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PROFI/595: Blütenpracht im Sumpf des Elends (SB)



Floyd Mayweathers kühl kalkulierte Abschiedsvorstellung

Floyd Mayweather jun. hat mit einem einstimmigen Punktsieg gegen den Landsmann Andre Berto seine ebenso glanzvolle wie schillernde Karriere unbesiegt und als Weltmeister beendet. Der 38 Jahre alte US-Amerikaner gewann vor 13.395 Zuschauern in Las Vegas auch seinen letzten Auftritt und stellte damit den Rekord Rocky Marcianos ein, der zwischen 1947 und 1955 aus 49 Profikämpfen als Sieger hervorgegangen war. Zudem verteidigte Mayweather erfolgreich seine Titel der Verbände WBA und WBC im Weltergewicht.

Seit Monaten hatte die Debatte hohe Wogen geschlagen, ob Mayweather die Boxhandschuhe tatsächlich an den Nagel hängen oder doch Anfang Mai 2016 in den Ring zurückkehren und möglicherweise eine Revanche mit Manny Pacquiao bestreiten werde. Wie er unmittelbar nach dem Urteil der Kampfrichter versicherte, sei damit seine Laufbahn offiziell beendet. Man müsse wissen, wann es Zeit ist aufzuhören. Er sei fast 40 Jahre alt, habe alle Rekorde gebrochen, müsse niemandem mehr etwas beweisen und habe einige erfolgreiche Investitionen getätigt. In diesem Sport gebe es für ihn nichts mehr zu erreichen, und so wolle er künftig mehr Zeit mit seiner Familie verbringen.

Andre Berto, für den nun 30 Siege und vier Niederlagen zu Buche stehen, wirkte in diesem einseitigen Kampf im MGM Grand, der vom Sender Showtime übertragen wurde, eher wie ein überforderter Sparringspartner als ein gefährlicher Herausforderer und mußte sich klar geschlagen geben (117:111, 118:110, 120:108). Seine Ankündigung, er werde wie ein Löwe kämpfen und für eine Sensation sorgen, erfüllte sich nicht. Wie Berto nach seiner Niederlage einräumte, habe die Erfahrung des Champions eine maßgebliche Rolle gespielt. Mayweather sei außerordentlich wendig und schwer zu stellen. Dennoch sei er der Auffassung, daß man in diesem Kampf bis an die Grenze gegangen sei und eine gute Vorstellung gegeben habe.

Diese Auffassung dürften jedoch nicht allzu viele Zuschauer geteilt haben, die Zeuge eines recht langweiligen Handgemenges geworden waren, in dem beide Boxer häufig klammerten. Mayweather brachte zahlreiche Einzeltreffer ins Ziel, wie man das von ihm kennt, und ließ Berto nicht zum Zuge kommen. Von dem vorhergesagten aufregenden Spektakel, das mit einem Niederschlag enden werde, war indessen nichts zu sehen. Ähnlich wie schon gegen Manny Pacquiao im Mai war der Weltmeister schlichtweg zu überlegen, als daß Spannung aufgekommen wäre. In den letzten Sekunden der zwölften Runde hörte Mayweather auf zu boxen und lief im Ring umher, wie um zu demonstrieren, daß ihn Berto nicht treffen könne. Offenbar hatte er die Reaktion des Publikums falsch eingeschätzt, das ihn lautstark auszupfeifen begann. Nachdem er zum Sieger erklärt worden war, sank er auf die Knie und richtete den Blick gen Himmel, wobei unklar blieb, was genau er damit zum Ausdruck bringen wollte, war er doch in einem eher ereignisarmen Kampf zu keinem Zeitpunkt in Gefahr geraten. [1]

Mayweather, der 17 Jahre seiner insgesamt 19jährigen Profikarriere durchgängig Weltmeister gewesen war und dabei mehrere Gewichtsklassen durchlaufen hatte, machte bei seiner mutmaßlichen Abschiedsvorstellung all das, was er wie kein anderer beherrscht, aber eben auch nicht mehr, wie es sich zweifellos zahllose Fans erhofft hatten. Berto war offensichtlich nicht in der Lage, ihn in ernsthafte Schwierigkeiten zu bringen, und Mayweather sah umgekehrt offenbar keinen Grund, ein Risiko einzugehen und auf eine vorzeitige Entscheidung zu drängen. Er behielt alles unter Kontrolle, was leider genau das war, was Kritiker angesichts seiner Gegnerwahl befürchtet hatten. Andre Berto war zwar in der Vergangenheit zweimal Weltmeister im Weltergewicht gewesen, hatte aber von seinen letzten sechs Auftritten nur drei gewonnen.

Bei aller Kritik an dem allzu nüchtern kalkulierten letzten Auftritt muß man doch gleichermaßen einräumen, daß Mayweather auf eine Weise gekämpft hat, für die man die Mehrzahl seiner Rivalen in den höchsten Tönen loben würde. Er diktierte das Tempo und Geschehen, wich auf engstem Raum behende aus, landete fast nach Belieben seine Konter und behielt im Schlagabtausch stets das letzte Wort. Dabei ist er kein ständig flüchtender Sicherheitsboxer, sondern kontrolliert die Distanzen wesentlich besser als die Konkurrenz, die er ein ums andere Mal ins Leere laufen läßt. Wie überlegen er sein Duell mit Berto gestaltet hat, zeigt auch die Statistik von CompuBox, der zufolge seine Trefferquote 57 Prozent betrug, während der Herausforderer nur auf magere 17 Prozent kam. [2]

Floyd Mayweather gilt nicht nur seit Jahren als der führende Boxer aller Gewichtsklassen, sondern ist auch der mit Abstand bestverdienende Sportler weltweit. Mit jeweils nur zwei Auftritten pro Jahr schlägt er seit geraumer Zeit die gesamte Konkurrenz aus dem Feld, wobei er beim spektakulären Duell mit Pacquiao im Mai mit geschätzten 250 Millionen Dollar den Vogel abschoß. Der Kampf gegen Berto war der letzte von sechs Auftritten, die Mayweather im Rahmen eines Vertrags mit dem Sender Showtime, der ihm insgesamt mehr als 420 Millionen Dollar einbrachte, zu absolvieren hatte. Seine tatsächlichen Einkünfte dürften jedoch noch erheblich höher sein, da er seinen Namen als Marke erfolgreich verwertet und dies künftig noch in größerem Umfang und mit weiteren Geschäftsmodellen zu tun beabsichtigt.

Was seine sportlichen Erfolge betrifft, die aufzuzählen fast schon ermüdend wirkt, blieb noch anzumerken, daß er vom Superfedergewicht (knapp 59 kg) aufsteigend Champion in fünf verschiedenen Gewichtsklassen bis hinauf zum Halbmittelgewicht (knapp 70 kg) wurde, 26 Titelkämpfe bestritten und dabei insgesamt 24 aktuelle oder frühere Weltmeister besiegt hat. Legionen von Kritikern haben ihm vorgeworfen, er suche seine Gegner zu sorgfältig aus und kämpfe erst dann mit den namhaftesten Kontrahenten, wenn sie den Zenit ihres Könnens überschritten haben. Andererseits hat er wie kein anderer Boxer vor ihm seine sportlichen und finanziellen Geschicke in die eigenen Hände genommen und in dieser Hinsicht ein beispielloses Maß an Dominanz in der Branche entfaltet. Mayweather hielt wie ein König Hof, während die Szene in höchster Spannung mitfieberte, auf wen die Gunst fallen würde, mit ihm den Ring zu teilen.

Die ziemlich absurde Frage, ob er tatsächlich der beste Boxer aller Zeiten sei, als den er sich selbst bezeichnet, läßt sich natürlich nicht abschließend beantworten. Damit hat Mayweather, sollte er denn tatsächlich seine Karriere beenden, zumindest ein Abschiedsgeschenk hinterlassen, über das man noch ellenlang streiten kann. Was ihm natürlich zum Volkshelden fehlt, der er als protzender Großverdiener wohl ohnehin kaum werden konnte, waren die Tragödien, ohne die seine Triumphe zu leblosen Superlativen in der Buchhaltung der Boxgeschichte gerinnen. Mayweather hat nie verloren, weder sportlich noch außerhalb des Rings. Obgleich er einer Familie erfolgreicher Boxer entstammt, war ihm dieser bruchlose Aufstieg insofern nicht in die Wiege gelegt, als er wie seine oftmals zerstrittene und rabiate männliche Verwandtschaft nicht selten in Schwierigkeiten geriet und im Sommer 2012 wegen häuslicher Gewalt mehrere Wochen hinter Gittern verbringen mußte.

Als soziales Rollenmodell, von dem man im Boxsport so gerne und zumeist in Klischeeform spricht, taugt Floyd Mayweather nicht. In einer dramatisch verarmenden Gesellschaft demonstrierte er beinahe schon meisterhaft, wie sich ein immenser Reichtum weniger auch und gerade in Krisenzeiten auf Kosten vieler erwirtschaften läßt. Die Eintrittskarten bei seinen Kämpfen in Las Vegas und die Gebühren der Übertragung im Bezahlfernsehen waren derart teuer, daß sie für die breite Bevölkerung schlichtweg unerschwinglich blieben. Mayweather verkörpert ein geradezu verheerendes Erfolgsmodell, das bar jeden sozialen oder gar politischen Rebellentums stets die erfolgreiche Selbstvermarktung und Profitmaximierung vorangetrieben hat. Er war der beste Boxer seiner Zeit und zugleich personifizierter Ausdruck deren abstoßender Perfektionierung von schillernder Blütenpracht im Sumpf um sich greifenden Elends.


Fußnoten:

[1] http://www.boxingnews24.com/2015/09/mayweather-vs-berto-early-results/#more-199028

[2] http://espn.go.com/boxing/story/_/id/13644159/floyd-mayweather-earns-unanimous-decision-win-andre-berto-likely-final-fight

13. September 2015


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