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PROFI/494: Felix Sturm gewinnt Debüt in Eigenregie gegen Giovanni Lorenzo (SB)


Klarer Punktsieg des WBA-Superchampions im Mittelgewicht


Felix Sturm ist nach vierzehn Monaten Pause und ausgestandener Kontroverse mit dem Hamburger Universum-Boxstall erfolgreich in den Ring zurückgekehrt. Der Superchampion der WBA im Mittelgewicht verteidigte in der Kölner Lanxess-Arena seinen Titel erfolgreich gegen Giovanni Lorenzo aus der Dominikanischen Republik. Nach Angaben des Veranstalters 18.200, anderen Einschätzungen zufolge eher rund 13.000 Zuschauer wurden Zeuge eines ansprechenden und souveränen Auftritts des Leverkuseners, der sich über zwölf Runden verdient nach Punkten durchsetzte (117:111, 117:111, 118:111). Für Sturm, der seinen letzten Kampf am 11. Juli 2009 am Nürburgring gegen den Armenier Koren Ghevor bestritten hatte, war es bereits die achte Titelverteidigung. Der 32jährige verbesserte seine Bilanz auf 34 Siege bei zwei Niederlagen und einem Unentschieden. Sein 29 Jahre alter Gegner mußte sich nach Niederlagen gegen Raul Marquez (im Juni 2008) und Sebastian Sylvester (im September 2009) im 32. Profikampf zum dritten Mal geschlagen geben.

Die Kontrahenten nahmen den Kampf in der ersten Runde vorsichtig auf und boxten zunächst verhalten, doch konnte sich Sturm vor allem in den letzten Sekunden leichte Vorteile erarbeiten. Von seinen technischen und taktischen Qualitäten, die ihn an die Spitze dieser Gewichtsklasse geführt haben, hatte er offenkundig nichts eingebüßt. Er ließ den Gegner kommen, wich aber dessen Schlägen geschickt aus, wobei er auch davon profitierte, daß der Herausforderer zu Schwingern neigte, die er frühzeitig erkannte. Lorenzo hatte zwar seinen vorzeitigen Sieg innerhalb der ersten sechs Runden angekündigt, konnte aber über lange Strecken keine gefährlichen Treffer erzielen. Hingegen war es Sturm, der im vierten Durchgang seinen Gegner mit einer Rechten erwischte, worauf dieser erstmals sichtlich Wirkung zeigte.

Konditionell in erstklassiger Verfassung und von Trainer Fritz Sdunek hervorragend eingestellt, baute der Titelverteidiger seinen Vorsprung auf den Punktzetteln aus und brachte Lorenzo mit zunehmender Dauer des Kampfs in immer größere Schwierigkeiten. Systematisch bereitete der Leverkusener mit seinem linken Jab sehenswerte Kombinationen vor und beherrschte von der Ringmitte aus kämpfend das Geschehen. Dabei boxte der Herausforderer durchaus beherzt und aggressiv, doch gelang es ihm nur selten, Sturm zu stellen, geschweige denn unter Druck zu setzen. Nun forderten die Zuschauer lautstark einen Niederschlag, doch obgleich der Champion immer wieder nachsetzte, während Lorenzo müde wurde und deutlich gezeichnet war, ging der Kampf über die volle Distanz.

"Das ist der wichtigste Kampf meines Lebens. Eins ist klar: Jetzt kämpfe ich für mich und für meine Familie", hatte Sturm im Vorfeld des Duells erklärt. "Ich träume seit zehn Jahren von einem Kampf in Köln. Besser geht es nicht. Das ist mein neues Wohnzimmer", feierte er seinen Sieg mit den begeisterten Zuschauern, unter denen sich auch die halbe Fußballnationalmannschaft befand. Seiner selbstkritischen Einschätzung zufolge hatte er etwa 70 bis 75 Prozent seines Potentials entfaltet und so räumte er ein, daß er sich noch besser bewegen, tiefer stehen und die Rechte öfter und härter einsetzen müsse. Natürlich sei er anfangs nervös gewesen, da so viel bei dieser sportlichen und finanziellen Premiere in Eigenregie auf dem Spiel stand. Er habe mit Sicherheit nicht alles perfekt gemacht und werde bei seinem nächsten Auftritt etliche Mängel ausgemerzt haben. Früher habe er häufig seine persönliche Marschroute durchgesetzt und dadurch mitunter beträchtliche Schwierigkeiten heraufbeschworen. Nun sei er diszipliniert den Anweisungen Fritz Sduneks gefolgt und damit ausgezeichnet gefahren.

Giovanni Lorenzo beklagte sich zunächst über das Urteil und sah sich als Sieger, obgleich ihm schon ein Blick in den Spiegel gezeigt hätte, daß dem nicht so war. Später räumte der unterlegene Herausforderer jedoch ein, daß er gewaltige Prügel bezogen habe und Felix ein großer Champion sei. Lorenzos Auftritt als enttäuschend zu bezeichnen, wäre ebenso übertrieben wie Sturm abzuwerten, weil er nicht vorzeitig gewonnen hatte. Beide boxten so, wie man es von ihnen erwarten konnte, wobei sich bestätigte, wie gut der Leverkusener mit Gegnern fertig wird, die in erster Linie auf die Wucht ihrer Schläge setzen und damit weniger versierte Boxer als den Weltmeister durchaus dominieren.

Mit Unterstützung Promoter Ahmet Öners und des Senders Sat.1 hat Felix Sturm eine spektakuläre Boxveranstaltung in Szene gesetzt. Er ist weder sportlich, noch in organisatorischer Hinsicht an der gewaltigen Aufgabe der Selbstvermarktung gescheitert und fand dabei enormen Widerhall beim Publikum. Selbst wenn man von der niedrigeren Zuschauerzahl in der Lanxess-Arena ausgeht, war dies für deutsche Verhältnisse und einen Mittelgewichtler, der seine Siege selten vorzeitig erzielt, enorm.

Auch Sat.1 konnte mit der vorläufig einmaligen, doch vermutlich ausbaufähigen Zusammenarbeit sehr zufrieden sein. Mehr als fünf Millionen Menschen verfolgten die Liveübertragung und bescherten dem Sender damit eine beachtliche Quote. Bereits im März hatte Sat.1 den Kampf zwischen Steffen Kretschmann und Denis Bachtow gezeigt und war dabei auf gute Resonanz getroffen. Beim Auftritt Felix Sturms stimmte die Sendung "ran-Boxen" ab 22.15 Uhr durchschnittlich 3,50 Millionen auf den Kampf ein. Als dann kurz nach 23.00 Uhr der Gong ertönt war, waren im Schnitt 5,27 Millionen Zuschauer mit von der Partie.

5. September 2010