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MELDUNG/2344: Schwergewicht - abermals auf Titelkurs ... (SB)



Joseph Parker dominiert überforderten Veteranen Alex Leapai

Für den ehemaligen WBO-Weltmeister Joseph Parker aus Neuseeland war der überforderte australische Veteran Alex Leapai kaum mehr als ein Sparringspartner, an dem er sein Können demonstrieren konnte. Ihr Kräftemessen im Schwergewicht, das in Providence, Rhode Island, über die Bühne gimg und vom Streamingdienst DAZN übertragen wurde, zog sich bis in die zehnte Runde hin, worauf Ringrichter Ricky Gonzalez schließlich intervenierte und den ungleichen Kampf nach 2:18 Minuten für beendet erklärte. Parker traf den unbeweglichen Kontrahenten von Beginn an fast nach Belieben, weshalb ein früher Abbruch in der Luft zu liegen schien. Der Außenseiter hielt jedoch noch lange durch, ohne dem Neuseeländer jemals gefährlich zu werden. Zur Ehrenrettung von Parkers neuem Promoter Matchroom Boxing USA muß man indessen anführen, daß ursprünglich der stärker einzuschätzende Eric Molina als Gegner vorgesehen war, der jedoch wegen einer Verletzung kurzfristig absagen mußte. Während der 27jährige Neuseeländer seine Bilanz auf 26 gewonnene und zwei verlorene Auftritte ausbaute, stehen für den zwölf Jahre älteren Australier nunmehr 32 Siege, acht Niederlagen sowie vier Unentschieden zu Buche. [1]

Parker stellte jedenfalls unter Beweis, warum er es vordem zum Champion im Schwergewicht gebracht hatte. Er griff unverzüglich behende und druckvoll an, schien allerdings selbst überrascht zu sein, wie leicht er den Gegner traf. Leapei beschränkte sich größtenteils darauf, hinter seinen Handschuhen in Deckung zu gehen und die Schläge abzublocken. Nur dann und wann erwiderte er die Angriffe des Neuseeländers mit wilden Schwingern, die mitunter sogar ihr Ziel fanden. Parker wurde einige Male sauber am Kinn getroffen, steckte diese Treffer aber bemerkenswert unbeeindruckt weg und revanchierte sich umgehend mit wuchtigen Schlägen. In der zehnten Runde versetzte der Favorit dem Kontrahenten sechs Treffer in Folge, die unbeantwortet blieben, so daß der Referee gut beraten war, einzugreifen und Leapei vor Schlimmerem zu bewahren. Laut der Statistik von CompuBox hatte Parker bis zu diesem Zeitpunkt 198 Schläge ins Ziel gebracht, Leapei hingegen lediglich 42, was die haushohe Überlegenheit des Neuseeländers bestätigt.

Einen Gegner von dessen Format hatte der Australier zuletzt 2014 vor den Fäusten gehabt, als er auf Wladimir Klitschko traf. Der Ukrainer boxte damals auf dem Höhepunkt seines Könnens und schickte Leapei in der fünften Runde auf die Bretter. Parkers Kampfesweise ließ durchaus Ähnlichkeiten zu Klitschkos damaligem Auftritt erkennen, da er schnell und präzise schlug, aber auch Gegentreffer problemlos wegsteckte. In dieser Verfassung könnte der Neuseeländer auch gegen Andy Ruiz eine gute Figur machen, den er 2016 als einziger Profiboxer schon einmal besiegt hat. Allerdings kam ihm beim Kampf um den damals vakanten WBO-Titel der Heimvorteil zugute, und so neigten viele Experten im Gegensatz zu den Punktrichtern dazu, dem Gast aus den USA bei der knappen Wertung den Zuschlag zu geben. Sollte Ruiz auch bei der noch vor Ende des Jahres geplanten Revanche gegen den von ihm entthronten Briten Anthony Joshua die Oberhand behalten und Weltmeister bleiben, wäre ein zweites Duell mit Joseph Parker sicher eine attraktive Option. [2]

Der Neuseeländer wollte sich bei seinem Auftritt im Dunkin' Donuts Center für einen Titelkampf empfehlen, was ihm trotz des unbeweglichen, aber robusten Kontrahenten durchaus gelang. Es war der erste Auftritt unter der Regie Eddie Hearns, mit dem zwei weitere Kämpfe vertraglich vereinbart sind. Parker dürfte mit dieser Entscheidung natürlich vor allem die Perspektive verbunden haben, möglichst schnell eine Revanche gegen Anthony Joshua zu bekommen. Wenig später verlor der Brite jedoch am 1. Juni seine drei Titel völlig überraschend an Andy Ruiz, der weithin unterschätzt worden war und nicht zufällig gewann.

Parker hatte 2018 im Kampf zweier Weltmeister gegen Joshua nach Punkten verloren und die erste Niederlage seiner Karriere bezogen. Viele Beobachter waren damals der Auffassung, daß der Ringrichter den Neuseeländer benachteiligt hatte, da er ihn systematisch daran hinderte, dem Publikumsliebling zu nahe zu kommen. Dadurch konnte Joshua seine Reichweitenvorteile ausspielen und behielt die Oberhand. In der Folge mußte sich Parker auch Dillian Whyte geschlagen geben, der ebenfalls bei Matchroom Boxing unter Vertrag steht und vom Referee begünstigt wurde. Whyte durfte sich ungestraft zahllose Regelwidrigkeiten erlauben, ohne die er schwerlich den Kampf für sich entschieden hätte. Gleich ob Kopfstöße, Nackenschläge, Halten und Schlagen oder andere unzulässigen Aktionen, selbst ein angeblich regulärer Niederschlag in der zweiten Runde erwies sich in der Zeitlupe zweifelsfrei als Kopfstoß. Wenngleich natürlich auch ein Unparteiischer einen schlechten Tag haben kann, mutet doch seltsam an, daß Parker bei zwei derart wichtigen Gastspielen auf britischem Boden in Folge so eklatant benachteiligt wurde.

Der aus Auckland stammende und in Las Vegas trainierende Gast war indessen klug und großzügig genug, seine offenkundige Benachteiligung nicht durch eine berechtigte, aber nutzlose Klage zum Thema zu machen. Es sei eine großartige Gelegenheit gewesen, abermals in England anzutreten. Whyte habe stark gekämpft und verbessere sich laufend weiter, wofür er ihm allen Respekt zolle, erklärte der Neuseeländer vielmehr. Da er nirgendwo sonst derart hochkarätige und lukrative Auftritte bekommen kann, neigt er verständlicherweise dazu, es sich mit Eddie Hearn und den britischen Fans nicht zu verscherzen. Wie sich zeigen sollte, war dies zugleich seine Eintrittskarte für Matchroom Boxing, dessen Promoter über großen Einfluß auf der Insel verfügt und sich dank eines Zehnjahresvertrags mit dem Streamingdienst DAZN, der dem Vernehmen nach mit bis zu einer Milliarde Dollar dotiert ist, auch in den USA etabliert.

Da Leapai ein statisches Ziel bot, konnte Parker sein Repertoire an ihm abarbeiten, zumal der Australier Dutzende schwere Treffer einsteckte, ohne zu Boden zu gehen. Uppercuts, Körperschläge und rechte Gerade, dazu Kombinationen und Angriffe aus wechselnden Vektoren, und das alles in flottem Tempo ohne größere konditionelle Einbrüche, zeugten von den Qualitäten des Neuseeländers. Er habe ein halbes Jahr nicht mehr im Ring gestanden und mehr Runden als erwartet gebracht, räumte Parker in einer ersten Stellungnahme nach seinem Erfolg ein. Leapei habe aber auch einen verdammt harten Schädel. Jedenfalls freue er sich über seinen Vertrag mit Matchroom und auf weitere gute Auftritte in der nahen Zukunft. Er wolle keine längeren Pausen mehr einlegen, sondern jeden Kampf annehmen, der sich ihm biete. Andy Ruiz sei davon überzeugt, bei ihrem ersten Aufeinandertreffen gewonnen zu haben. Wünsche er eine Revanche, um die Sache aus seiner Sicht geradezurücken, sei er gern dazu bereit, im Ring für Klarheit zu sorgen, empfahl sich Joseph Parker für einen Titelkampf, ohne über Gebühr zu drängen. [3]


Fußnoten:

[1] www.boxingnews24.com/2019/06/andrade-vs-sulecki-live-fight-results-from-providence-ri/

[2] www.boxingnews24.com/2019/06/joseph-parker-beats-leapai-in-a-bruising-mismatch/

[3] www.espn.com/boxing/story/_/id/27084934/joseph-parker-stops-alex-leapai-wants-heavyweight-unified-titlist-andy-ruiz-jr-next

2. Juli 2019


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