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PROFI/482: Felix Sturm ließ Sebastian Sylvester keine Chance (SB)


Klarer Punktsieg dank überlegener Technik und Taktik


In der mit 9.200 Zuschauern ausverkauften Arena in Oberhausen ließ Weltmeister Felix Sturm dem Pflichtherausforderer Sebastian Sylvester keine Chance und verteidigte den Titel der World Boxing Association (WBA) im Mittelgewicht durch einen souverän herausgearbeiteten Punktsieg (118:110, 118:110, 119:109). Im ersten Kampf zweier deutscher Boxer um eine Weltmeisterschaft seit dem Duell zwischen Dariusz Michalczewski und Graciano Rocchigiani vor acht Jahren dominierte der Leverkusener von Beginn an mit seiner starken linken Führhand und einer hohen Schlagfrequenz, der sein Gegner nichts Ebenbürtiges entgegenzusetzen hatte. In einem intensiv geführten Gefecht setzte der technisch bessere Titelverteidiger seine Vorteile konzentriert um und lag zur Hälfte des Kampfes bereits klar in Führung. Sylvester gelang es nur selten, die geschlossene Deckung des Leverkuseners zu durchbrechen, woran sich bis zum Ende des Kampfs nichts mehr änderte.

Der 29 Jahre alte Champion aus dem Universum-Boxstall feierte seinen 31. Sieg im 34. Profikampf. Für ihn war es bereits die fünfte Verteidigung des WBA-Titels und der elfte Weltmeisterschaftskampf seiner Karriere. Hingegen mußte der Greifswalder aus dem Berliner Wiking-Team, der erstmals gegen einen Weltmeister antrat, die dritte Niederlage im 32. Profikampf einstecken.

Sylvester räumte die Überlegenheit Sturms unumwunden ein: "Er hat geboxt wie ein Weltmeister. Respekt, er hat unglaublich Druck gemacht." Der Sieger gab das Kompliment zurück: "Ich respektiere Sebastian für seine Leistung, er war besser als ich gedacht habe", sagte der Leverkusener. "Das Wichtigste war, daß wir eine gute Leistung geboten haben. Hier haben zwei deutsche Mittelgewichtler einen Kampf auf Top-Niveau gezeigt. So etwas brauchen wir öfter und nicht nur alle acht Jahre."

Angesichts der heftigen Kontroverse im Vorfeld war die Stimmung in der Arena angeheizt. Frenetischer Jubel und wütende Pfiffe lösten einander ab, je nachdem, wer gerade auf dem großen Videowürfel zu sehen war. Das Ergebnis des Kampfs war jedoch so eindeutig, daß weitere Anwürfe keinen Sinn gemacht hätten. Felix Sturm ließ sich in allen vier Ringecken auf den Seilen stehend feiern, umarmte Trainer Michael Timm samt allen Betreuern und genoß seinen Triumph. Der geschlagene Herausforderer Sebastian Sylvester zog sich sichtlich gezeichnet und enttäuscht mit seiner Entourage zurück.

Nach dem Kampf spielten die verbalen Auseinandersetzungen der zurückliegenden Wochen, in denen die beiden aus ihrer gegenseitigen Abneigung keinen Hehl gemacht und einander Arroganz und Dummheit vorgeworfen hatten, keine Rolle mehr. "Was im Vorfeld geredet wurde, ist nicht so wichtig. Ich denke, wir haben persönlich nichts gegeneinander, auch wenn wir keine dicken Kumpels mehr werden", erklärte der alte und neue Weltmeister.

Promoter Klaus-Peter Kohl bescheinigte seinem Boxer Weltklasse: "Er kann jeden schlagen, auch Arthur Abraham." Nach Punkten sei Sturm vom IBF-Weltmeister aus dem Sauerland-Boxstall nicht zu besiegen, doch sei bei einem Puncher wie Abraham natürlich ein K.o. drin. "Sturm gegen Abraham - das ist das reizvollste Duell überhaupt." Zugleich bezweifelte Kohl wie auch Sauerland-Sportchef Hagen Doering, daß dieser Kampf zu finanzieren ist. Der Leverkusener erhielt für seinen Auftritt gegen Sylvester eine Börse von 1,6 Millionen Euro. Bei einem Duell der Weltmeister würde sich wohl keiner der beiden mit weniger als drei Millionen Euro zufriedengeben. "Einer von uns verliert ja seinen Titel, da fordert man schon Summen, die man sonst nicht bekommt", erklärte der Leverkusener, wobei für Abraham natürlich dasselbe gilt. Von den hohen Gagen abgesehen wäre auch eine Kontroverse der beiderseitigen Fernsehpartner ZDF (Kohl) und ARD (Sauerland) um die Übertragungsrechte nicht zu vermeiden.

Felix Sturm beurteilte die Lage sachlich: "Ich boxe jeden Mann, der zur Verfügung steht." Er würde gern gegen Abraham antreten, doch realistischer sei ein Kampf in den USA gegen Kelly Pavlik, den Weltmeister der Verbände WBC und WBO: "Arthur und ich, wir stehen jederzeit für diesen Kampf zur Verfügung." In der kommenden Woche verteidigt Arthur Abraham seinen Titel in Bamberg gegen Raul Marquez.

Bei der eindrucksvollen Titelverteidigung Felix Sturms triumphierte der überlegene Techniker über den Kämpfer. Dabei bot Sebastian Sylvester durchaus eine starke Leistung, steckte zahlreiche harte Treffer weg und gab nie auf, obgleich er mit steigender Rundenzahl nach Punkten hoffnungslos im Rückstand lag und nur selten an den Gegner herankam. Eigentlich hatte man erwartet, daß der Herausforderer Druck machen und seinen Gegner durch den Ring treiben würde, um ihn zu stellen. Doch Sturm und sein Trainer Michael Timm hatten eine überraschende Taktik ausgearbeitet, die den Greifswalder überforderte und nicht zum Zuge kommen ließ. Mit seiner harten Linken und einer hervorragenden körperlichen Verfassung diktierte Sturm das Ringgeschehen und war an diesem Abend von dem Herausforderer nicht zu schlagen. Beiden Boxern gebührt Anerkennung für einen hochklassigen und attraktiven Kampf, der einmal mehr unterstrichen hat, daß die einseitige Fixierung auf das oftmals unansehnliche Schwergewicht der qualitativen Entwicklung des Profiboxens nicht gerecht wird.

In einem weiteren Titelkampf der Veranstaltung in Oberhausen verteidigte Weltmeister Sergej Dsindsiruk aus dem Universum-Boxstall seinen WBO-Gürtel im Superweltergewicht durch einen einstimmigen Punktsieg erfolgreich gegen den starken Kolumbianer Joel Julio (116:112, 116:112, 117:111). Der 32jährige Ukrainer blieb damit auch in seinem 36. Profikampf ungeschlagen.

2. November 2008