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PROFI/617: Vierter und letzter Streich (SB)



Marco Huck nach Sieg über Ola Afolabi neuer IBO-Champion

Marco Huck hat sich im vierten Kampf gegen Ola Afolabi den Titel des kleinen Verbands IBO im Cruisergewicht gesichert. Vor 7000 Zuschauern in Halle/Westfalen behielt der 31jährige Berliner durch Abbruch nach der zehnten Runde gegen den vier Jahre älteren gebürtigen Nigerianer die Oberhand, der die britische Staatsbürgerschaft besitzt und in Los Angeles lebt. Huck, der lange WBO-Champion in dieser Gewichtsklasse gewesen war, wurde im August 2015 von dem Polen Krzysztof Glowacki entthront. Die vorzeitige Niederlage beim ersten Auftritt nach der Trennung von seinem langjährigen Promoter Sauerland Event und Trainer Ulli Wegner gab zur Befürchtung Anlaß, der ehemals weltweit führende Cruisergewichtler werde in der Versenkung verschwinden. Wenngleich Huck keinen Gürtel der ersten Kategorie wiedergewonnen hat, kann man doch von einer erfolgreichen Rückkehr in die höchsten Ränge sprechen.

Afolabi kam von Beginn an mit dem Ungestüm seines Gegners nicht zurecht und wurde bereits in der ersten Runde bei einem Zusammenstoß mit den Köpfen derart in Mitleidenschaft gezogen, daß sein rechtes Auge zuzuschwellen begann. Im sechsten Durchgang löste sich Huck aus einem Clinch und versetzte dem Titelverteidiger einen schmerzhaften Schlag auf das linke Auge, der die Sicht des Champions in der Folge zusätzlich einschränkte. Wenngleich Afolabi in dieser Situation wehrlos war, gelang es dem Herausforderer nicht, einen entscheidenden Treffer zu landen.

Zum Ende der neunten Runde hatte Huck den Kontrahenten an den Seilen gestellt und schlug im Eifer des Gefechts auch nach Ertönen des Pausengongs weiter auf ihn ein. Da er das in diesem Kampf nicht zum ersten Mal machte, zog ihm der Ringrichter einen Punkt ab. Die wilden Schläge des Herausforderers landeten in dieser Phase des öfteren auf dem Hinterkopf Afolabis, so daß der Berliner von Glück reden konnte, keinen Kampf um den WBC-Titel auszutragen. Dieser Verband hat inzwischen die Regeln verschärft, um solche schon zuvor verbotenen Schläge weitgehend auszuschließen. [1]

Der Kampf wurde schließlich nach der zehnten Runde von dem erfahrenen Ringrichter Jack Reiss auf Anraten von Ringarzt Stefan Holthusen abgebrochen, da die räumliche Sehfähigkeit des Titelverteidigers derart eingeschränkt war, daß ein schwerer Niederschlag drohte. Dreimal hatten die Kontrahenten einander zuvor im Ring gegenübergestanden, immer war es über die Runden gegangen. Zweimal gewann Huck, einmal endete ihr Duell unentschieden. So deutlich wie diesmal hatte sich der Berliner noch nie gegen den Briten durchgesetzt, da er zum Zeitpunkt des Abbruchs auf den Zetteln der Punktrichter mit 97:92, 96:93 und 96:93 in Führung lag. Während der neue Weltmeister seine Bilanz auf 39 Siege, drei Niederlagen sowie ein Unentschieden ausbaute, stehen für Afolabi nun 22 gewonnene, fünf verlorene und vier unentschieden beendete Kämpfe zu Buche.

Wie groß das Interesse des deutschen Publikums an den stets fulminanten Auftritten Hucks nach wie vor ist, belegt eine ausgezeichnete Quote von 4,38 Millionen bei RTL. Er präsentierte sich in einer guten Verfassung, boxte beweglich auf den Füßen, arbeitete phasenweise fleißig mit dem Jab und schlug recht präzise zu. Daß seine Stärke die überfallartigen Angriffe sind, bei denen er wild auf den Gegner einschlägt, zeigte sich natürlich auch bei diesem Auftritt. Er handelte sich dabei diverse Konter ein, die im Falle eines gefährlicheren Gegners wie beispielsweise Olesander Usyk oder Krzysztof Glowacki erheblich riskanter wären.

Ola Afolabi hielt mutig mit und bedauerte das vorzeitige Ende, war aber der Physis und Wucht des Herausforderers nicht gewachsen. Wie er einräumte, feiere er in zwei Monaten seinen 36. Geburtstag und sei womöglich langsam zu alt für das Gewerbe. Davon abgesehen komme er mit der Kampfesweise dieses Gegners einfach nicht zurecht. Ein fünftes Aufeinandertreffen wird es jedenfalls nicht mehr geben, da Huck das Kapitel Afolabi eigenen Angaben zufolge abgeschlossen hat. Er habe den Kampf dominiert und gezeigt, daß er in die Weltspitze gehöre. Teilweise habe er sogar Angst vor sich selbst gehabt, weil es so gut gelaufen sei, so der Weltmeister, der sein Licht bekanntlich noch nie unter den Scheffel gestellt hat. [2]

Huck sieht diverse interessante Kämpfe, die ihn zum Weltmeisters eines der vier großen Verbände machen könnten. Zum einen böte sich eine Revanche gegen Krzysztof Glowacki an, zumal er die Niederlage gegen den Polen auf eine mangelhafte Vorbereitung zurückführt. Trainiere er gut, könne er jeden schlagen, und Glowacki sei sein nächstes Ziel. Man habe dem Polen viel Geld für einen sofortigen Rückkampf geboten, sei aber bislang abschlägig beschieden worden. Als mögliche Alternativen kämen die Weltmeister Denis Lebedew (WBA), Victor Ramirez (IBF) oder Grigori Drodsd in Frage, sofern einer von ihnen gewillt ist, sich mit dem wiedererstarkten Marco Huck zu messen. [3]


Fußnoten:

[1] http://www.boxingnews24.com/2016/02/huck-defeats-afolabi-2/#more-205886

[2] http://www.sueddeutsche.de/sport/boxen-immer-aufs-auge-1.2883890

[3] http://www.abendblatt.de/sport/article207100867/Marco-Huck-boxt-mit-Bedacht-und-wird-wieder-Weltmeister.html

29. Februar 2016


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