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PROFI/563: Bernard Hopkins chancenlos - Sergei Kowaljows Meisterstück (SB)




Klarer Punktsieg im Kampf zweier Weltmeister des Halbschwergewichts

Sergei Kowaljow (WBO) hat den Kampf zweier Weltmeister im Halbschwergewicht zur Vereinigung der Titel gegen Bernard Hopkins (WBA/IBF) klar nach Punkten gewonnen (120:107, 120:107, 120:106). Damit konnte der 31jährige Russe seine Bilanz auf 26 Siege und ein Unentschieden verbessern, wobei 23 seiner Gegner vorzeitig die Segel streichen mußten. Hopkins, der in wenigen Wochen seinen 50. Geburtstag feiert, wurde als ältester Champion in der Geschichte des Boxsports entthront. Für ihn stehen nun 55 gewonnene, sieben verlorene sowie zwei unentschieden gewertete Kämpfe zu Buche.

Kowaljow schickte seinen Gegner bereits in der ersten Runde mit einer Rechten zu Boden, was vor ihm nur zwei Boxern gegen Hopkins gelungen war. Dies führte dazu, daß sich der US-Amerikaner in der Folge auffallend zurückhielt und in den beiden folgenden Runden kaum angriff, wodurch er unablässig in die Defensive gedrängt wurde. Noch war ungewiß, ob er lediglich darauf spekulierte, den Kontrahenten zu ermüden, oder schlichtweg nicht mit Kowaljow zurechtkam, der ihm den Weg abschnitt, in hohem Tempo weiterboxte und zahlreiche Treffer landete.

Der Russe war nicht zu bremsen und dominierte den Kampf, während Hopkins wie ein Zuschauer wirkte, der diesen Ansturm über sich ergehen lassen mußte. Lediglich in der siebten Runde machte der 49jährige eine bessere Figur und schien Hoffnung zu schöpfen, die sein Gegner jedoch schon im folgenden Durchgang wieder zunichte machte. Trainer Naseem Richardson spornte seinen Boxer zu vermehrter Aktivität an, die jedoch weitgehend ausblieb. Um den Kampf zu gewinnen, hätte Hopkins fortan jede Runde klar für sich entscheiden oder Kowaljow auf die Bretter schicken müssen. Da ihm letzteres jedoch seit Jahren nicht mehr und im Halbschwergewicht noch nie gelungen war, schwammen ihm die Felle davon.

Der US-Amerikaner zögerte noch immer und überließ Kowaljow auch die nächsten Runden, der unermüdlich vorwärts marschierte und seine Schläge abfeuerte, als könne nichts und niemand ihn aufhalten. Hopkins bot phasenweise eine ausgezeichnete Defensive auf und steckte alle Treffer weg, kam aber nicht an den Russen heran. In der zwölften und letzten Runde mußte dieser zum ersten Mal schwere Treffer einstecken, wofür er sich jedoch umgehend mit um so heftigeren Attacken revanchierte. 30 Sekunden vor Ende des Kampfs schlug Kowaljow unablässig auf Hopkins ein, der sich kaum noch wehren konnte, aber die erste vorzeitige Niederlage seiner Karriere dennoch stoisch abwendete.

Sergei Kowaljow, der zuvor nur einmal über die volle Distanz gekämpft hatte, stellte sein Durchhaltevermögen eindrucksvoll unter Beweis. Er ließ keinerlei Konditionsprobleme erkennen und schlug mit enormer Frequenz, so daß Hopkins nie Gelegenheit fand, ihn im Infight zu klammern und zu neutralisieren. Berücksichtigt man, daß es der Russe mit einem der erfahrensten und versiertesten Gegner der gesamten Branche zu tun hatte, ist sein souveräner Erfolg um so höher einzuschätzen. Er wuchs über sich hinaus und strafte alle Kritiker Lügen, die ihm eine eindimensionale und von Hopkins relativ leicht zu durchkreuzende Kampfesweise unterstellt hatten.

Bernard Hopkins, den man mit Fug und Recht als lebende Legende des Boxsports würdigt, verdient ungeachtet seiner klaren Niederlage jeden Respekt für seine Lebensleistung wie auch den Mut, sich dem Boxer mit der gefährlichsten Schlagwirkung in dieser Gewichtsklasse zu stellen. Auf die Frage, warum er in der zwölften Runde trotz der schrecklichen Prügel nicht aufgegeben habe, gab er ohne jedes Zögern zur Antwort: "Weil ich verrückt bin!" [1]

Sergei Kowaljow ist endgültig im Rampenlicht des Bezahlfernsehens angekommen. Er hat einen der berühmtesten Akteure der Branche, der zuletzt Weltmeister zweier Verbände war, so schlecht wie kein anderer Gegner aussehen lassen. Weder der Psychokrieg im Vorfeld des Kampfs, den Hopkins meisterhaft beherrscht, noch das durchweg hohe Tempo über volle zwölf Runden hinderten den Russen daran, sich unbeirrt durchzusetzen. Hatte Hopkins zuvor erklärt, er kämpfe im Geist der alten Schule gegen die Besten, so kann das auch Kowaljow für sich in Anspruch nehmen.

Hinsichtlich der nächsten Gegner verwies der in Fort Lauderdale lebende Russe auf seine Promoterin Kathy Duva, die entsprechende Verhandlungen führen werde. Der kalte Krieg des Boxsports sei beendet, fügte Hopkins hinzu, um der Hoffnung Ausdruck zu verleihen, daß die Spaltung der Sender und Promoter in zwei verfeindete Lager bald überwunden sein werde. Der attraktivste Kampf im Halbschwergewicht wäre zweifellos ein Duell zwischen Sergei Kowaljow und Adonis Stevenson, der den WBC-Titel hält und bislang als führender Vertreter dieser Gewichtsklasse angesehen wurde.

Der Kanadier hinterließ einen überzeugenden Eindruck, als er dem favorisierten Chad Dawson durch K.o. in der ersten Runde den Gürtel abnahm und im nächsten Schritt den ehemaligen Weltmeister Tavoris Cloud ebenfalls vorzeitig ausschaltete. Mit dem Briten Tony Bellew folgte ein relativ leichter Gegner, und gegen den Polen Andrzej Fonfara mußte sich Stevenson über die Runden quälen. Der nächste Herausforderer ist Dimitri Suchotski, den schon Jürgen Brähmer vor einigen Jahren besiegt hat. Der Glanz des Kanadiers beginnt allmählich zu verblassen, und so ist Kowaljow nach seinem Erfolg gegen Hopkins inzwischen höher einzuschätzen als Stevenson, der ihm bislang aus dem Weg gegangen ist.

Interessant wäre für den Russen auch der Kanadier Jean Pascal oder Andre Ward im Supermittelgewicht, der mit Chad Dawson schon einmal einem Star der höheren Gewichtsklasse das Nachsehen gegeben hat. Ward gilt als einer der besten Boxer überhaupt, findet aber nach einer längeren Verletzungspause und aufgrund einer Kontroverse mit seinem Promoter seit geraumer Zeit keinen Gegner mehr. Sergei Kowaljow, der die Ära von Bernard Hopkins beendet und die Fackel übernommen hat, ist es zuzutrauen, kein Risiko zu scheuen und sich mit den gefährlichsten Kontrahenten zu messen.


Fußnote:

[1] http://www.boxingnews24.com/2014/11/kovalev-drops-and-dominates-hopkins-over-12-and-is-new-wbawbo-and-ibf-light-heavyweight-champion/#more-184121

10. November 2014