Schattenblick → INFOPOOL → SPORT → BOXEN


MELDUNG/2343: Weltergewicht - Kopf an Kopf ... (SB)



Keith Thurman und Manny Pacquiao rüsten für ihr Duell

Während das spektakuläre Duell zwischen Keith Thurman und Manny Pacquiao am 20. Juli in Las Vegas näherrückt, gehen die Meinungen nach wie vor weit auseinander, wer von beiden die Oberhand behalten wird. Thurman, Superchampion der WBA im Weltergewicht, ist in 29 Kämpfen ungeschlagen. Für Pacquiao, den regulären Weltmeister der WBO, der Titel in acht Gewichtsklassen gewonnen hat, stehen 61 Siege, sieben Niederlagen sowie zwei Unentschieden zu Buche. Der US-Amerikaner ist elf Jahre jünger als der 41jährige Philippiner und deutlich größer, er verfügt über eine ausgesprochene Ringintelligenz und beträchtliche Schlagwirkung. Pacquiao schlägt schneller und ist agiler auf den Füßen, vor allem aber eine unverwüstliche Kämpfernatur. Da beide den Zenit ihres Könnens überschritten haben, was insbesondere für den Philippiner gilt, dürfte letzten Endes den Ausschlag geben, wer besser noch einmal jene Qualitäten mobilisieren kann, die ihn auf den Gipfel geleitet haben. Und natürlich wird auch die taktische Marschroute eine große Rolle spielen, da zwei hochklassige, aber sehr unterschiedliche Kampfesweisen aufeinandertreffen.

Trainer Robert Garcia geht davon aus, daß es für Thurman sehr schwer sein wird, sich optimal auf diesen Kampf vorzubereiten. Einen guten Linkshänder als Sparringspartner zu finden sei kein Problem, doch kenne er keinen, der den Philippiner auch nur annähernd simulieren könne. Selbst ein Ausnahmeboxer wie Wassyl Lomatschenko im Leichtgewicht, der zu den weltbesten Technikern gehört, agiere stationärer und mit geringerer Wucht. Pacquiao schlage so schnell und springe derart umher, daß er seinen Gegner aus ständig wechselnden Richtungen angreife. Thurman werde gar nicht erst versuchen, einen Niederschlag zu erzwingen, sondern sich darauf verlegen, seine physischen Vorteile zu nutzen und den Kontrahenten auszuboxen, wie dies ohnehin seine Stärke sei. Der WBA-Superchampion hat zwar schon etliche Gegner auf die Bretter geschickt, nicht jedoch überragende Rivalen wie Shawn Porter und Danny Garcia oder auch schwächere wie Josesito Lopez, Luis Collazo, Robert Guerrero, Jesus Soto Karass und Diego Chavez. Sich dem schnelleren Philippiner zum Schlagabtausch zu stellen, wäre sicher keine gute Idee, da Thurman allzu leicht Gefahr liefe, einem Volltreffer zum Opfer zu fallen. [1]

Bei seinem Sieg über Adrien Broner im Januar wirkte Manny Pacquiao längst nicht mehr so dominant wie vor Jahren, aber allen skeptischen Prognosen zum Trotz doch solide und entschlossen. Thurman, der nach langer Verletzungspause zuletzt auf Josesito Lopez traf, bekam von der siebten Runde an Probleme. Er boxte jedoch klug weiter und vermied den Schlagabtausch, so daß er sich erholen und den Kampf zu seinen Gunsten entscheiden konnte. Da Lopez als nicht allzu gefährlicher Aufbaugegner ausgesucht worden war, muß sich Thurman jedoch beträchtlich steigern, will er dem Philippiner Paroli bieten. Ob er jemals wieder die Qualität seiner Siege über Shawn Porter (2016) und Danny Garcia (2017) erreicht, ist ungewiß. Den Titel des WBC legte er im April 2018 nieder, nachdem er ihn aufgrund von Verletzungen an der Hand und am Ellbogen dreizehn Monate nicht mehr verteidigt hatte. Damit kam er einer drohenden Entscheidung des Verbands zuvor, ihm den Gürtel wegen anhaltender Inaktivität abzuerkennen.

Wie aus dem Trainingslager Pacquiaos verlautete, sei dieser ungewöhnlich aufgebracht und hege wachsenden Groll gegen Thurman. Der hatte bei einem Presseauftritt in Vorbereitung ihres Kampfs darauf Bezug genommen, daß der Philippiner als tief gläubiger Christ gilt, und angedroht, er werde ihn im Ring "kreuzigen". Während Pacquiao in der Öffentlichkeit gelassen darauf reagierte und lediglich erklärte, seine Fäuste würden eine angemessene Antwort darauf geben, soll ihn die Provokation nach Angaben aus seinem inneren Kreis doch verletzt und aufgebracht haben. Jedenfalls versicherte sein Konditionstrainer Just Fortune, er habe den Champion seit langem nicht mehr so wütend erlebt.

Pacquiaos Trainer Freddie Roach wird mit den Worten zitiert, er sei versucht, viel Geld auf den Sieg seines Boxers zu setzen, der seinen Killerinstinkt wiederentdeckt habe und alles daransetzen werde, diesen Kampf zu gewinnen. In der Vergangenheit schien der Philippiner eher dazu zu neigen, gerade wegen seines Glaubens den Gegner in gewisser Weise zu schonen. Diesmal, meint Roach, werde Pacquiao den Widersacher, der ihn in seinen religiösen Überzeugungen verletzt habe, nicht über die Runden kommen lassen. Tatsächlich hat der Philippiner seine größten Erfolge gefeiert, wenn er besonders aggressiv auf den Kontrahenten losgegangen ist. Allerdings bezog er in einer solchen Verfassung auch seine größte Niederlage, als er 2012 seinem Erzfeind Juan Manuel Marquez regelrecht in die Faust lief und bewußtlos zu Boden stürzte. Damals hatte er bereits drei Kämpfe gegen Marquez bestritten, der jedesmal erklärte, er sei benachteiligt worden. Im vierten Anlauf wollte Pacquiao ein für allemal klarstellen, daß er der bessere Boxer sei, was er auch fünf Runden lang unter Beweis stellte. Da er jedoch unbedingt einen Niederschlag herbeiführen wollte, stürmte er in eine massive Rechte des Gegners, der ihm um den Bruchteil einer Sekunde zuvorkam. Ob Pacquiao also gut beraten wäre, seinen Zorn in den Ring zu tragen, bleibt offen. Sein Team geht jedenfalls davon aus, daß er den jüngeren und größeren Thurman aggressiv angehen muß, um dessen ausgefeilte Ausweichmanöver zu durchkreuzen. Nicht vergessen darf man dabei natürlich, daß jegliche Meldungen und Bekundungen zur beiderseitigen Gemütsverfassung, Motivation und angeblich geplanten Kampfesweise ebenso Werbung für ihren Auftritt wie Teil der psychologischen Kriegsführung sind. [2]

Gewisse Anhaltspunkte, was die aktuelle Verfassung der Kontrahenten betrifft, boten die öffentlichen Trainingseinheiten, bei denen Medienvertreter und interessierte Fans Gelegenheit bekamen, sich mit eigenen Augen ein Bild zu machen. Keith Thurman absolvierte sechs Runden Sparring und stellte anschließend schattenboxend seine flinken Hände unter Beweis. Er wirkte dabei schnell, kräftig und leichtfüßig, so daß Pacquiao ein Gegner erwartet, wie er ihn lange nicht mehr vor den Fäusten gehabt hat. Selbst Floyd Mayweather dürfte 2015 nicht so mobil und zugleich massiv in seiner Schlagwirkung gewesen sein, als er den Philippiner besiegte. Pacquiao und Roach haben daher noch einige harte Nüsse zu knacken, da sie davon ausgehen müssen, daß Thurman wesentlich stärker als gegen Lopez boxen wird. [3]

Pacquiao wiederum wirkte bei seiner jüngsten öffentlichen Trainingseinheit in Südkalifornien deutlich schneller als Thurman und insgesamt in einer ausgezeichneten Verfassung, als könne er sofort loslegen. Auf jeden Fall steht ein attraktiver und hochklassiger Kampf zu erwarten, der wohl auf gleicher Augenhöhe ausgetragen wird. Thurman muß sich steigern, um einen Pacquiao zu besiegen, wie man ihn gegen Broner erlebt hat. Doch auch der Philippiner dürfte noch zulegen, weshalb man in den verbliebenen Wochen ein Kopf-an-Kopf-Rennen in den Prognosen erleben wird, das die Geschäfte der Buchmacher beflügelt.


Fußnoten:

[1] www.boxingnews24.com/2019/06/robert-garcia-pacquiao-is-difficult-to-prepare-for/

[2] www.boxingnews24.com/2019/06/will-pacquiaos-anger-against-thurman-help-him-win/

[3] www.boxingnews24.com/2019/06/thurman-showing-off-his-speed-for-pacquiao-fight/

23. Juni 2019


Zur Tagesausgabe / Zum Seitenanfang