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PROFI/555: Arslan verliert gegen Hernandez und gewinnt Sympathien (SB)




IBF-Weltmeister setzt sich umstritten nach Punkten durch

Yoan Pablo Hernandez bleibt IBF-Weltmeister im Cruisergewicht. Der gebürtige Kubaner setzte sich in der Erfurter Messehalle umstritten nach Punkten (115:113, 113:115, 116:113) gegen seinen Teamkollegen Firat Arslan durch. Damit hat der 29jährige Hernandez diesen Titel zum viertenmal erfolgreich verteidigt und seine Bilanz auf 29 gewonnene Kämpfe sowie einen verlorenen Auftritt verbessert. Für den 43 Jahre alten Herausforderer stehen nun 34 Siege, acht Niederlagen und zwei Unentschieden zu Buche. [1]

Die Kontrahenten lieferten einander den erwartet harten Kampf, in dem der Titelverteidiger vor allem seine Reichweitenvorteile zu nutzen versuchte und des öfteren zum Körper schlug, während der Herausforderer stoisch nach vorn marschierte, um den Gegner unablässig unter Druck zu setzen. In der zweiten und dritten Runde traf Hernandez aus der Distanz, wofür sich Arslan mit rechten und linken Haken im Infight revanchierte.

Hatte der Champion die Anfangsphase dominiert, so verschob sich zur Mitte des Kampfes die Optik in Richtung des Herausforderers. In der neunten Runde sahen die ARD-Experten den 43jährigen auf ihren internen Punktezetteln sogar vorn, doch zog sich Arslan eine Verletzung am Ohr zu, die ihn dazu veranlaßte, in den letzten drei Runden etwas größeren Abstand zu wahren. Wenngleich Trainer Ulli Wegner den Titelverteidiger ermahnte, nicht ständig mit voller Wucht zu schlagen, da er sich andernfalls zu sehr verausgaben würde, legte Hernandez immer wieder alles in seine Schläge, um den andrängenden Arslan zu bremsen. Das führte dazu, daß der Weltmeister in den letzten Runden nicht mehr über die nötige Kondition verfügte, um seine boxerischen Vorteile auszuspielen.

In der letzten Runde legten beide Boxer schließlich eine gewisse Zurückhaltung an den Tag, als rechne jeder von ihnen mit dem Sieg und wolle den knappen Vorsprung sicher nach Hause bringen. Am Ende hatte jedoch nur der polnische Punktrichter Leszek Jankowiak einen Vorsprung für Arslan notiert, während seine beiden Kollegen Hernandez den Zuschlag gaben.

In einer anschließenden Stellungnahme dankte Firat Arslan "dem lieben Gott" für alle Höhen und Tiefen wie auch Yoan Pablo Hernandez. Dieser sei ein großartiger Kämpfer und habe das Urteil nicht zu verantworten. Er selbst habe nach der zehnten Runde von seinem Trainer erfahren, daß er in Führung liege. Daß die Wertung anders ausgefallen ist, könne er nicht ändern, so der Herausforderer.

Yoan Pablo Hernandez sah sich hingegen als Sieger und sprach von einem harten Kampf, den er seines Erachtens verdient gewonnen habe. Ob es zu einer Revanche kommen werde, könne er noch nicht sagen. Sein Trainer Ulli Wegner ließ keine Zweifel am Erfolg seines Schützlings aufkommen und erklärte, für ihn habe Pablo mit zwei, drei Runden vorne gelegen. Dieser hätte sicherlich ein paar Dinge besser machen können, habe aber insgesamt gesehen einfach die klareren Treffer erzielt. [2]

Daß es auf der Pressekonferenz dann doch zu einer hitzigen Kontroverse kam, verdankte sich nicht zuletzt Henry Maske, der als Experte des übertragenden Senders ARD Arslan als Sieger gesehen hatte und die Wertung der Punktrichter als Fehlurteil geißelte. Pablo habe heute nicht gewonnen, weshalb es nach seinem Dafürhalten das beste wäre, wenn man einen Rückkampf zu sehen bekäme.

Maskes Worte waren Wasser auf die Mühlen des Arslan-Lagers, das sich betrogen fühlte. Für ihn habe Firat ganz klar gewonnen, schimpfte Trainer Dieter Wittmann, und Fritz Sdunek, den Arslan für seine möglicherweise letzte Titelchance ins Team geholt hatte, zürnte: "So dumm sind die Kampfrichter. Solche Urteile machen das Boxen kaputt. Firat ist auf jeden Fall Weltmeister der Herzen." [3]

Das wollten die Promoter keinesfalls auf sich sitzen lassen. Wilfried Sauerland und sein Sohn Kalle legten sich auf der Pressekonferenz mit Wittmann an. Für ihn sei es ein knapper Kampf gewesen, doch gebe es an Pablos Sieg nichts zu deuteln, so Kalle Sauerland. Hernandez habe an diesem Abend sicherlich nicht seine beste Leistung, sondern vielleicht nur 70 Prozent abgeliefert. Aber auch wenn er riesigen Respekt vor Firats Leistung habe, sei der Sieg Pablos verdient.

Ulli Wegner verstieg sich polternd in nebulöse Mutmaßungen zu den Motiven Maskes: "Das ist eine Sauerei von Henry, aber es gibt Gründe, warum er das sagt." Hintergrund solcher Kontroversen dürfte sicherlich die voraussichtlich zum Jahresende auslaufende Kooperation zwischen Sauerland Event und der ARD sein. Um die geringe Chance nicht zu gefährden, daß die Rundfunkräte ihren Richtungsbeschluß doch noch revidieren, möchte man beim Berliner Promoter natürlich Diskussionen um angeblich beeinflußte Punktwertungen tunlichst vermeiden. [3]

Vermutlich hätten sich die Wogen rascher geglättet, wäre bei der Auswertung der Punktzettel ein Unentschieden herausgekommen. Auch damit wäre Hernandez Weltmeister geblieben, während Arslan über noch bessere Argumente verfügte, einen Rückkampf einzufordern. Da er sich zur Versorgung seiner Verletzung am Ohr bereits ins Krankenhaus begeben hatte, ließ er durch Sdunek und Wittmann übermitteln, daß er weiterkämpfen wolle. Wer seinen beherzten Auftritt in Erfurt verfolgt hat, wird sicher die Auffassung teilen, daß der bevorstehende 44. Geburtstag bei diesem Boxer kein Grund ist, die Handschuhe an den Nagel zu hängen.

Firat Arslan, der zuletzt an Nummer 13 der IBF-Rangliste geführt wurde, hatte zuvor zwei seiner letzten vier Kämpfe verloren. Insofern konnte er also von Glück reden, überhaupt eine Titelchance bekommen zu haben. Andererseits ist natürlich kein Geheimnis, daß ihn Sauerland nicht zuletzt deshalb unter Vertrag genommen hat, weil er stets engagiert kämpft und beim Publikum sehr beliebt ist. Aus Sicht des Promoters soll der Schwabe begeistern, ohne die beiden Weltmeister Marco Huck und Yoan Pablo Hernandez zu entthronen, so daß die bisherigen Ergebnisse in diesen Duellen alle im Plan lagen. Huck hat seinen ersten Kampf gegen Arslan umstritten gewonnen und sich bei der Revanche klar durchgesetzt. Genauso könnte es nun mit Hernandez weitergehen, was die deutsche Zuschauerschaft sicher nicht stören würde. Allerdings könnte Arslan nach der jüngsten Niederlage aus den Top 15 der IBF fallen, wodurch er nicht mehr für einen Titelkampf in Frage käme. Ein zwischenzeitlich gewonnener Aufbaukampf würde jedoch auch dieses Problem aus der Welt schaffen.


Fußnoten:

[1] http://www.boxingnews24.com/2014/08/hernandez-decisions-arslan/#more-180528

[2] http://www.boxen.com/news-archiv/newsdetails/article/hernandez-schlaegt-arslan/23.html

[3] http://www.abendblatt.de/sport/article131308064/Heftige-Kontroverse-nach-WM-Fight-Hernandez-vs-Arslan.html

17. August 2014