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MELDUNG/2349: Schwergewicht - Faxen ohne Ende ... (SB)



Revanche zwischen Wilder und Fury Ende Februar 2019

Deontay Wilder und Tyson Fury tragen ihre Revanche am 22. Februar 2019 in Las Vegas aus. Um diesem Spektakel keine unverhofften Steine in den Weg zu legen, müssen beide zuvor ihren nächsten Auftritt erfolgreich über die Bühne bringen. Dabei dürfte der 31jährige Brite vergleichsweise leichtes Spiel haben, da er am 14. September in der T-Mobile Arena in Las Vegas auf Otto Wallin trifft. Fury, für den 28 Siege und ein Unentschieden zu Buche stehen, gilt als haushoher Favorit im Kampf gegen den in 20 Auftritten ungeschlagenen Schweden, der an Nummer vier der WBA-Rangliste geführt wird, aber bislang keine namhaften Gegner vor den Fäusten gehabt hat. Eine wesentlich härtere Nuß muß der WBC-Weltmeister aus Tuscaloosa in Alabama knacken, wenn er am 23. November ein zweites Mal auf den gefährlichen Kubaner Luis Ortiz trifft. Wilder hat 41 Kämpfe gewonnen, dabei 40 Gegner vorzeitig besiegt und einmal unentschieden gegen Fury gekämpft. Ortiz, der mit 31 Siegen und einer Niederlage aufwarten kann, verlangte ihm bei ihrem ersten Aufeinandertreffen im März 2018 alles ab.

Bei ihrem damaligen Gefecht im Barclays Center in Brooklyn wogte das Geschehen lange hin her, da beide schwere Treffer landen konnten. Der Kubaner kam in der siebten Runde mit einer wuchtigen Linken durch, die den Champion an den Rand eines Niederschlags brachte. Als der Herausforderer schließlich in der neunten Runde Konditionsprobleme bekam, mußte er eine gewaltige Rechte Wilders einstecken, der ihn dann im folgenden Durchgang zweimal zu Boden schickte und den Kampf vorzeitig gewann. Daß der US-Amerikaner abermals mit diesem hochklassigen Kontrahenten in den Ring steigt, zeugt von seiner Entschlossenheit, sich mit den besten Rivalen in der Königsklasse zu messen und nicht etwa auf Schleichwegen an der Spitze zu behaupten.

Als Wilder und Fury im letzten Dezember ihren ersten Kampf in Los Angeles gegeneinander austrugen, endete dieser mit einem Unentschieden (115:111, 112:114, 113:113). Wenngleich der Brite eine sehr viel bessere Figur als erwartet machte und mit seinen harmlosen, aber zahlreicheren Schlägen punkten konnte, brachte der Weltmeister durchweg die härteren Treffer ins Ziel und schickte den Gegner in der neunten und zwölften Runde auf die Bretter. Als der Brite im letzten Durchgang bewußtlos am Boden lag, hätte der erfahrene Ringrichter Jack Reiss den Kampf durchaus abbrechen können. Er zählte den Herausforderer jedoch an, bis dieser gegen alle Erwartung wieder aufstand. Daraufhin prüfte der Referee zunächst, ob Fury tatsächlich kampfbereit sei, und verschaffte ihm dadurch eine zusätzliche Erholungspause, worauf es dann bis zum Schlußgong weiterging. Während das Lager des Briten hinterher behauptete, Fury sei der wahre Sieger gewesen, verhielt es sich doch eher umgekehrt, da er letzten Endes nur mit sehr viel Glück, wenngleich auch überraschenden Nehmerqualitäten, ungeschoren davongekommen war.

Das Unentschieden schrie jedenfalls nach einer Revanche, die zunächst für Mai angepeilt wurde. Dann grätschte jedoch Bob Arum dazwischen, der Fury als Co-Promoter einen Vertrag bei Top Rank verschaffte und die Regie seiner Kämpfe übernahm. Die neue Strategie sah vor, den Rückkampf gegen Wilder noch einige Zeit reifen zu lassen und den Briten mit zwischenzeitlichen Auftritten beim US-Publikum bekannter zu machen. Um kein Risiko einzugehen, wurde der Deutsche Tom Schwarz als Gegner verpflichtet, dem Fury im Juni bereits in der zweiten Runde das Nachsehen gab. Auch der 28 Jahre alte Otto Wallin wird auf diesem recht niedrigen Niveau angesiedelt, so daß auf der Hand liegt, mit welcher Vorgehensweise Bob Arum beabsichtigt, Tyson Fury bis zum einträglichen Showdown mit Wilder im Geschäft zu halten. Daß er sich mit Siegen über weithin unbekannte Gegner einen Namen in den USA macht, ist zwar eher nicht anzunehmen, doch eröffnet sich ihm dadurch reichlich Gelegenheit, mit regelmäßigen Stellungnahmen in den sozialen Medien wie auch in Interviews Werbung in eigener Sache zu machen. [1]

Der Sender ESPN, mit dem Top Rank zusammenarbeitet, bietet dem Briten eine Plattform, seine Sichtweise der Dinge beständig unters Volk zu bringen. Der versteift sich inzwischen auf die recht abwegige These, man habe ihn im letzten Dezember um den verdienten Sieg betrogen, weil der US-Amerikaner vor heimischem Publikum und ihm gewogenen Punktrichtern bevorteilt worden sei. Deshalb bleibe ihm als Gast nichts anderes übrig, als bei der Revanche mit einem Niederschlag für klare Verhältnisse zu sorgen. Zwar habe Deontay Wilder im Laufe seiner Karriere mit außergewöhnlichen Leistungen überzeugt, doch wenn es der Amerikaner nicht einmal schaffe, einen Gegner zu besiegen, der drei Jahre lang Mißbrauch mit seinem Körper getrieben habe, werde ihm das um so weniger gelingen, sofern sich dieser Kontrahent in noch bessere Verfassung als bei ihrer ersten Begegnung gebracht hat. Noch habe niemand den besten Tyson Fury erlebt, rühmt sich der Brite seiner Fähigkeit, Wiederauferstehung zu feiern.

Tatsächlich hätte wohl niemand für möglich gehalten, daß der von psychischen Problemen gequälte, Suchtmittel konsumierende und zwischenzeitlich auf 180 Kilo geschätzte Riese jemals wieder auf höchstem Niveau in den Ring zurückkehren würde. Auch einige erfolgreiche Vorbereitungskämpfe gegen ausgesucht schwache Gegner brachten die Zweifel nicht zum Verstummen, da man Fury im Kampf gegen Wilder ein Debakel prophezeite. Daß dann ein Unentschieden dabei heraussprang, grenzte durchaus an ein Wunder, das man als nicht für möglich gehaltene Großtat des Briten würdigen muß. Andererseits darf man auch nicht unterschlagen, daß Fury mit seiner Größe von 2,06 m und seinem ständigen weiten Auspendeln ein unangenehmer Gegner ist, an den man nur sehr schwer herankommt. Das bekam seinerzeit Wladimir Klitschko zu spüren, der wie paralysiert abwartete und nicht wußte, wie er Fury treffen könnte, der völlig unorthodox herumfuhrwerkte.

Bekannt ist auch, daß der Brite für seine Größte nur über geringe Schlagwirkung verfügt, die zwar für einen schwachen und statisch agierenden Gegner, nicht aber für Deontay Wilder reicht. Wenngleich ein Glückstreffer natürlich nie auszuschließen ist, dürfte es für Fury so gut wie unmöglich sein, den WBC-Weltmeister vorzeitig zu besiegen. Deshalb bleibt ihm auch bei der Revanche nichts anderes übrig, als sich ständig umherzubewegen, auszupendeln und dennoch möglichst viele Schläge ins Ziel zu bringen, die Eingang in die Punktwertung finden, auch wenn sie Wilder nicht beeindrucken. Da der US-Amerikaner mit 2,01 m aber nicht viel kleiner ist, läuft Fury große Gefahr, von der gefürchteten Rechten des WBC-Champions getroffen zu werden.

Wilder brachte früher vor seinen Kämpfen stets unter 100 kg auf die Waage, da er für einen Schwergewichtsboxer seiner Größe von ausgesprochen schlanker und athletischer Gestalt ist. Dennoch schlug er so gewaltig zu, daß er sich mehrfach die Hand am Schädel eines Gegners brach, sofern dieser wie etwa Bermane Stiverne in ihrem ersten Kampf von außergewöhnlicher Standfestigkeit war. Zuletzt hat Wilder etwas Gewicht zugelegt, was Dominic Breazeale zu spüren bekam, da der WBC-Champion offenbar noch wirkungsvoller als zuvor schlagen kann.

Daß es um seine Chancen folglich nicht zum besten bestellt ist, will Tyson Fury dennoch nicht gelten lassen. Wohl könne im Schwergewicht ein einziger Schlag über Sieg oder Niederlage entscheiden, doch werde ihn Wilder nicht noch einmal so erwischen wie im letzten Dezember, verkündet der Brite. Gelinge es ihm, einen solchen Zufallstreffer zu vermeiden, werde er den Amerikaner spielend leicht besiegen. Da er nicht von einem fairem Spielfeld ausgehen und in den USA kaum nach Punkten gewinnen könne, wolle er Wilder geschlagen auf die Bretter schicken. Zu diesem Zweck modifiziere er seine Kampfesweise und werde den WBC-Champion genauso schnell abfertigen wie zuletzt Tom Schwarz. Vor diesem Kampf habe ihm sein Trainer Ben Davison geraten, es ruhig angehen zu lassen und Ringpraxis zu sammeln. Das wäre jedoch auf eine langweilige Darbietung hinausgelaufen, da er ständig getroffen, sein Gegner hingegen nur Löcher in die Luft geschlagen hätte. Also habe er beschlossen, dem Publikum in Las Vegas etwas zu bieten und kurzen Prozeß zu machen, behauptet Fury.

Mit dieser Version unterschlägt der Brite jedoch, daß ihn der als krasser Außenseiter gehandelte Tom Schwarz in der ersten Runde beherzt angriff und mehrfach traf. Hätte Fury nicht zurückgeschlagen, wäre er in Bedrängnis geraten und mit seinem auf ständige Fluchtmanöver ausgelegten Stil womöglich gegen die Wand gefahren. Das dürfte der entscheidende Grund gewesen sein, warum er gleich in der zweiten Runde auf den Deutschen losging und ihn niederwalzte, was angesichts eines ausgesprochen unbeweglichen Ziels denn doch leicht möglich war. Ginge der Brite gegen Wilder genauso vor, läge er höchstwahrscheinlich sehr viel früher auf der Matte als im letzten Dezember.

Um das Offensichtliche in einem Nebel hochtrabender Worte zu verschleiern, erinnert der Brite an Wladimir Klitschko, der immer nur seinen Jab geschlagen habe und damit quälend langweilig, aber jahrelang erfolgreich gewesen sei. Auch er selber sei unbesiegbar, wenn er seinen Stil durchziehe, doch um die Sache spannender zu machen, gehe er jetzt zu einer durchmischteren Vorgehensweise über. Renommierte Trainer wie Emanuel Steward hätten ihm versichert, daß kaum jemand derart hart zuschlage wie er. Da könne man jeden fragen, bei dem er zum Sparring ausgeholfen habe. Er ziehe es jedoch vor, nicht mit voller Wucht, sondern lieber schnell und präzise zu schlagen. Ändere er jedoch seine Taktik, schlage er so wirkungsvoll, wenn nicht noch härter als jeder andere Schwergewichtlicher der Welt, redet sich Fury in Rage. [2]

Man könnte nun aufzählen, daß Tyson Fury keinesfalls so hart wie Deontay Wilder, Luis Ortiz, Anthony Joshua, Joseph Parker, Dillian Whyte, Daniel Dubois oder zwischen 15 und 20 weitere Schwergewichtsboxer schlägt. Es macht also überhaupt keinen Sinn, seine Worte auf die Goldwaage zu legen, als ginge es ausschließlich oder auch nur vordringlich darum, sie zu verifizieren oder als unzutreffend zu verwerfen. Der Brite macht mit seinem losen Mundwerk in erster Linie Werbung für sich selbst, aber zugleich auch für seinen künftigen Kampf mit Wilder, und ist dabei für einen raschen Wechsel zwischen plausibel anmutenden Einschätzungen und aberwitzigen Thesen jederzeit zu haben. Dabei ist Fury kein Showtalent und mit allen Wassern gewaschener Geschäftsmann vom Schlage eines Floyd Mayweather, sondern eher von oszillierendem Naturell, das mit vollmundigen Sprüchen, Provokationen und kindischen Einlagen hervorbricht, dann wieder mit einsichtigen Erklärungen, selbstkritischen Äußerungen und fast zugewandten Annäherungsweisen verblüfft. Daher dürfte die Frage, was Tyson Fury von all seinen Einlassungen tatsächlich selber glaubt, von vornherein falsch gestellt sein, zumal er sie vermutlich gar nicht beantworten könnte. Das macht ihn immer wieder für eine Überraschung gut. Man erinnere sich daran, wie der auf Vernunft und Ordnung gebügelte Wladimir Klitschko zuletzt so verunsichert von den irrlichternden Einlagen Furys zu sein schien, daß er nur noch konsterniert herumstand, als Fury seine Faxen schließlich im Ring boxend fortsetzte.


Fußnoten:

[1] www.boxingnews24.com/2019/08/tyson-fury-confirms-deontay-wilder-rematch-for-feb-22-in-las-vegas-nv/

[2] www.boxingnews24.com/2019/08/fury-predicting-he-kos-deontay-wilder-in-rematch/

20. August 2019


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