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PROFI/556: Kell Brook setzt sich gegen Shawn Porter durch (SB)




IBF-Titel im Weltergewicht auf die britische Insel entführt

Kell Brook hat im kalifornischen Carson durch einen knappen Punktsieg gegen Shawn Porter den Titel der IBF im Weltergewicht aus den USA auf die britische Insel entführt. Damit ist er in 33 Profikämpfen ungeschlagen und hat sich in der gegenwärtig attraktivsten und lukrativsten Gewichtsklasse etabliert. Der zuvor ebenfalls unbesiegte US-Amerikaner mußte die erste Niederlage hinnehmen, der 24 Siege sowie ein Unentschieden in seiner Bilanz gegenüberstehen. Porter hatte Devon Alexander und zuletzt im April Paulie Malignaggi geschlagen, woraufhin ihn die Mehrzahl der US-amerikanischen Experten vor dem Kampf gegen den Briten zum Favoriten erklärten, dessen Landsleute natürlich nach Kräften dagegenhielten. Wie die Punktwertung von 114:114, 117:111 und 116:112 zugunsten des Herausforderers zeigt, wurde Brook bei seinem Gastspiel auf fremdem Boden jedenfalls vom Kampfgericht nicht benachteiligt.

Zu Beginn des Kampfes gelang es keinem der beiden Boxer, klare Treffer zu setzen. Die aufregendste Szene war ein Zusammenprall der Kontrahenten, bei dem sich der Herausforderer eine Rißwunde über dem linken Auge zuzog. Porter setzte sich zunächst deutlich angriffslustiger in Szene und brachte mehr Schläge ins Ziel, bis auch er in der sechsten Runde einen Cut über dem rechten Auge davontrug. Dann folgte ein ausgeglichener Durchgang, worauf Brook die achte und neunte Runde für sich entscheiden konnte. Die meisten Zuschauer und Experten am Ring vermochten bis zur Urteilsverkündung nicht mit Sicherheit zu sagen, wer den Sieg davongetragen hatte. [1]

Shawn Porter stellte in einer ersten Stellungnahme das Ergebnis in Frage und erklärte, er glaube nicht, daß der Champion an diesem Abend verloren habe. Deshalb fordere er eine Revanche, um sich den Gürtel zurückzuholen. Auch Amir Khan, der zuvor einen Sieg seines britischen Landsmanns angekündigt hatte, räumte ein, daß er in seiner persönlichen Wertung Brook mit einigen Punkten im Rückstand gesehen habe. Hingegen verkündete der Herausforderer nach seinem Erfolg, er sei nun die Nummer eins in England. Alle hätten gedacht, er reise in die USA, um dort auf den Brettern zu landen. Künftig werde man ihn in einigen spektakulären Kämpfen erleben. Er sei nun der Weltmeister und habe nichts gegen Duelle mit Stars wie Floyd Mayweather jun. einzuwenden.

Waren die Meinungen schon im Vorfeld polarisiert, so galt das auch für die Nachlese des vielbeachteten Duells in Südkalifornien. Einige Experten sprachen von einer Dominanz des Briten, die an die Auftritte Mayweathers erinnere. Die meisten amerikanischen Boxfans hätten angenommen, Porter werde auch diesen Gegner vernichtend schlagen. Ihnen sei völlig unbekannt gewesen, über welches Talent der Brite verfüge. Porter sei von dem boxerischen Können seines Gegners restlos überfordert gewesen und habe lediglich seinen explosiven Druck in den Anfangsrunden aufbieten können. Im weiteren Verlauf habe es ihm jedoch schlichtweg an Mitteln gefehlt, dem athletisch und technisch überlegenen Gegner etwas entgegenzusetzen. Shawn Porter sei maßlos überbewertet und an diesem Abend von einem überragenden Kontrahenten auf den Boden der Tatsachen heruntergeholt worden. [2]

Hingegen machten Kritiker des Briten geltend, daß die Mehrzahl der Runden aus ihrer Sicht an Porter gegangen sei. Brook habe jedesmal sofort geklammert, sobald ihm der Titelverteidiger zu nahe gekommen sei. Dieses Spiel habe sich in jeder Runde zehn- bis fünfzehnmal wiederholt. Statt den Briten dafür mit einem Punktabzug zu bestrafen, habe ihn Ringrichter Pat Russell den gesamten Kampf über gewähren lassen und nicht einmal ermahnt, selbst wenn Brook nach einem Trennkommando sofort wieder in den Clinch gegangen sei. Angesichts einer solchen Kampfesweise könne der Brite insbesondere Floyd Mayweather vergessen, der mit Sicherheit keine Lust habe, sich mit einem ständig klammernden Gegner abzugeben. [3]

Diese Kontroverse ändert natürlich nichts daran, daß Kell Brook nach dem Titelgewinn viele Türen offenstehen. Er trainiert in Sheffield im namhaften Ingle Gym, aus dem unter anderem der legendäre "Prince" Naseem Hamed hervorgegangen ist. Vorstellbar wäre ein Kampf gegen Amir Khan vor Zehntausenden Zuschauern im Londoner Wembley-Stadion, wobei dieser bereits großes Interesse an einem Duell auf britischem Boden signalisiert hat und sich umgehend mit seinem Management darüber beraten will. Nicht ganz so spektakulär, aber als Zwischenschritt und erste Titelverteidigung durchaus attraktiv wäre ein Kampf gegen Europameister Leonard Bundu, der jüngst den Briten Frankie Gavin besiegt hat.

Vor allem US-amerikanische Kommentatoren, denen die europäische Szene herzlich gleichgültig ist, raten Brook, Amir Khan zu vergessen, und sich auf mögliche Gegner wie Keith Thurman, Devon Alexander und Timothy Bradley zu konzentrieren. Sollte er sich durchsetzen, stünden Danny Garcia, Juan Manuel Marquez oder Manny Pacquiao zur Disposition und schließlich sogar Floyd Mayweather in einem Kampf zur Vereinigung ihrer Titel. Andere warnen vernünftigerweise vor überzogenen Perspektiven und empfehlen Brooks Promoter Eddie Hearn, seinen Boxer nicht ins kalte Wasser übermächtiger Kontrahenten zu werfen, sondern mit Bedacht an den boxenden Geldadel heranzuführen.

Zu einer nüchternen Einschätzung mag beitragen, sich die Börsen beim Titelkampf in Carson vor Augen zu führen. Während Shawn Porter mit 500.000 Dollar recht gut verdiente, fielen für Brook vergleichsweise bescheidene 200.000 Dollar ab. Berücksichtigt man, daß Anthony Dirrell als Herausforderer Sakio Bikas in einem der Vorkämpfe 500.000 Dollar erhielt, zeichnet sich deutlich ab, daß der Brite in den USA weithin unbekannt ist und sich dort erst noch einen Namen machen muß, will er seine Gagen künftig beträchtlich steigern.


Fußnoten:

[1] http://www.boxen-heute.de/artikel/6345-split-decision-kell-brook-besiegt-shawn-porter-knapp-nach-punkten.html

[2] http://www.boxingnews24.com/2014/08/kell-brook-set-to-become-a-superstar-after-win-over-porter/#more-180546

[3] http://www.boxingnews24.com/2014/08/kell-brook-defeats-shawn-porter-wins-ibf-welterweight-title/#more-180537

18. August 2014