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PROFI/493: Tapferer Sosnowski kann Klitschko nicht das Wasser reichen (SB)



Vitali Klitschko gewinnt Titelverteidigung in der zehnten Runde

Vitali Klitschko bleibt Weltmeister im Schwergewicht nach Version des World Boxing Council (WBC). Vor 46.000 Zuschauern in der Veltins-Arena des Gelsenkirchener Fußballbundesligisten FC Schalke 04 besiegte der 38 Jahre alte Ukrainer den ehemaligen Europameister Albert Sosnowski aus Polen durch technischen K.o. nach 2:30 Minuten der zehnten Runde. Es war die sechste erfolgreiche Titelverteidigung Klitschkos und sein 40. Sieg im 42. Profikampf, wobei er 38 Auftritte vorzeitig gewonnen hat. Der 31jährige Herausforderer mußte im 49. Kampf die dritte Niederlage einstecken.

Der mit 1,89 Meter dreizehn Zentimeter kleinere und gut zehn Kilo leichtere Herausforderer begann nervös und bewegte sich zunächst vorwiegend im Rückwärtsgang. Klitschko kontrollierte das unspektakuläre Geschehen wie üblich mit seiner hängenden linken Führhand, während der Pole nur sporadisch angriff und nicht energisch nachsetzte. Zwar kam Sosnowski im dritten Durchgang mit einem linken Haken durch, doch blieb es bei diesem Intermezzo. So nahm der undramatische Kampf Runde für Runde seinen Gang, zumal der Titelverteidiger nur selten seine rechte Schlaghand einsetzte. In der sechsten Runde brachte Klitschko seinen Kontrahenten mit einer sauberen Links-Rechts-Kombination gewaltig ins Wanken. Der Herausforderer bot jedoch einen mutigen Kampf und steckte nie auf, wenngleich er kein Mittel fand, um den Weltmeister in Schwierigkeiten zu bringen. In der zehnten Runde setzte Klitschko schließlich mehrere schwere Treffer und beförderte Sosnowski zu Boden, worauf Ringrichter Jay Nady aus den USA den ungleichen Kampf abbrach.

Das Publikum war mit diesem Ausgang zufrieden und feierte den alten und neuen Weltmeister ausgiebig, der den tapferen Herausforderer umarmte. Für Vitali Klitschko war es der fünfte Kampf nach seiner vierjährigen Pause. Er hatte sich den WBC-Titel im Oktober 2008 in Berlin bei seiner Rückkehr in den Ring von Samuel Peter geholt. "Ich freue mich riesig, ein Traum ist wahr geworden", sagte Klitschko mit Blick auf seinen Kampf in dem riesigen Rund des Stadions. "Ich habe gezeigt, daß ich der Stärkste der Welt bin. Es gibt keinen, der mir den Gürtel wegnehmen kann. Und das werde ich weiter beweisen."

Auf die Frage, was sein Bruder Wladimir, der Weltmeister der Verbände IBF und WBO ist, zur Aussage seines älteren Bruders meine, er sei der stärkste Boxer der Welt, grinste Vitali verschmitzt. Dann schaute er sich suchend um und rief: "Wladimir?" Als er keine Antwort bekam, fügte er hinzu: "Solange mein Bruder nicht da ist, kann ich sagen, daß ich der Stärkste der Welt bin."

"Es waren nicht so harte Schläge. Ich hätte schon noch weitergekämpft, aber so ein erfahrener Gegner hätte trotzdem gesiegt", erklärte Sosnowski, der sein Bestes gegeben hatte. "Aber ich hätte mich erhoben. Ich bin froh, daß ich Vitali die Stirn bieten konnte. Ich habe eine gute Leistung gezeigt, es hat aber nicht gereicht."

Wladimir Klitschko war von der Leistung seines älteren Bruders begeistert, zollte aber auch Albert Sosnowski seinen Respekt: "Ich glaube, daß er noch viel erreichen kann. Er hat sehr geschwungen mit seinen Fäusten. Hätte er getroffen, hätte es zu Konsequenzen für Vitali kommen können."

Wie Vitali Klitschko nach seinem Erfolg gegen Sosnowski zufrieden bilanzierte, habe er sich sehr gut vorbereitet und sei in Bestform angetreten. Ihm sei klar gewesen, daß Sosnowski noch jung ist und Fehler machen würde. Der Herausforderer habe alles gegeben, doch spiele die Erfahrung auch im Boxen eine große Rolle. "Ich habe meinem Gegner heute nochmal eine Lehrstunde gegeben", sagte der Ukrainer. Er werde in den nächsten Kämpfen beweisen, daß er nicht umsonst den Gürtel trägt, den vor ihm viele große Champions besaßen.

Zwei Gegner gibt es noch, die Klitschko reizen - der Russe Nikolai Walujew und der Brite David Haye. Was den Briten betrifft, so hatte dieser die Klitschkos mehrfach beleidigt, weshalb Vitali ihm eine Lektion erteilen möchte. Gegen den Russen wollte der Weltmeister ursprünglich seinen Titel in der Schalker Arena verteidigen, doch war dieses Duell an den überzogenen Forderungen Don Kings gescheitert, der die Vermarktungsrechte an Walujew zur Hälfte besitzt. "Im Moment hat er noch irreale Vorstellungen", sagte Klitschkos Manager Bernd Bönte zu ersten Gesprächen. Auch Alexander Powetkin sei weiterhin ein Thema, aber qualitativ derzeit eher nur Mittelklasse.

An Nummer eins des WBC wird derzeit der US-Amerikaner Ray Austin geführt, den Wladimir Klitschko vor drei Jahren in nur zwei Runden ausgeschaltet hat. Dahinter kämpfen der Kubaner Odlanier Solis aus dem Arena-Boxstall und Nikolai Walujew um das Recht, den Weltmeister herauszufordern.

"Die Klitschkos sind die Besten, weil nichts anderes da ist. Sie sind eben genau zum richtigen Zeitpunkt Weltmeister", konstatierte Matchmaker Jean-Marcel Nartz. "Vielleicht ist der schnelle Engländer David Haye einer. Aber im Moment schlägt die Brüder keiner, wenn sie nicht leichtsinnig werden." Und Henry Maske fügte hinzu: "Man hat schon vor zwei Jahren gefragt: Geht das so weiter? Und es ging weiter. Trotz aller Unkenrufe." Der frühere IBF-Champion im Halbschwergewicht sieht angesichts der mäßigen Konkurrenz auch noch kein Ende für die Regentschaft der Klitschkos: "Vitali und Wladimir brauchen Gegner, die ihnen zeigen, daß sie aufhören müssen. Und die gibt es nicht", unterstrich Maske.

"Ich hatte keine Schmerzen in den zehn Runden. Ich werde das nun ein paar Tage genießen, aber dann muß ich wieder an die Arbeit. Keiner ist perfekt. Wenn man Erfolg in Sport und Politik haben will, muß man weiterarbeiten", nahm Vitali Klitschko seine nächsten Aufgaben ins Visier. In wenigen Tagen kann er in Kiew das Bundesverdienstkreuz entgegennehmen, daß man ihm wegen seines Beitrags zu den deutsch-ukrainischen Beziehungen verleiht.

30. Mai 2010