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PROFI/553: Gut fürs Geschäft - Saul Alvarez statt Erislandy Lara (SB)




Fragwürdige Punktwertung zugunsten des Publikumslieblings

In dem mit Spannung erwarteten Kampf zwischen Erislandy Lara und Saul "Canelo" Alvarez, der im MGM von Las Vegas über die Bühne ging, konnte sich der mexikanische Publikumsliebling mit 2:1 Punktrichterwertungen durchsetzen: Jerry Roth (115:113 für Lara), Dave Moretti (115:113 für Alvarez) und Levi Martinez (mit einem absurden 117:111 für Alvarez) sorgten für eine Entscheidung, die von den überwiegend hispanischen Zuschauern euphorisch gefeiert wurde, jedoch dem Kampfverlauf kaum entsprach. Der Mexikaner verbesserte seine Bilanz auf 44 Siege, eine Niederlage sowie ein Unentschieden und hielt die Tür zu weiteren lukrativen Duellen mit namhaften Gegnern weit offen. Für den Kubaner stehen nun 19 gewonnene, zwei verlorene und zwei unentschieden beendete Auftritte zu Buche. Er bleibt WBA-Weltmeister im Halbmittelgewicht, da der Kampf gegen Alvarez bei einer vereinbarten Obergrenze von 155 amerikanischen Pfund ausgetragen wurde, die im Bereich des Mittelgewichts liegt. Der Kubaner war ein großes Risiko eingegangen, vor dem Heimpublikum des von den Golden Boy Promotions favorisierten Quotenbringers Alvarez anzutreten, und mußte einen herben Rückschlag hinnehmen.

Erislandy Lara führte dank seiner Beweglichkeit und technischen Überlegenheit den Gegner in den ersten sechs Runden regelrecht vor. Wenngleich sich Alvarez zunehmend auf Körperschläge verlegte, da er den Kopf des mobilen Kubaners einfach nicht traf, blieb ihm auch in dieser Hinsicht lange ein Erfolg versagt. Zwar kam er vom vierten Durchgang an gelegentlich auf diese Weise zum Zuge, doch entging Lara durch geschickte Drehungen der Mehrzahl dieser Angriffe. Zur Mitte des Kampfs setzte sich der Mexikaner vor allem mit dem linken Haken zum Körper besser in Szene, doch konnte er im Grunde nicht mehr als drei Runden eindeutig für sich verbuchen. Vom achten Durchgang an war es dann der wiedererstarkte Kubaner, der die klareren Treffer ins Ziel brachte. [1]

Wer nicht genau hinsah, konnte der Auffassung sein, Alvarez habe dank seines beständigen Angriffsdrangs den Sieg verdient. Lara, der oberflächlich betrachtet vor ihm zu fliehen schien, konterte den Gegner jedoch auf eine Weise aus, die phasenweise einer Lehrstunde gleichkam, und erzielte fraglos die eindeutigeren Treffer, die bei der Wertung den Ausschlag geben sollten. Wenn der Kubaner etwas versäumte, so war es die letzte Entschlossenheit, Alvarez so eindeutig mit Treffern einzudecken oder gar niederzuschlagen, daß er den Kampfrichtern gar keine andere Wahl gelassen hätte, als ihn zum Sieger zu erklären. Vielleicht hätte Laras Trainer Ronnie Shields seinem Boxer die Hölle heißmachen müssen, da ein Punktsieg gegen einen derart populären Kontrahenten so gut wie unmöglich war. Lara dominierte den 23jährigen Gegner zwar, trieb ihn aber nicht in unabweislicher Manier in die Enge, wie es erforderlich gewesen wäre.

Zur anschließenden Pressekonferenz erschien der Kubaner lächelnd und mit kaum sichtbaren Blessuren im Gesicht. Das Urteil sei eine Schande, da er seinen Job gemacht habe. Oscar de la Hoya und "Canelo" wüßten nur zu gut, daß ihm der Sieg gestohlen worden sei. Daher verlange er eine Revanche. Sein Trainer Ronnie Shields stellte die Frage in den Raum, was Lara noch tun müsse, um einen Kampf zu gewinnen.

Saul Alvarez, der sich nur mit Sonnenbrille und vielen blauen Flecken im Gesicht zeigte, war natürlich anderer Meinung. Ihm sei schon klar gewesen, daß Lara wegrennen würde, doch habe er nicht mit einem Marathon gerechnet. Wie es in einem Sprichwort heißt, brauche man einen Partner für die Liebe und einen Partner für den Kampf. Lara habe angekündigt, er werde ihm eine Lehrstunde erteilen, aber auf diese Schule wolle er nicht gehen, so der Mexikaner. [2]

Austin Trout, der im vergangenen Jahr gegen Alvarez verloren hat, sah Lara als Sieger und den Punktrichter Levi Martinez als unverfroren parteiisch. Fehlentscheidungen seien schlecht fürs Boxen, doch andererseits sei "Canelo" gut fürs Geschäft, zog Trout ein kurzes und bündiges Fazit, das den Nagel auf den Kopf traf.

In finanzieller Hinsicht schneidet Saul Alvarez deutlich besser als sein Gegner ab, da ihm über die garantierte Börse von 1,5 Millionen US-Dollar hinaus Anteile aus dem Erlös des Senders Showtime im Bezahlfernsehen wie auch mexikanischer Stationen zufließen. Erislandy Lara erhält mit einer Million Dollar immerhin die bislang höchste Gage seiner Karriere, die angesichts seiner Niederlage jedoch so bald nicht übertroffen werden dürfte.

Promoter Oscar de la Hoya wollte von einem eventuellen Rückkampf nichts wissen und erklärte, er habe ein von "Canelo" dominiertes Duell gesehen. Alvarez sei zum Kämpfen gekommen, Lara hingegen nicht. Wie er gehört habe, wünschten die Fans keine Revanche. Es gebe zehn andere Kandidaten, die für einen Kampf gegen "Canelo" Schlange stünden. Wie Alvarez erklärte, wolle er nur gegen die Besten antreten, da seine Fans nichts anderes wünschten und verdienten.

De la Hoya wird sicher versuchen, einen Kampf zwischen Alvarez und Miguel Cotto oder Floyd Mayweather auf die Beine zu stellen, wobei letzterer Mitte September ein zweites Mal gegen Marcos Maidana boxt und dann erst wieder Anfang Mai 2015 zum vor allem von mexikanischstämmigen Einwanderern in den USA begangenen Feiertag Cinco de Mayo in den Ring steigen wird. Mayweather brächte viel mehr Geld in die Kasse, hat aber Alvarez schon einmal gedemütigt. Zudem sah der Mexikaner gegen Lara keinesfalls so gut aus, daß man ihm echte Chancen gegen Floyd Mayweather einräumen würde.

Im Grunde benötigt der Mexikaner einen überzeugenden Sieg gegen Miguel Cotto, um sich für eine Revanche gegen Mayweather zu empfehlen, weshalb diese Option als Zwischenetappe recht plausibel anmutet. Allerdings verfügt der aktuelle WBC-Weltmeister im Mittelgewicht über eine größere Schlagwirkung als Alvarez, so daß der Ausgang eines solchen Kampfs offen wäre. Cotto ist ebenfalls sehr populär, weshalb sich dieses Duell gut verkaufen ließe. [3]

Wollte sich Alvarez tatsächlich mit den Besten messen, käme er kaum an Gennadi Golowkin vorbei. Der Superchampion der WBA im Mittelgewicht ist ihm jedoch nicht nur körperlich überlegen, sondern in Defensive und Offensive eine Nummer zu groß für den Mexikaner. Kein Wunder, daß "Canelo" den Namen des Kasachen so gut wie nie ausspricht, wenn seine Zukunftspläne zur Debatte stehen. Alvarez hat zwar erklärt, er werde auf Dauer im Halbmittelgewicht boxen, doch ist er nun schon zum zweiten Mal in Folge bei vereinbarten 155 Pfund angetreten. Das läßt darauf schließen, daß er es aus Gewichtsgründen kaum noch schaffen dürfte, in seinem früheren Limit zu kämpfen.


Fußnoten:

[1] http://www.boxingnews24.com/2014/07/canelo-wins-controversial-decision-over-lara-in-las-vegas/#more-178906

[2] http://www.boxen-heute.de/artikel/6166-video-alvarez-vs-laraalvarez-holt-den-sieg-nach-mexiko.html

[3] http://www.boxingnews24.com/2014/07/de-la-hoya-no-one-wants-a-rematch-canelo-is-moving-on/#more-178909

13. Juli 2014