Schattenblick →INFOPOOL →SPORT → BOXEN

PROFI/557: Marko Huck mit der Brechstange gegen Mirko Larghetti (SB)




WBO-Weltmeister setzt sich recht mühsam nach Punkten durch

Marco Huck hat vor 5150 Zuschauern in Halle/Westfalen den Titel der WBO im Cruisergewicht erfolgreich gegen Mirko Larghetti verteidigt. Der Italiener hielt tapfer volle zwölf Runden durch, mußte sich aber am Ende nach Punkten geschlagen geben (116:112, 116:112, 118:110). Für den 29jährigen Weltmeister stehen nun 38 Siege, zwei Niederlagen sowie ein Unentschieden zu Buche. Der zwei Jahre ältere Herausforderer hat nach 21 gewonnenen Auftritten erstmals verloren. Da Huck, der den Titel seit 2009 hält, den Gürtel bei seinem Erfolg im Gerry Weber Stadion zum 13. Mal verteidigt hat, stellte er den Rekord des Briten Jonny Nelson ein, der von 1999 bis 2006 Champion im Cruisergewicht war.

Der aus Bielefeld stammende und damit mehr oder minder vor heimischem Publikum boxende Huck bot in den ersten sechs Runden eine insgesamt überzeugende Vorstellung. Er kämpfte aus einer sicheren Doppeldeckung und ließ mit seiner blitzschnell geschlagenen linken Führhand den Italiener kaum zur Entfaltung kommen. Der Außenseiter kassierte klare Kopftreffer, schlug aber in der dritten Runde erstmals erfolgreich zurück und holte sich deshalb auch diesen Durchgang.

Nach der Hälfte des Kampfs legte der Weltmeister jedoch eine Pause ein, so daß Larghetti nun immer besser zum Zuge kam. Während der Champion nachlässiger wurde, punktete sein Gegner fleißig. Huck vergaß nun zusehends seine Führhand und setzte immer wieder auf wilde Schläge, die jedoch wenig einbrachten. Nach der achten Runde platzte Trainer Ulli Wegner der Kragen: "Was ist denn los? Sei doch entschlossener!" Ab der zehnten Runde wurde Huck dann wieder stärker, während Larghetti nun rasch abbaute. Nach einigen weiteren schweren Treffern und von zwei Rißwunden schwer gezeichnet wollte der Herausforderer aufgeben. "Ich schaffe es nicht mehr, ich kann nicht mehr", sagte er schwer atmend in der Pause, doch sein Trainerteam überredete ihn, den Kampf durchzustehen. [1]

Als der Zeitnehmer das Klopfzeichen für die letzten zehn Sekunden der zwölften Runde gab, stürmte Huck los und schlug unablässig auf seinen Gegner ein. Larghetti, der sich bis dahin als ebenso unbequemer wie mutiger Kontrahent erwiesen hatte, brach unter dem Dauerfeuer zusammen. Die letzten schweren Kopftreffer, unter denen der Herausforderer zu Boden gehen mußte, schlugen mit dem Schlußgong ein, weshalb der Kampf zunächst als Punktsieg gewertet wurde. Auch die Fernsehbilder belegen nicht eindeutig, ob der entscheidende Treffer zeitgleich mit dem Gong oder erst kurz danach erfolgt war. Der Verband WBO kündigte eine genaue Prüfung des dramatische Kampfendes und gegebenenfalls eine Korrektur des Urteils an.

Larghetti ärgerte sich hinterher: "Am Anfang war das ganz gut und hat sich gut entwickelt für mich. Dann ist es aber anders ausgegangen." Sein Trainer Mario Massai bemängelte die Untätigkeit des Ringrichters: "Es gab unfaire Aktionen von Huck, bei denen der Ringrichter hätte dazwischengehen müssen." Der Italiener fehlte auf der anschließenden Pressekonferenz, da er ins Bielefelder Klinikum gefahren war, um dort seine Verletzungen untersuchen zu lassen. Grund zur Sorge gebe es nicht, hieß es hinterher.

"Der Mann hat mir alles abverlangt", sagte der erfolgreiche Titelverteidiger nach dem Kampf. "Ich ziehe meinen Hut vor seiner Leistung. Aber wenn man nach oben will, muß man die Besten schlagen. Die Leistungserwartungen an mich sind immer hoch." Wie Huck einräumte, wollte er zunächst "einen Schönheitspreis gewinnen". Am Ende habe er sich jedoch gesagt: "Hol mal die Brechstange raus. Und dann gibt es kein Zurück mehr. Wohin ich schlage, wächst kein Gras mehr", hatte der Champion schon wieder Oberwasser. [2]

"Marco hat einfach zuviel zugelassen", kritisierte der 72jährige Ulli Wegner. Außerdem monierte der Trainer das Zaudern seines Schützlings. Er habe an diesem Abend den entschiedenen Einsatz vermissen lassen. Auf die mutmaßlichen Gründe für dieses Manko ging der erfahrene Boxlehrer an dieser Stelle nicht ein. Was einen möglichen Wechsel ins Schwergewicht betrifft, attestierte Wegner seinem Boxer zwar die erforderliche Trefferwirkung, um dort bestehen zu können. Es fehle ihm jedoch manchmal die richtige Einstellung, ohne die er im Schwergewicht nichts verloren habe.

Der in Sheffield lebende Johnny Nelson verfolgte den Kampf in Halle vor Ort und gratulierte dem Weltmeister. Auf seinem eigenen Niveau sehe er Huck aber nicht, merkte der in England als Experte im Fernsehen tätige 47jährige skeptisch an: "Marco glaubt doch selbst nicht, daß er wirklich der Beste der Welt ist. Außerdem ist er erst ein wirklicher Champion, wenn er seinen Titel auch außerhalb seines Heimatlandes verteidigt hat." So wie es Nelson tat, der dafür in Deutschland, Dänemark, Italien und in den USA aufgetreten ist. Das wollte Marco Huck nicht gelten lassen: "Soll er doch sagen, was er will. Ich bin die absolute Nummer eins und der Star im Cruisergewicht. Ich boxe jeden, den mir mein Promoter vor die Fäuste setzt."

Vor zweieinhalb Jahren machte Marco Huck einen Ausflug ins Schwergewicht, wo er Alexander Powetkin nur knapp unterlag. Promoter Kalle Sauerland plant nun eine Titelvereinigung im Cruisergewicht gegen den polnischen WBC-Champion Krzysztof Wlodarczyk. [3] Danach soll sich Huck im Schwergewicht etablieren, da die Möglichkeiten im angestammten Limit begrenzt seien. Der Titelkampf gegen Powetkin im Jahr 2012 sei "auf Augenhöhe" verlaufen, so Sauerland, der einen Fuß in die Tür zu den USA stellen möchte, wo beispielsweise ein Duell mit dem Polen Tomasz Adamek vorstellbar sei.

Während ARD-Experte Henry Maske dieses Ziel für realistisch hielt, empfahl Hucks Teamkollege Arthur Abraham den Verbleib im Cruisergewicht. Der frühere Weltmeister Sven Ottke erklärte lapidar, daß man über das Schwergewicht nicht zu reden brauche, da Huck noch zahlreiche Auftritte im Cruisergewicht geben könne. Marco Huck selbst verkündete selbstbewußt, er gehe keiner Herausforderung aus dem Weg und sei für alles bereit, sogar für Wladimir Klitschko: "Er bekommt Schwierigkeiten, wenn er unter Druck gerät. Und wenn ich treffe, geht er baden."

Trainer Ulli Wegner dürfte in den kommenden Tagen und Wochen alle Hände voll zu tun haben, den durchwachsenen Auftritt gegen den wesentlich schwächer eingeschätzten Mirko Larghetti kritisch zu analysieren und seinen Schützling wieder auf den Boden boxerischer Tatsachen und Erfordernisse herunterzuholen.


Fußnoten:

[1] http://www.welt.de/sport/article131769430/Volltreffer-beim-Schlussgong-K-o-Debatte-um-Huck.html

[2] http://newsticker.sueddeutsche.de/list/id/1610868

[3] http://www.spiegel.de/sport/sonst/boxen-marco-huck-besiegt-mirko-larghetti-im-cruisergewicht-a-989042.html

31. August 2014