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PROFI/562: Remis zwischen Felix Sturm und Robert Stieglitz (SB)




Gerechtes Ergebnis nach einem mitreißendem Kampf

Vor 6500 begeisterten Zuschauern in Stuttgart trennten sich die ehemaligen Weltmeister Robert Stieglitz und Felix Sturm nach einem mitreißenden Kampf über zwölf Runden mit einem verdienten Unentschieden (115:113, 113:115, 114:114). Während der 33jährige Magdeburger Stieglitz durch konditionelle Stärke und eine hohe Schlagfrequenz glänzte, konterte der zwei Jahre ältere Sturm präzise und verbuchte die härteren Treffer. Die beiden einigten sich noch im Ring auf einen Rückkampf, wobei Sturm zunächst eine Babypause bis Sommer 2015 einlegt. Stieglitz bleibt durch das Unentschieden Pflichtherausforderer von WBO-Weltmeister Arthur Abraham.

Der viermalige Mittelgewichtsweltmeister Sturm und der zweimalige Supermittelgewichtschampion Stieglitz hatten sich auf ein Kampfgewicht von 75,5 Kilogramm geeinigt, um zu ermitteln, wer in Zukunft als Zugpferd des Senders Sat.1 firmiert. Sturms Manager Manfred Meier und Stieglitz' Promoter Ulf Steinforth hatten im Vorfeld unisono erklärt, einen solchen Kampf habe es in Deutschland seit Jahren nicht mehr gegeben. Unstrittig ist jedenfalls, daß die Kontrahenten gehalten haben, was sich die Fans von ihrem Duell versprochen hatten.

Felix Sturm gelang es in der ersten Hälfte des Kampfs, sich dank guter Beinarbeit, schneller Meidbewegungen und gefährlicher Konter den ungestümen Attacken des Magdeburgers zu entziehen. Der Kölner hatte seine besten Szenen, wenn er seinen Gegner mit Aufwärtshaken und seitlichen Haken zum Kopf in Bedrängnis brachte. Nachdem Sturm auf diese Weise einen Vorsprung auf den Zetteln der drei deutschen Punktrichter herausgearbeitet hatte, kam Stieglitz in den späten Runden dank seiner druckvollen Angriffsweise immer stärker auf. Da beide offensiv zu Werke gingen und keine Pausen einlegten, erlebten die Zuschauer zwölf fesselnde und teilweise hochklassige Runden, in denen bis zum Ende nie Langeweile aufkam. [1] Während Sturms Bilanz nun 39 Siege, vier Niederlagen und drei Unentschieden aufweist, stehen für Stieglitz 47 gewonnene und vier verlorene Auftritte sowie ein unentschieden gewerteter Kampf zu Buche.

Als die Kontrahenten nach ihrem kräftezehrenden Duell in der Nacht zum Sonntag vor den Medienvertretern saßen, gab sich keiner von beiden Mühe, den Sieg energisch für sich zu reklamieren. Augenscheinlich zufrieden, eine überzeugende Vorstellung geboten und ein gerechtes Ergebnis gefunden zu haben, pflegten sie ihre Blessuren: Stieglitz war von einer Sammlung kleinerer und größerer Veilchen rund um das linke Auge gezeichnet, Sturm tupfte sich mit einem Taschentuch Blut ab, das aus einer Rißwunde über dem rechten Auge sickerte.

Er glaube zwar, knapp gewonnen zu haben, könne aber das Ergebnis akzeptieren, sagte Sturm. Er halte das Urteil für fair, schloß sich ihm Stieglitz an. Er habe Felix als Sieger gesehen, doch habe nicht alles geklappt, was man umsetzen wollte, zog Magomed Schaburow Bilanz, der den Kölner erstmals seit dessen Trennung von Fritz Sdunek als Cheftrainer betreut hatte. Wenn er sich die Aufzeichnung des Kampfs angesehen habe, werde er sicherlich der Meinung sein, daß alle mit diesem Ergebnis leben können, meinte Stieglitz' Trainer Dirk Dzemski.

Da keiner der beiden Exweltmeister an diesem Abend verlieren durfte, wollte er nicht weit abgeschlagen zurückbleiben, glich das Unentschieden einem Sieg, weil es alle Optionen offenläßt. Sturm machte aus der Not eine Tugend und erklärte, man habe an diesem Abend gesehen, daß kein Titel erforderlich ist, um einen großen Kampf zu machen. Man habe ein Duell zweier Champions auf Augenhöhe präsentiert, wie es die deutschen Fans liebten. Einziger Wermutstropfen war die mäßige Quote beim übertragenden Sender Sat.1, da der "Kampf des Jahres" lediglich 2,98 Millionen Zuschauer angelockt hatte. [2]

Als interessierter Experte hatte der in Stuttgart lebende Gennadi Golowkin das Geschehen am Ring verfolgt. Wie der Superchampion der WBA im Mittelgewicht erklärte, müsse es eine Revanche geben. Es sei ein toller Kampf gewesen, den er gern noch einmal sehen möchte. Dem Lob des Kasachen, der nicht nur als bester Boxer dieser Gewichtsklasse gilt, sondern auch zu den herausragenden Akteuren des gesamten Boxgeschäfts gehört, schloß sich Arthur Abraham mit den Worten an, er habe zwar Felix in Führung gesehen, freue sich aber schon auf das zweite Duell, da beide wie echte Krieger gekämpft hätten. Der WBO-Weltmeister im Supermittelgewicht hätte 2015, innerhalb von 90 Tagen nach seiner für Februar geplanten freiwilligen Titelverteidigung, gegen den Sieger des Kampfs zwischen Sturm und Stieglitz antreten müssen.

Wie Sturm im Pressegespräch ankündigte, erwarteten seine Frau und er in Kürze ihr zweites gemeinsames Kind. Da er sich in den ersten Monaten nach der Geburt ausschließlich der Familie widmen wolle, werde er vor dem Sommer nicht mehr boxen können. Angesichts dessen, daß man mit Gennadi Golowkin, Arthur Abraham, Robert Stieglitz und ihm selbst gleich vier echte Champions in Deutschland habe, brauche man sich für die nächsten zwei Jahre keine Sorgen um den Arbeitsplatz machen.

Nach Lage der Dinge wird es wohl zu einem vierten Duell zwischen Artur Abraham und Robert Stieglitz kommen, da der Magdeburger die Führung der WBO-Rangliste im Supermittelgewicht durch das Unentschieden behält. Dieser Auffassung ist auch Sat.1-Sportchef Alexander Rösner, dessen Sender nach dem Vertragsabschluß mit Abrahams Promoter Sauerland von 2015 an die Kämpfe der vier Stars übertragen wird. Diese Schlacht sei der Auftakt zu einer Reihe großer Kämpfe gewesen, die man den Fans präsentieren wolle. Der Rückkampf zwischen Sturm und Stieglitz werde ebenso ein Teil davon werden wie die Titelverteidigung Abrahams gegen Stieglitz.


Fußnoten:

[1] http://www.welt.de/sport/boxen/article134153152/Felix-Sturm-blutete-noch-eine-Stunde-nach-dem-Kampf.html

[2] http://www.abendblatt.de/sport/article134163812/Remis-zwischen-Sturm-und-Stieglitz-machte-beide-zu-Siegern.html

9. November 2014