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PROFI/535: Marco Hucks taktische Reife stellt Ola Afolabi vor unlösbare Probleme (SB)




Überzeugender Auftritt des WBO-Weltmeisters in Berlin

Vor 5000 begeisterten Zuschauern in der Berliner Max-Schmeling-Halle hat Marco Huck den Titel der WBO im Cruisergewicht in überzeugender Manier gegen Ola Afolabi verteidigt. Galt der Lokalmatador bislang als ein Champion, der technische und taktische Mängel mit der Brechstange zu kompensieren pflegte, so überraschte er nun mit der wohl besten boxerischen Leistung seiner Karriere, die sich nach zwölf Runden in einem verdienten Sieg niederschlug (117:111, 115:113, 114:114), wobei das Unentschieden des niederländischen Punktrichters ungläubiges Kopfschütteln hervorrief. Der 28jährige Weltmeister blieb auch in seiner elften Titelverteidigung ungeschlagen und verbesserte seine Bilanz auf 36 Siege, zwei Niederlagen sowie ein Unentschieden. Für den fünf Jahre älteren Briten stehen nun 19 gewonnene, drei verlorene und vier unentschieden beendete Auftritte zu Buche. Ola Afolabi ist damit zum dritten Mal nach 2009 und 2012 in Titelkämpfen an Marco Huck gescheitert.

Im Gegensatz zum zweiten Kampf gegen den Briten, der unentschieden geendet hatte, begann der Sauerland-Boxer dieses Mal nach einem kurzen Abtasten deutlich aktiver als der Herausforderer, dessen anfängliche Zurückhaltung Huck bald einen Vorsprung in der Punktwertung bescherte. Erst in der vierten Runde kam der Interimsweltmeister etwas besser zum Zuge, doch brachte der Titelverteidiger nach wie vor die gefährlicheren Treffer ins Ziel. Der folgende Durchgang gehörte zunächst Afolabi, doch gab ihm Huck kurz vor der Pause mit mehreren klaren Aktionen Kontra. In der sechsten Runde konnte der Brite seine bislang besten Treffer landen, gegen Ende aber war es wiederum der Berliner, der sich mit explosiv vorgetragenen Serien in Szene setzte.

Während Afolabi von den Kombinationen des Weltmeisters immer wieder erschüttert wurde, versuchte er häufig, zum Körper des Gegners zu schlagen, um ihm die Luft zu rauben. Dieser taktische Plan ging jedoch nicht auf, da es eher der Brite war, der zunehmend um Atem ringen mußte. Hatte Afolabi im Vorfeld angekündigt, in der besten Form seiner Karriere anzutreten, so war davon auch in der siebten und achten Runde nicht allzu viel zu sehen. Seine Aktionen wirkten recht schwerfällig und vorhersehbar, und so fand er auch in dieser Phase kein überzeugendes Mittel gegen Hucks taktische Dominanz und stellte vor allem gute Nehmerfähigkeiten unter Beweis. Huck glänzte nicht nur als gefährlicher Konterboxer, sondern spielte auch seinen Kampfgeist aus, so daß der Brite nie dazu kam, die Initiative dauerhaft zu übernehmen.

Nach einer langsameren neunten Runde, in der die Kontrahenten Luft für das Finale schöpften, versuchte Afolabi, seinen Gegner im folgenden Durchgang an den Seilen zu stellen und mit zahlreichen Treffern zu zermürben. Doch wie zuvor gewann der Berliner auch diesmal in der letzten Minute mit schweren Schlägen die Oberhand. Nach diesem beiderseitigen Kraftakt verlief die elfte Runde relativ ausgeglichen, worauf die Kontrahenten den letzten Durchgang sichtlich erschöpft, doch mit Vorteilen für Marco Huck zu Ende boxten.

Im anschließenden Interview mit der ARD zog der alte und neue Weltmeister mit den Worten Bilanz, er sei an diesem Abend über sich hinausgewachsen und habe gezeigt, daß er boxen könne. Damit habe er den Beweis angetreten, daß er imstande sei, Afolabi jederzeit zu besiegen. Hätte er sich nicht an der Schlaghand verletzt, wäre der Brite vermutlich sogar auf den Brettern gelandet. Er habe die Vorbereitung sehr ernst genommen und kämpfe als nächstes gegen denjenigen, den sein Management vorschlage. Getrübt werde seine Freude über diesen Erfolg durch den Gedanken, daß es Menschen gebe, die durch das Hochwasser alles verloren haben. Daher wolle er mit gutem Beispiel vorangehen und spende 10.000 Euro zur Unterstützung der Betroffenen.

Enttäuscht resümmierte Ola Afolabi, man habe die taktische Marschroute vereinbart, nicht gleich zu Anfang das Pulver zu verschießen. Das habe die Sache etwas schwierig gemacht, doch müsse er Huck attestieren, einen guten Job gemacht und seinen Plan besser ausgeführt zu haben. Die erste Punktwertung von 117:111 sei lächerlich, das Unentschieden hingegen in Ordnung gewesen, deutete der Brite zu Unrecht an, womöglich benachteiligt worden zu sein. Wenig später räumte der Herausforderer jedoch ein, daß Huck sehr aggressiv geboxt und mithin der Bessere gewonnen habe. Da gebe es keine Ausreden.

Trainer Ulli Wegner, der bekanntlich nicht zur Überschwenglichkeit neigt und dafür zu sorgen pflegt, daß seine Schützlinge auf dem Teppich bleiben, zollte Marco Huck diesmal ein großes Lob. Er sei erleichtert, daß man den Weltmeistertitel behalten habe. Man habe hart trainiert und wohl auch Fritz Sdunek mit einer erstklassigen Vorbereitung überrascht. Nach einigen nicht gerade angenehmen Kämpfen habe man diesmal geglänzt. Viele hätten behauptet, Marco könne nicht boxen. Dieser nehme jedoch inzwischen an, was er ihm sage, und habe taktisch sehr diszipliniert gekämpft. Es sei ihm gelungen, die vereinbarte Linie von Anfang bis Ende durchzutragen. Afolabi sei technisch ein beschlagener Boxer, doch heute habe er gegen den besseren Mann und die bessere Strategie verloren, so der 71jährige Trainer.

Daß Huck einen wichtiger Schritt getan habe, um ein großer Champion zu werden, fand auch Promoter Wilfried Sauerland. In den ersten acht Runden sei das der beste Marco Huck gewesen, den er je gesehen habe. Kalle Sauerland attestierte dem Champion einen Reifeprozeß und sagte ihm eine große Zukunft voraus.

Ola habe sein Können nicht umgesetzt und lediglich drei oder vier Runden gewonnen, räumte Trainer Fritz Sdunek das Scheitern des gemeinsamen Vorhabens ein, den Weltmeister im dritten Anlauf vom Thron zu stoßen. Leider sei es nicht gelungen, das Ruder ab Runde zehn noch einmal herumzureißen. Er sei nicht zufrieden mit seinem Schützling und könne das Urteil voll und ganz akzeptieren. Afolabi habe erst sehr spät angefangen zu boxen, und nun müsse man sehen, wie es mit seiner Karriere weitergeht. Im nächsten Zug komme es darauf an, sich in den USA durchzusetzen, dann könne er in ein bis zwei Jahren vielleicht wieder zurückkommen. [1]

Wilfried Sauerland zufolge soll es im September oder Oktober in Stuttgart zur Revanche zwischen Marco Huck und dem 42jährigen Firat Arslan kommen, der im vergangenen Jahr höchst umstritten gegen den Berliner verloren hatte. Ob dieser später noch einmal einen Ausflug ins Schwergewicht wagt, wo er Alexander Powetkin nach bravourösem Kampf nur knapp nach Punkten unterlegen war, wird sich zeigen. Sauerland und Wegner waren damals wenig angetan von dem Aufstiegswunsch Marco Hucks, legten ihm aber auch keine Steine in den Weg. Nach der Niederlage gegen den Russen, der bekanntlich ebenfalls bei Sauerland Event unter Vertrag steht, bahnten sie Huck dann wieder einen Weg im angestammten Cruisergewicht, was sich nun in Gestalt einer beeindruckenden Vorstellung ausgezahlt hat. In dieser Verfassung hätte der Berliner gute Aussichten, aus Vereinigungskämpfen mit anderen Weltmeistern seiner Gewichtsklasse als Sieger hervorzugehen und sich als führender Akteur dieses Limits zu etablieren.

Fußnote:

[1] http://www.boxen.com/news-archiv/newsdetails/article/huck-siegt-deutlich/23.html

9. Juni 2013