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PROFI/570: Deontay Wilder holt einen Schwergewichtstitel in die USA zurück (SB)




Bermane Stiverne muß sich klar nach Punkten geschlagen geben

Deontay Wilder ist neuer WBC-Weltmeister im Schwergewicht. Vor 8.454 Zuschauern in der MGM Grand Garden Arena in Las Vegas setzte sich der 29jährige Herausforderer aus Tuscaloosa, Alabama, gegen den sieben Jahre älteren Titelverteidiger Bermane Stiverne über zwölf Runden klar nach Punkten durch (118:109, 119:108, 120:107). Wilder, der zuvor sämtliche Gegner binnen vier Runden geschlagen hatte, verbesserte damit seine eindrucksvolle Bilanz auf 33 gewonnene Kämpfe. Für Stiverne, der in Haiti geboren wurde, kanadischer Staatsbürger ist und in Las Vegas lebt, stehen nun 24 Siege, zwei Niederlagen sowie ein Unentschieden zu Buche.

Bermane Stiverne hatte sich am 10. Mai 2014 zum ersten aus Haiti stammenden Weltmeister im Schwergewicht gekrönt. Der Kanadier sicherte sich durch technischen K.o. in der sechsten Runde gegen den US-Amerikaner Chris Arreola den vakanten WBC-Titel und trat damit die Nachfolge Vitali Klitschkos an. Bei ihrer ersten Begegnung im April 2013 hatte Stiverne seinen Gegner in der dritten Runde mit einer wuchtigen Rechten zu Boden geschlagen, ihm dabei die Nase gebrochen und am Ende klar nach Punkten gewonnen. Mit einem nahezu identischen Schlag gewann er auch bei der Revanche im Galen Center auf dem Campus der Universität von Südkalifornien die Oberhand.

Dank des souverän herausgeboxten Sieges in Las Vegas holte Wilder, der mit einer Bronzemedaille bei den Olympischen Spielen 2008 in Beijing das bislang letzte Edelmetall für eine US-amerikanische Boxstaffel gewonnen hatte, genau am 73. Geburtstag Muhammad Alis und erstmals seit November 2006 wieder einen Schwergewichtstitel in die USA. Damals hatte sich Shannon Briggs durch einen K.o.-Sieg in der letzten Sekunde seines Kampfs gegen den Weißrussen Sergej Liachowitsch den WBO-Gürtel gesichert, doch entthronte ihn Sultan Ibragimow im Juni 2007 bereits bei der ersten Titelverteidigung.

Lief die Mehrzahl der Prognosen auf die Erwartung hinaus, Wilder werde das Duell mit Stiverne wohl innerhalb weniger Runden beenden, während der Kanadier allenfalls bei zunehmender Kampfdauer eine Chance habe, so widerlegte der US-Amerikaner diese Einschätzung gründlich. Zur allgemeinen Überraschung arbeitete er mit einem hervorragenden Jab, den er mit seiner bekanntermaßen gefährlichen Rechten kombinierte. So nutzte der 2,01 m große, aber nur 99 kg wiegende Herausforderer seine Reichweitenvorteile konsequent aus und ließ den mit 1,88 m erheblich kleineren, wenngleich neun Kilo schwereren Titelverteidiger selten an sich herankommen. Stiverne versuchte zwar immer wieder, seinen linken Haken ins Ziel zu bringen, fand aber nur sporadisch eine günstige Position für seine stärkste Waffe.

Wenngleich Wilder diesmal ein regulärer Niederschlag verwehrt blieb, stellte er doch seine enorme Schlagwirkung unter Beweis. Vor allem in der zweiten, fünften und siebten Runde taumelte der Kanadier unter schwersten Treffern, die kaum ein anderer Boxer überstanden hätte. Umgekehrt mußte auch der US-Amerikaner einige wuchtige Schläge verkraften, was ihm jedoch ohne sichtliche Probleme gelang. Überdies stellte er auch in der Nahdistanz mit gefährlichen Uppercuts Qualitäten unter Beweis, die man nicht bei ihm vermutet hätte.

In der letzten Runde wollte der schwer gezeichnete Stiverne noch einmal alles auf eine Karte setzen, doch war er schon zu müde, um Wilder gefährlich zu werden. Der Kanadier hatte bestenfalls zwei oder drei Runden für sich entschieden, doch das auch nur, weil Wilder zwischendurch das Tempo etwas drosselte, um sich nicht zu verausgaben. Sobald der Herausforderer wieder Druck machte, mußte Stiverne Serien harter Jabs und gewaltige Rechte einstecken. Deontay Wilder hat sich ganz offensichtlich weiterentwickelt, kann durchaus über volle zwölf Runden kämpfen, dabei schwere Treffer verkraften und eine ausgezeichnete taktische Marschroute durchsetzen. Damit dürfte der lange erhobene Vorwurf, er habe seine raschen Siege nur gegen Fallobst erzielt, wohl vom Tisch sein.

Dabei hatte Stiverne immer wieder versucht, sich an den Gegner heranzuarbeiten, um ihn in Reichweite seiner Schläge zu bringen. Er schlug jedoch viele Löcher in die Luft und kam mit dem linken Haken nur selten zum Zuge, da Wilders schnelle Rechte ihn vorher traf und zurückweichen ließ. Der US-Amerikaner drängte nicht übereilt auf einen Niederschlag, sondern hielt den Titelverteidiger meistenteils in der passenden Distanz, so daß Stiverne zunehmend frustriert wirkte. [1]

Laut der Statistik von CompuBox hatte Wilder von 621 Schlägen 227 ins Ziel gebracht, was einer Trefferquote von 37 Prozent entspricht. Hingegen stehen für Stiverne nur 327 Schläge und 110 Treffer (34 Prozent) zu Buche. Wenngleich man diese Zahlen nicht auf die Goldwaage legen sollte, zumal sie nichts über die Trefferwirkung aussagen, zeichnen sich doch die erheblich größere Aktivität des Herausforderers und dessen Dominanz ab.

Kam war der Schlußgong ertönt, als Wilder an die Ringseile trat und den versammelten Pressevertretern in der ersten Reihe zurief: "Wer kann nicht boxen? Wer kann nicht boxen?" Wie er später erklärte, sei er furchtbar aufgeregt und freue sich überaus, diesen Gürtel in die USA zurückgeholt zu haben, was sehr viel bedeute. Er habe in diesem Kampf viele Fragen beantwortet und aller Welt gezeigt, wozu er fähig sei. In harter Arbeit habe er sich auf zwölf Runden vorbereitet, da die Nehmerqualitäten Stivernes bekannt gewesen seien.

Jay Deas, der gemeinsam mit Mark Breland den neuen Champion trainiert, hob in seiner Stellungnahme hervor, daß Wilder jegliche Zweifel widerlegt habe. Er verfüge über eine gewaltige Schlagwirkung, könne über die volle Distanz gehen und habe solide Nehmerqualitäten. Deshalb sei er der neue WBC-Weltmeister geworden.

Stivernes Promoter Don King attestierte Wilder eine großartige Leistung, an der es nichts zu rütteln gebe. Er sei überrascht, wie leicht es dem Herausforderer gefallen sei und welchen Spaß er dabei offenbar gehabt habe. Stiverne habe einfach zu wenig gemacht, denn man könne nicht gewinnen, wenn man zu wenig schlage, da es schließlich ein Kampf und kein Walzer sei. Er ziehe seinen Hut vor Deontay Wilder, dem alle Ehre gebühre.

Auf der Suche nach einer Erklärung für seine klare Niederlage mutmaßte Bermane Stiverne, er habe zu viel Zeit im Gym verbracht. Man habe im August mit dem Training begonnen, und im November sei er bereit gewesen. Da sich der Kampftermin jedoch verzögert habe, sei man gezwungen gewesen, in der Folge etwas kürzer zu treten. Darauf führe er den Umstand zurück, daß er mental bereit, aber körperlich nicht hundertprozentig in Form gewesen sei. Er habe sich schwach und nicht in der Lage gefühlt, sein Vorhaben umzusetzen. So sei es ihm nicht gelungen, Wilder den Weg abzuschneiden oder mehr als ein oder zwei Schläge zur Zeit auszuführen. Ohne die Leistung des Gegners in Abrede zu stellen, der großartig gekämpft habe, gelte es nun zu analysieren, welche Fehler man in der Vorbereitung gemacht habe. [2]

Noch ist ungewiß, welchem Herausforderer sich der neue WBC-Weltmeister stellen wird. Eigentlich wäre sein Landsmann Bryant Jennings an der Reihe, der jedoch möglicherweise am 25. April gegen Wladimir Klitschko antritt. Allerdings sind die Verhandlungen offenbar zum Erliegen gekommen, so daß derzeit niemand mit einem gültigen Fahrplan aufwarten kann. Sicher ist nur, daß Deontay Wilder trotz seines überzeugenden Titelgewinns noch längst nicht mit dem Ukrainer gleichgezogen hat, der im Laufe seiner fast neun Jahre währenden Regentschaft bereits 17 Kandidaten das Nachsehen gegeben hat und alle übrigen Gürtel besitzt.

Daher wird es fast unvermeidlich zum Duell zwischen Klitschko und Wilder kommen, da der Ukrainer seine Titelsammlung unbedingt vollenden möchte. Möglicherweise strebt Wladimir Klitschko sogar einen möglichst schnellen Vereinigungskampf an, zumal sich Wilder noch weiter verbessern könnte und dieses Duell andererseits gerade jetzt sehr hohe Umsätze in Aussicht stellte. Da Bryant Jennings und Deontay Wilder beide bei dem Manager und Berater Al Haymon unter Vertrag stehen, darf man vermuten, daß diesem eine Gesamtstrategie vorschwebt. Ob Haymon die Gespräche mit Klitschkos Management blockiert oder dieses die Latte zu hoch gehängt hat, ist aber nicht bekannt.

Die Erfahrung lehrt immerhin soviel, daß der Berater seine Trümpfe eher zurückhaltend ausspielt und ihnen lieber schwache Gegner vorsetzt, als sie in hochklassige Duelle mit ungewissem Ausgang zu stürzen. Das läßt vermuten, daß Haymon seinen besten Schwergewichtler noch eine Weile mit leichteren Auftritten pflegt und reifen läßt, ehe es gegen den Ukrainer geht. Deontay Wilder verspricht jedenfalls, er werde das Schwergewicht wieder spannend und aufregend machen. Er wolle nicht untätig herumsitzen, sondern am liebsten vier Kämpfe im Jahr bestreiten. Er sei für jeden bereit, der das auch von sich sagen könne.


Fußnoten:

[1] http://www.boxingnews24.com/2015/01/deontay-wilder-dominates-bermane-stiverne-wins-wbc-heavyweight-title/#more-186898

[2] http://espn.go.com/boxing/story/_/id/12187869/deontay-wilder-decisions-bermane-stiverne-become-first-american-heavyweight-champion-2006

18. Januar 2015


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