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PROFI/622: Kleiner Lichtblick in düsteren Zeiten (SB)



Adrien Broner setzt sich gegen Ashley Theophane durch

In einem Kampf des Halbweltergewichts, der vor über 8000 Zuschauern in Washington D.C. über die Bühne ging, hat Adrien Broner den überforderten Außenseiter Ashley Theophane in der neunten Runde besiegt. Der WBA-Titel war am Vortag für vakant erklärt worden, da Broner das geforderte Gewicht nicht einhalten konnte. Während der favorisierte ehemalige Champion seine Bilanz auf 32 gewonnene und zwei verlorene Auftritte ausbauen konnte, stehen für seinen britischen Gegner nun 39 Siege, sieben Niederlagen und ein Unentschieden zu Buche. Theophane hätte diese Chance niemals bekommen, wäre nicht Floyd Mayweather, in dessen Gym in Las Vegas der Brite trainiert, zu seinen Gunsten initiativ geworden. Der Gürtel wird wahrscheinlich im Kampf zwischen Ricky Burns und Michele di Rocco am 21. Mai neu vergeben.

Wenngleich der 26jährige Broner das Geschehen im Ring phasenweise dominierte, bot er doch auch diesmal keine rundum überzeugende Vorstellung gegen einen neun Jahre älteren Kontrahenten, der zum ersten und wohl zugleich letzten Mal in seiner Karriere um einen Titel kämpfen durfte. Theophane, der nur bei einem einzigen Verband unter den Top 15 geführt wurde, bescherte dem Lokalmatador doch erheblich größere Probleme, als diesem lieb sein konnte. Allerdings war der Brite in der vierten Runde nach einem Uppercut sichtlich angeschlagen und konnte sich gerade noch in die Pause retten. Broner wirkte in dieser Szene schlichtweg zu schwerfällig, um dem Gegner nachzusetzen und ihn zu stellen.

Die fragwürdige Entscheidung fiel in der neunten Runde, als Broner zunächst mit einem Uppercut und anschließend mit der Linken am Körper traf. Als Theophane dem Ringrichter Luis Pabon mitteilen wollte, daß es sich um einen Tiefschlag gehandelt hatte, mißverstand dieser das Signal als Zeichen der Aufgabe und brach daraufhin den Kampf nach 1:10 Minuten des Durchgangs ab. Wenngleich sich der Brite in dieser Situation nur mühsam auf weichen Beinen halten konnte, schien es sich doch um eine Fehlentscheidung zu handeln, die das aufgebrachte Publikum mit einem Pfeifkonzert quittierte.

Zum Zeitpunkt des Abbruchs dürfte Theophane auf den Zetteln der Punktrichter gleichauf, wenn nicht gar in Führung gelegen haben, was seine Niederlage unter solch fragwürdigen Umständen um so bedauerlicher macht. Zwar ließ seine Augenpartie deutliche Spuren der Schläge Broners erkennen, doch galt das auch umgekehrt. Wie der Sieger hinterher erklärte, habe er das Erforderliche getan, um den Briten wie angekündigt vorzeitig zu besiegen. Theophane habe sein Bestes gegeben, das schlichtweg nicht genug gewesen sei. Dann forderte Broner den im Publikum sitzenden Floyd Mayweather heraus, sei es zum Sparring oder zu einem richtigen Kampf.

Mayweather hörte sich diese Offerte lächelnd an, die in mehrfacher Hinsicht absurd anmutet. Der Superstar hat seine Karriere im letzten Herbst beendet und würde die Boxhandschuhe sicher nicht wieder aus dem Schrank holen, um einen Kontrahenten abzufertigen, der vermutlich den drei besten Halbweltergewichtlern unterliegen würde, ginge er ihnen nicht aus dem Weg. Da die Weltmeister Viktor Postol (WBC) und Terence Crawford (WBO) bei Promoter Bob Arum unter Vertrag stehen, hat Broner eine gute Ausrede, sich nicht mit ihnen zu messen. Er steht bei dem einflußreichen Berater Al Haymon unter Vertrag, der mit Arum verfeindet und von diesem verklagt worden ist. Haymon ist jedoch dafür bekannt, daß er seinen Boxern zu Kämpfen verhilft, die sie gewinnen können, und ihnen den Weg zum Titel ebnet.

Davon abgesehen würde sich ein Duell zwischen Mayweather und Broner in finanzieller Hinsicht kaum lohnen, da letzterer seit seiner Niederlage gegen Shawn Porter im Juni 2015 erst zwei Kämpfe gegen relativ unbekannte Gegner bestritten und gewonnen hat. Obgleich er gegen Porter den kürzeren gezogen hatte, bekam er sofort eine Titelchance und setzte sich dabei im Oktober gegen Chabib Allachwerdijew durch, der ein Jahr lang nicht mehr im Ring gestanden hatte. Daß Broner unmittelbar vor seiner ersten Titelverteidigung den Gürtel wegen Übergewicht abgeben mußte, dürfte seinem ohnehin schwer angeschlagenen Ruf um so abträglicher sein.

Wie Adrien Broner nach seinem umstrittenen Erfolg ankündigte, plane er einen Aufstieg ins Weltergewicht. Es handelt sich dabei um einen naheliegenden Schritt, da er für das Halbweltergewicht offensichtlich zu schwer geworden ist. Zudem ist in seinem derzeitigen Limit nichts mehr für ihn zu holen, während im künftigen Umfeld diverse namhafte Akteure versammelt sind. Vielleicht verschafft ihm Al Haymon ja eine Herausforderung Danny Gracias, der WBC-Champion ist und ebenfalls bei dem Berater unter Vertrag steht, so daß dieses Duell relativ leicht auf die Bahn zu bringen wäre. [1]

Für Adrien Broner endet damit eine schlimme Woche mit einem vorübergehenden Lichtblick, eher es am Montag knüppeldick für ihn kommt. Da im Bundesstaat Ohio wegen mutmaßlicher Straftaten zwei Haftbefehle gegen ihn anhängig sind, hatte ihm die zuständige Boxkommission von Washington D.C. nur aufgrund einer Absprache mit der Staatsanwaltschaft die Genehmigung für den Kampf erteilt, daß sich der Boxer am Montagmorgen der Polizei in Cincinnati stellen werde.

Als Broner dann wenige hundert Gramm zuviel auf die Waage brachte und Gelegenheit erhalten sollte, dieses geringfügige Übergewicht loszuwerden, um bei einem Nachwiegen im Limit zu liegen, machte er keinen Gebrauch von dieser Möglichkeit. Daraufhin blieb der WBA nichts anderes übrig, als ihm den Titel des Superchampions abzuerkennen, der an Theophane gegangen wäre, hätte der Brite denn gewonnen. Damit der Kampf überhaupt stattfinden konnte, mußte Broner aus seiner Börse 50.000 Dollar an Theophane zahlen, der sich zumindest über eine etwas höhere Gage freuen kann.

Dem Auftritt in Washington war ein Streit mit Floyd Mayweather vorausgegangen, mit dem Broner offenbar eine Art Haßliebe verbindet. Er nennt ihn oftmals seinen "großen Bruder", eifert ihm in vielerlei Hinsicht nach und hat sich zeitweise vollmundig zu dessen Nachfolger erklärt. Da Theophane jedoch Mayweathers Boxer ist, entspann sich seit Tagen ein Wortgefecht, das zumindest dem Augenschein nach an Erbitterung zunahm. Mayweather bezeichnete ihn als Schlange, die den Gönner hinterrücks beiße, worauf sich Broner nach seinem Auftritt bitter beklagte, ein von ihm bewundertes Vorbild rede schlecht über ihn. Er habe definitiv eine Fehde mit Floyd, da er von ganz unten komme und niemandem gestatte, ihn respektlos zu behandeln. Diese Kontroverse trägt die Handschrift einer Inszenierung zur Bewerbung des Kampfs, die insofern erfolgreich war, als die Kritik an der Wahl eines weithin unbekannten Herausforderers fast vollständig von dem öffentlich ausgetragenen Gezänk der beiden Diven übertönt wurde.

Adrien Broner, der seinem Spitznamen "The Problem" in jüngerer Zeit auf unrühmliche Weise alle Ehre macht, indem er weniger für seine Gegner im Ring, als für sich selbst zum Problemfall wird, steht eine wahrscheinlich folgenschwere Anklage ins Haus. Ihm wird zur Last gelegt, in den frühen Morgenstunden des 21. Januar vor einer Bowlinghalle einen Mann mit vorgehaltener Waffe überfallen, bewußtlos geschlagen und ihm 12.000 Dollar abgenommen haben, die er im Laufe der Nacht bei Bowlingwetten an ihn verloren hatte. Im Falle einer Verurteilung droht Broner eine mehrjährige Haftstrafe, die seine Karriere zu Grabe tragen könnte. [2]


Fußnoten:

[1] http://www.boxingnews24.com/2016/04/broner-defeats-theophane-calls-mayweather/#more-207460

[2] http://espn.go.com/boxing/story/_/id/15116184/adrien-broner-silences-ashley-theophane-tko-ninth-round

2. April 2016


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