen 54 ins Ziel, womit er einer Quote von 41 Prozent erzielte. Wade gelangen bei 75 Versuchen 22 Treffer (29 Prozent), was recht ansehnlich, doch vor allem darauf zurückzuführen war, daß der Kasache unbekümmert mit offener Deckung angriff. [1]

Die Zuschauer waren trotz der Kürze des Kampfs sichtlich zufrieden mit dem überwältigenden Auftritt Golowkins, der in den wenigen Minuten der Darbietung nicht mit eindrucksvollen Angriffen und Niederschlägen gespart hatte. So etwas war dem Herausforderer nie zuvor passiert und wird ihm wohl auch nie wieder geschehen, da ihn sein Berater Al Haymon künftig von gefährlichen Gegnern fernhalten dürfte. Daß Dominic Wade vorzeitig verlieren würde, stand zweifelsfrei fest, sofern man höhere Gewalt in welcher Form auch immer ausschloß. Die Frage war allenfalls, ob er seine Sternstunde nutzen und dem Champion einige Runden lang Widerstand leisten würde, ehe er unterging. Wie sich jedoch umgehend herausstellte, gehörte Dominic Wade schlichtweg nicht in denselben Ring mit dem Kasachen.

Gennadi Golowkin hat seit 2008 sämtliche Gegner vorzeitig bezwungen und diese Strecke nun auf 22 K.o.-Siege in Folge ausgebaut. Und dabei gab er sich nie mit Kanonenfutter ab, sondern stellte stets den namhaftesten Gegnern nach, die ihm jedoch tunlichst aus dem Weg gingen. Der Kasache hat als Weltmeister 16 Titelverteidigungen gewonnen, so daß ihm nur noch vier Erfolge fehlen, um zu dem legendären Bernard Hopkins aufzuschließen, der seinerzeit Champion aller vier maßgeblichen Verbände im Mittelgewicht war. [2]

Da Golowkin schon geraume Zeit Pflichtherausforderer beim WBC ist, hätte er längst einen Kampf gegen den Weltmeister dieses Verbands bekommen nüssen. Der Puertoricaner Miguel Cotto zog jedoch einen Kampf gegen Saul "Canelo" Alvarez vor, und der Mexikaner trifft als neuer Champion am 7. Mai auf den Briten Amir Khan. In beiden Fällen wurde Golowkin mit einer finanziellen Abfindung bedacht, die jedoch den Nachteil nicht aufwiegt, daß ihn die populärsten und umsatzstärksten Akteure meiden. Als man dem WBO-Weltmeister Billy Joe Saunders ein lukratives Angebot machte, forderte der Brite eine noch höhere Summe, um seinen Rückzug aus den Gesprächen zu rechtfertigen.

Wenngleich Dominic Wade kein ernsthafter Prüfstein war, hinterließ Golowkin doch einen derart gefährlichen Eindruck, daß er auch ein Alptraum für Saul Alvarez und jeden anderen namhaften Mittelgewichtler wäre. "Canelo" ließ vor wenigen Tagen die Bemerkung fallen, er werde im Trainingslager den Kampf des Kasachen im Fernsehen verfolgen - aber nicht, um ihn unter die Lupe zu nehmen, sondern aus reinem Interesse am Boxen. Daß die Ausflüchte auf die Dauer immer fadenscheiniger werden, liegt auf der Hand. [3]

Unmittelbar nach seinem erfolgreichen Auftritt forderte Golowkin den Mexikaner im Interview auf, sich ihm zu einem Vereinigungskampf zweier Weltmeister zu stellen. Möglicherweise hat Alvarez jedoch längst beschlossen, sich nicht darauf einzulassen und die Vereinbarung zu brechen, im Herbst gegen den Kasachen anzutreten. Obgleich "Canelo" WBC-Champion ist, behauptet sein Lager absurderweise, er sei im Grunde gar kein Mittelgewichtler, weshalb er nur bei einem eigens vereinbarten Limit knapp über dem Halbmittelgewicht antreten werde. Dabei weiß alle Welt, daß Alvarez nach dem offiziellen Wiegen stets durch Rehydrieren derart viel zulegt, daß er am folgenden Abend wesentlich schwerer als sein Gegner in den Ring steigt.

Golowkin will sich verständlicherweise nicht auf dieses durchsichtige Manöver einlassen, das ihn zwingen würde, vor dem Kampf mehr Gewicht als üblich zu reduzieren. Im Grunde müßte der Verband ein Machtwort sprechen und Alvarez auffordern, seinen Titel entweder zu den allgemein üblichen Bedingungen gegen den Kasachen zu verteidigen oder niederzulegen. Da der Mexikaner jedoch eine wesentlich größere Fangemeinde als Golowkin mobilisieren und erheblich höhere Quoten im Pay-TV einspielen kann, wird er im Zweifelsfall hofiert.

Wie Gennadi Golowkin absolut nachvollziehbar erklärt, sei es ihm egal, wer am 7. Mai gewinnt. Er wolle gegen den Sieger antreten und ihm den Gürtel abnehmen. Amir Khan kommt jedoch im Falle eines Sieges über Alvarez nicht als Gegner für den Kasachen in Betracht, da der aus dem Weltergewicht aufgestiegene Brite bereits angekündigt hat, er wolle nicht gegen Golowkin antreten, sondern sich in seiner angestammten Gewichtsklasse mit dem WBC-Champion Danny Garcia messen.


Fußnoten:

[1] http://espn.go.com/boxing/story/_/id/15312897/gennady-golovkin-knocks-dominic-wade-second-round

[2] http://www.boxingnews24.com/2016/04/golovkin-wade-punch-stats/#more-208680

[3] http://www.boxingnews24.com/2016/04/golovkin-beats-wade-calls-canelo/#more-208671

26. April 2016


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