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MELDUNG/2284: Schwergewicht - Notnagel auf Reisen ... (SB)



Kubrat Pulew trifft in Sofia auf Hughie Fury

Am 27. Oktober kommt es in Sofia zu einem Ausscheidungskampf der IBF im Schwergewicht zwischen dem Bulgaren Kubrat Pulew und Hughie Fury aus England, dessen Sieger neuer Pflichtherausforderer des Weltmeisters Anthony Joshua bei diesem Verband wird. Der 23jährige Brite ist bereits der dritte Kandidat, den die International Boxing Federation für diese Aufgabe nominieren mußte, nachdem zuvor zwei andere einen Rückzieher gemacht hatten. Dillian Whyte aus England und Jarrell Miller aus den USA, die beide bei dem britischen Promoter Eddie Hearn unter Vertrag stehen, lehnten den Kampf ab, nachdem ihr Management bei der Versteigerung der Austragungsrechte den kürzeren gezogen hatte.

Wenngleich nicht bekannt ist, was Whyte und Miller zu ihrer Absage bewogen hat, dürfte doch der riskante Auftritt mit dem 37jährigen Pulew vor dessen heimischem Publikum eine maßgebliche Rolle dabei gespielt haben. Böse Zungen behaupten, die beiden hätten sich so lange daran gewöhnt, vom Heimvorteil zu profitieren, daß sie es mittlerweile ablehnten, im Ausland zu kämpfen. So war es schließlich Hughie Fury vorbehalten, beherzt zuzugreifen, um die Gelegenheit nicht ungenutzt verstreichen zu lassen. Da er in der aktuellen IBF-Rangliste an Nummer fünf geführt wird, gehörte er ursprünglich nicht zu den Kandidaten, die man für eine Qualifikation im Visier hatte. Kubrat Pulew, der es im Laufe seiner Karriere oftmals zu seinem Leidwesen lernen mußte, sich in Geduld zu üben, teilte mit, daß Fury kein Problem in der Reise sehe und zugesagt habe.

Merkwürdig ist es allerdings schon, daß der jüngere Cousin des ehemaligen Weltmeisters Tyson Fury diesen Ausscheidungskampf bekommt, obgleich er am 23. September 2017 in Manchester gegen den damaligen WBO-Champion Joseph Parker verloren hat. Obgleich der Neuseeländer damals nur knapp nach Punkten die Oberhand behielt, spiegelt dieses Ergebnis doch das vorangegangene Geschehen im Ring nur unzulänglich wider. Fury gab eine insgesamt enttäuschende Vorstellung, da er sich zumeist aus dem Staub machte oder klammerte. Auf diese Weise sah sich Parker gezwungen, ihm zwölf Runden lang hinterherzulaufen. Und sobald er ihn endlich doch eingeholt und gestellt hatte, umschlang ihn der Brite mit beiden Armen, um ihn am Schlagen zu hindern. Zwar kommt es des öfteren vor, daß Boxer einen gefährlichen Gegner mit solchen Mitteln neutralisieren, doch setzte Furys durchgängige Verhinderung eines offenen Kampfs so ziemlich allem die Krone auf, was man diesbezüglich jemals erlebt hatte.

Dies war um so enttäuschender, als der junge Brite vier Jahre mehr oder minder hart daran gearbeitet hatte, eine Titelchance zu bekommen. Als es dann endlich soweit war und er in Ring stieg, um seinen langgehegten Traum zu verwirklichen, ließ er jegliche Initiative vermissen, offensiv um den Sieg zu kämpfen. Und obwohl das relativ knappe Ergebnis einer gewissen Gunst der Punktrichter geschuldet war, beklagte sich der unterlegene Herausforderer samt seinem Vater und Trainer Peter Fury hinterher bitter, um den verdienten Erfolg geprellt worden zu sein. Natürlich hätte sich die Fangemeinde in Manchester sicher gefreut, ihren Favoriten als neuen Champion feiern zu können. Davon abgesehen dürften aber nur wenige Zuschauer allen Ernstes in Abrede gestellt haben, daß Parker der bessere Boxer gewesen war. [1]

Kubrat Pulew ist ein alter Hase im Boxgeschäft, hat aber insbesondere aufgrund von Problemen seiner früheren Promoter erst 26 Kämpfe bestritten, bei denen er nur einmal den kürzeren zog. Der vierzehn Jahre jüngere Hughie Fury kann mit 21 Siegen und einer Niederlage aufwarten. Die einzige Niederlage seiner Karriere bezog der Bulgare im Kampf gegen Wladimir Klitschko, der ihm im Jahr 2014 das Nachsehen gab, als er das Schwergewicht noch unangefochten dominierte. Im Oktober 2017 war ein Titelkampf gegen Anthony Joshua anberaumt, den Pulew in Folge einer Schulterverletzung, die er sich im Training zugezogen hatte, kurzfristig absagen mußte. An seiner Stelle trat Carlos Takam vor einer Riesenkulisse in Cardiff gegen den Weltmeister der WBA, WBO und IBF an, der in der zehnten Runde die Oberhand behielt.

Hughie Fury hat seinen letzten Auftritt gewonnen, als er sich am 12. Mai in der fünften Runde gegen seinen Landsmann Sam Sexton durchsetzte. Dieser Erfolg baute ihn nach der Niederlage gegen Joseph Parker wieder auf, doch handelte es sich um einen Gegner, der nur auf nationaler Ebene eine Rolle spielt. Da ist Kubrat Pulew denn doch von anderem Kaliber. Wie es aussieht, könne das sehr interessant werden, so der Bulgare. Sein Gegner sei ein guter, junger Boxer. Ungeachtet des beträchtlichen Altersunterschieds gilt Pulew jedoch nicht nur aufgrund seiner Erfahrung und des Heimvorteils als Favorit in diesem Kampf. Er ist robust, technisch versiert und schlägt einen ausgezeichneten Jab, weshalb er nach wie vor zu den führenden Schwergewichtlern gehört.

Unterdessen verteidigt Anthony Joshua seine Titel am 22. September im Londoner Wembley-Stadion, das bis zu 90.000 Zuschauer fassen dürfte, gegen Alexander Powetkin, den Pflichtherausforderer des Verbands WBA. Wenngleich der Russe nicht zu unterschätzen ist, scheint er doch seine besten Jahre hinter sich zu haben, so daß er eine namhafte, aber vergleichsweise leichte Beute für den Weltmeister abgeben dürfte. Joshua und sein Promoter Eddie Hearn sind daher sicher nicht unglücklich über die Absolvierung dieser Pflicht, die sie vorübergehend der Frage enthebt, wie mit Deontay Wilder zu verfahren sei. Der WBC-Champion fordert seit langem ein Duell der Weltmeister mit Anthony Joshua, das man offenbar auf britischer Seite mittels finanzieller Bedingungen, die für den US-Amerikaner unannehmbar sind, zu verhindern trachtet.

Inzwischen hat Tyson Fury interveniert und will noch vor Ende des Jahres gegen Wilder antreten. Dem Vernehmen nach sind die Gespräche schon so weit gediehen, daß die Austragung tatsächlich über die Bühne gehen könnte. Für Anthony Joshua ist bereits am 13. April 2019 ein weiterer Auftritt im Wembley-Stadion reserviert, bei dem er aller Voraussicht nach entweder auf Dillian Whyte oder Jarrell Miller treffen wird. In beiden Fällen hätte Joshua bessere Aussichten, ungeschlagen zu bleiben, als bei einem Kampf gegen Wilder. Zudem stünden alle beteiligten Akteure bei Matchroom Boxing unter Vertrag, so daß sich Eddie Hearn mit keinem fremden Promoter abgeben müßte und volle Kontrolle behielte.


Fußnote:

[1] www.boxingnews24.com/2018/08/kubrat-pulev-vs-hughie-fury/#more-268568

15. August 2018


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