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MELDUNG/2354: Weltergewicht - harte Nüsse knacken ... (SB)



Errol Spence (IBF) mißt sich mit Shawn Porter (WBC)

Am 28. September kommt es in Los Angeles zu einem Kampf zweier Weltmeister im Weltergewicht zwischen Errol Spence (IBF) und Shawn Porter (WBC). Bei dem von Fox Sports im Pay-TV übertragenen Auftritt im Staples Center steigt der 29jährige Spence aus Desoto in Texas als Favorit mit dem zwei Jahre älteren Gegner aus Las Vegas in den Ring. Er ist in 25 Kämpfen ungeschlagen, während Porter mit 30 Siegen, zwei Niederlagen sowie einem Unentschieden aufwarten kann. Der IBF-Champion will sich den zweiten Gürtel in dieser Gewichtsklasse holen, um dann Manny Pacquiao vor die Fäuste zu bekommen, der den Titel der WBA hält. Der Philippiner hat zumindest angekündigt, er werde aller Voraussicht nach gegen den Sieger von Los Angeles antreten.

Ob es tatsächlich dazu kommt, bleibt abzuwarten, da er schon einmal eine Zusage nicht eingehalten hat, sich mit Spence zu messen. Nach dessen Sieg über Mikey Garcia stellte ihm der Philippiner einen Kampf in Aussicht, doch zog er es dann vor, am 20. Juli gegen Keith Thurman anzutreten, um ihm den WBA-Gürtel abzunehmen. Daran ist für sich genommen nichts falsch, zumal dabei ein spannender und hochklassiger Kampf geboten wurde. Unerfreulich war nur, daß Pacquiao sein Versprechen nicht einlöste, das er Errol Spence gegeben hatte.

Shawn Porter von den Beinen zu holen, wird nicht einfach sein, da der WBC-Weltmeister eine Menge einstecken und sich gut bewegen kann. Spence gebietet über eine enorme Schlagwirkung, mit der er den Gegner vor allem bei Körpertreffern zu Boden schicken kann. Er wird jedoch vorher viel Druck machen müssen, um Porter in die Enge zu treiben, der zuletzt beim Sieg über Yordenis Ugas eine bislang weitgehend unbekannte Seite seines Könnens entfaltete, indem er ständig auswich und aus der Distanz boxte. Da Shawn Porter gegen Keith Thurman und Kell Brook verloren hat, ist er definitiv Außenseiter im kommenden Kampf. Außerdem hat er gegen Ugas nicht gerade Bäume ausgerissen, so daß am Ende die Meinungen geteilt waren, ob er tatsächlich den Sieg verdient hatte. Bereitet ihm schon ein solcher Gegner Probleme, sieht es gegen Errol Spence finster aus.

Shawn Porter gilt als Boxer, der mit allen erdenklichen und nicht selten unsauberen Mitteln auf den Gegner losgeht, um ihn niederzumachen. Diese aufwendige Kampfesweise hatte lange recht gut funktioniert, setzt aber eine körperliche Frische und Schnelligkeit voraus, die Porter allmählich abhanden zu kommen scheint. Daß ihn Spence einen schmutzigen Boxer nennt, muß er sich wohl gefallen lassen, da dies schlichtweg den Tatsachen entspricht. Daß er gegen Ugas auf eine andere Karte gesetzt hat, macht ihn noch nicht zum brillanten Techniker.

Spence hat im Laufe seiner sieben Jahre währenden Profikarriere in aller Regel von seiner Größe und Schlagwirkung profitiert, wenn es galt, den Gegner vorzeitig zu besiegen. Daß er auch ganz anders boxen und einen Kampf aus der Distanz für sich entscheiden kann, zeigte er zuletzt gegen Mikey Garcia. Obgleich alle Welt erwartet hatte, daß er den körperlich unterlegenen Aufsteiger aus dem Leichtgewicht buchstäblich überrollen würde, boxte er ihn über zwölf Runden nach allen Regeln der Kunst aus. Lediglich in der neunten und zehnten Runde griff er auf seine übliche Vorgehensweise zurück und setzte Garcia mit mächtigen Schlägen zu. In dieser Phase zeichnete sich ab, daß er durchaus in der Lage gewesen wäre, auf diese Weise vorzeitig zu gewinnen. Er zog es jedoch vor zu demonstrieren, daß er nicht nur körperlich überlegen, sondern auch in technischer Hinsicht Herr im Ring war, was sein Gegner auf deprimierende Weise zu spüren bekam.

Im Kampf gegen Shawn Porter muß sich Spence auf unterschiedliche taktische Marschrouten des Kontrahenten einstellen, der gerade als Außenseiter um so mehr mit überraschenden Varianten aufwarten wird. Der WBC-Weltmeister wird sich kaum darauf verlegen, ausschließlich in altvertrauter Manier ständig Druck zu machen, um seinen Gegner auf brachiale Weise zu bezwingen. Wenngleich dies sein Metier ist und er nicht gerade durch technische Finessen zu glänzen pflegt, um es einmal milde auszudrücken, kann er im Zweifelsfall doch auch aus der Distanz boxen, um nicht ständig getroffen zu werden. [1]

Auch Errol Spence wird variabel zu Werke gehen, wie er das in seinen letzten beiden Kämpfen gegen Lamont Peterson und Mikey Garcia gezeigt hat. In beiden Fällen verlegte er sich über weite Strecken auf technisches Boxen und griff nur phasenweise mit geballter Wucht an. Gegen Peterson reichte eine aggressive fünfte Runde, um ein derart klares Zeichen zu setzen, daß die Ecke seines Gegners zwei Durchgänge später ihren Boxer aus dem Kampf nahm, weil er offensichtlich kein Land mehr sah. Warum Spence nach dem Niederschlag in der fünften Runde nicht bedingungslos nachlegte, um Peterson schachmatt zu setzen, dürfte wohl darauf zurückzuführen sein, daß er sich weiterentwickeln will. Er begnügt sich nicht damit, seine vorhandenen Stärken durchzusetzen, sondern lernt bislang laufend dazu.

Wenngleich Spence seinen aktuellen Gegner nicht auf die leichte Schulter nimmt, denkt er doch über den Tag hinaus und strebt perspektivisch einen Kampf gegen Saul "Canelo" Alvarez an, dem er sich sogar im Mittelgewicht stellen würde. Er wolle noch drei Auftritte im Weltergewicht geben und dann ins Halbmittelgewicht aufsteigen. Zunächst nimmt er die Weltmeister Shawn Porter (WBC), Manny Pacquiao (WBA) und Terence Crawford (WBO) in der Hoffnung aufs Korn, alle vier maßgeblichen Titel im Weltergewicht zusammenzuführen. Sollte ihm das gelingen, was ihm durchaus zuzutrauen ist, könnte er sich auf die Jagd nach dem mexikanischen Superstar machen.

Er hat keine Angst vor der körperlichen Überlegenheit "Canelos", da dieser erfahrungsgemäß zu Konditionsproblemen neigt. Gegen Austin Trout, in beiden Kämpfen gegen Gennadi Golowkin und zuletzt gegen Daniel Jacobs im Mai baute er in der zweiten Hälfte spürbar ab und büßte den zuvor herausgearbeiteten Vorsprung mehr oder minder ein. Wenn es am Ende knapp wurde, halfen die Punktrichter aus, die ihn in Las Vegas nicht verlieren lassen. Damit müßte auch Errol Spence rechnen, der vermutlich nur durch einen Niederschlag gewinnen könnte, nach dem der Mexikaner nicht mehr rechtzeitig auf die Beine kommt. Das ist jedoch außerordentlich schwer, weil "Canelo" nicht nur einiges einstecken, sondern auch Schlägen sehr geschickt ausweichen und blitzschnell kontern kann. Um ihn überhaupt zu treffen, fahren die meisten Gegner die Wucht ihrer Schläge herunter. Damit schneiden sie sich jedoch ins eigene Fleisch, da "Canelo" in der Folge die härteren Treffer ins Ziel bringt und damit die Punktrichter beeindruckt. [2]

Der Mexikaner macht demnächst sogar einen Abstecher ins Halbschwergewicht, wo er dem Russen Sergej Kowaljow den WBO-Titel abnehmen will. In dieser Gewichtsklasse bleiben wird er indessen auf keinen Fall, da er den anderen drei Weltmeistern absehbar nicht gewachsen ist. Kehrt er ins Mittelgewicht zurück, gehen ihm die namhaften Gegner aus, so daß Errol Spence interessant für ihn werden könnte. Zunächst aber stehen dem Texaner andere anspruchsvolle Aufgaben ins Haus. Der unbequeme Shawn Porter, der wiedererstarkte Manny Pacquiao und der ungeschlagene Techniker Terence Crawford stellen eine Kette harter Nüsse dar, die außer ihm wohl kein anderer Akteur im Weltergewicht knacken könnte.

Das meiste Geld brächte natürlich der Philippiner mit, der längst eine Legende des Boxsports ist. Die entscheidende Frage dürfte in diesem Fall wohl sein, ob es sich Pacquiao kurz vor Ende seiner Karriere wirklich noch einmal antun will, mit einem derart gefährlichen Gegner wie Spence in den Ring zu steigen. Demgegenüber war Keith Thurman die leichtere Beute, der nicht mehr so stark wie in früheren Jahren agieren konnte. Ein Kampf gegen Crawford sollte problemlos auf die Beine zu stellen sein, da er selber wie auch sein Promoter Bob Arum von Top Rank dies wünscht. Terence Crawford ist ein hervorragender Boxer, aber noch immer kein großer Star und beim Publikum nicht allzu beliebt. Er war Weltmeister zweier Verbände im Halbweltergewicht und ist nun WBO-Champion im Weltergewicht, doch sind in der Liste seiner Gegner nur sehr wenige Rivalen der höchsten Kategorie zu finden. Arum hat ihn mit lösbaren Aufgaben durchgefüttert, um ihn ungeschlagen zu halten, was Crawford insofern nicht nötig gehabt hätte, als er seine Gegner auf höchstem Niveau ausmanövrieren kann. So anspruchsvoll diese Kampfesweise auch sei mag, kommt sie doch beim US-Publikum überhaupt nicht gut an, das so etwas auf Dauer schlichtweg langweilig findet und den heftigen Schlagabtausch allemal vorzieht, zumal wenn er in einen Niederschlag mündet. Für Errol Spence wäre das ein nicht sonderlich lukrativer und zugleich der schwierigste Schlußpunkt im Weltergewicht, dem er jedoch erklärtermaßen nicht aus dem Weg gehen kann und will, geht es doch um die letztgültige Klärung der aktuellen Vorherrschaft im Weltergewicht. Das wäre denn wohl ein endgültiger Durchbruch zum Megastar wie seinerzeit der Sieg Floyd Mayweathers über Oscar de la Hoya, zieht Errol Spence einen ambitionierten Vergleich.


Fußnoten:

[1] www.boxingnews24.com/2019/09/errol-spence-on-shawn-porter-im-knocking-him-out-cold/

[2] www.boxingnews24.com/2019/09/errol-spence-on-fighting-canelo-alvarez-he-tires-out/

27. September 2019


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