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MELDUNG/2260: Leichtgewicht - Zuflucht unter neuem Dach ... (SB)



Mikey Garcia will offenbar bei Dana White anheuern

Mikey Garcia trägt sich aktuellen Medienberichten zufolge offenbar mit dem Gedanken, bei Dana White und dessen neugegründetem Unternehmen Zuffa Boxing zu unterschreiben. White ist bekanntlich der Präsident der Ultimate Fighting Championship (UFC) und will neben seiner Präsenz bei den Mixed Martial Arts künftig auch als Promoter im professionellen Boxsport Fuß fassen. Der 30 Jahre alte Garcia aus Riverside in Kalifornien ist in 38 Kämpfen ungeschlagen und WBC-Weltmeister im Leichtgewicht. Er mußte in der Vergangenheit aufgrund eines Rechtsstreits mit seinem damaligen Promoter Bob Arum eine lange Zwangspause von zweieinhalb Jahren einlegen, so saß ihm eine ungetrübte Zusammenarbeit mit Zuffa Boxing nur zu wünschen ist, sollte es denn zum Vertragsschluß kommen.

Der Champion ginge mit diesem Schritt allerdings ein beträchtliches Risiko ein, da sich erst noch erweisen muß, wie Dana White mit den alteingesessenen Platzhirschen der Branche wie Bob Arum (Top Rank) oder Oscar de la Hoya (Golden Boy Promotions) zurechtkommt. Sollte dieses Vorhaben mißlingen oder lange Zeit unrund laufen, hätte das zweifellos negative Auswirkungen auf Garcias weitere Karriere. Dessen aktuelle Pläne sehen vor, sich zunächst im Sommer mit dem IBF-Champion Robert Easter jun. in der Absicht zu messen, die beiden Titel zusammenzuführen. Dann soll der Sieger des Kampfs zwischen dem amtierenden WBA-Weltmeister Jorge Linares und Wassyl Lomatschenko an die Reihe kommen, wofür White als sein Promoter entweder mit Golden Boy oder mit Top Rank handelseinig werden müßte. [1]

Nachdem sich Mikey Garcia seinerzeit von Bob Arum getrennt hatte, hätte er bei den Golden Boy Promotions anheuern können. Er entschloß sich jedoch, seiner Wege zu gehen und sich fortan eigenständig zu vermarkten. Nachdem er in den letzten fünf Jahren in New York, Las Vegas und Texas gekämpft hat, wäre er möglicherweise gut beraten, künftig vor allem in Südkalifornien aufzutreten, wie dies Gennadi Golowkin, der führende Akteur im Mittelgewicht, bevorzugt, und sich dort eine treue Fangemeinde aufzubauen. Garcia hätte im Frühjahr die Möglichkeit gehabt, gegen Jorge Linares anzutreten, doch zog er es vor, ins Halbweltergewicht aufzusteigen, um dort IBF-Weltmeister Sergej Lipinets den Gürtel abzunehmen. Das Vorhaben, Champion in der vierten Gewichtsklasse zu werden, gelang, doch kostete es Garcia beträchtliche Mühe. Beim einstimmigen Punktsieg gegen den zwei Jahre jüngeren Russen im texanischen San Antonio war er zwar technisch versierter und schneller als der Titelverteidiger, der jedoch ständig Druck machte und härter schlug.

Dabei traten zwei nicht von der Hand zu weisende Warnhinweise zutage. Zum einen galt Lipinets als schwächster Champion im Halbweltergewicht. Zum anderen zeichnete sich ab, daß ein weiterer Aufstieg ins lukrative Weltergewicht keine Option sein kann, da es Garcia dort erst recht an Schlagwirkung mangeln würde. Er hatte bereits im Halbweltergewicht einem druckvoll angreifenden Gegner wie Lipinets nichts entgegenzusetzen, was diesen gebremst hätte. Wenngleich er ihn ausmanövrieren konnte, mußte er dabei viele Treffer einstecken. Bekäme er es in dieser Gewichtsklasse mit stärkeren Kontrahenten wie Jose Ramirez oder Regis Prograis zu tun, müßte er vermutlich die Segel streichen. Die Entscheidung, vorerst IBF-Weltmeister im Halbweltergewicht zu bleiben oder ins Leichtgewicht zurückzukehren, wo Garcia nach wie vor WBC-Champion war, nahm ihm letztlich der Verband ab. Das WBC bestand darauf, daß er nicht beide Gürtel gleichzeitig behalten könne, zumal er den Titel im Leichtgewicht fast eineinhalb Jahre nicht mehr verteidigt hatte.

Als Mikey Garcia den Abstecher in die höhere Gewichtsklasse machte, traten sofort Wassyl Lomatschenko und sein Promoter Top Rank auf den Plan, um einen Kampf gegen Jorge Linares zu vereinbaren. Darüber beklagte sich Garcia, der wohl erwartet hatte, daß der WBA-Weltmeister auf seine Rückkehr ins Leichtgewicht warten würde, obgleich diese keineswegs feststand. Noch ist insofern nichts verloren, als ihm der Sieger dieses Kampfs nicht zwangsläufig wegläuft. Sollte sich Lomatschenko am 12. Mai durchsetzen, wäre Garcia womöglich sogar damit gedient, wenn es so schnell nicht dazu kommen würde, sich mit dem Ukrainer zu messen. Dieser war der erfolgreichste Amateurboxer aller Zeiten und wäre im Profilager mit einer Bilanz von elf Siegen und einer umstrittenen Niederlage bereits Weltmeister in der dritten Gewichtsklasse.

Diese Überlegungen stehen wiederum unter dem Vorbehalt, daß es zum Vertrag mit Dana White kommt und sich diese Zusammenarbeit mit Garcia fruchtbar gestaltet. Ob Bob Arum ihm jemals einen Kampf gegen Wassyl Lomatschenko gestatten würde, ist nicht nur aufgrund ihrer alten Feindschaft ungewiß. Der 85jährige Promoter dürfte wenig geneigt sein, den Ukrainer dem riskanten Unterfangen auszusetzen, es mit dem körperlich überlegenen Kontrahenten aufzunehmen. Während Lomatschenko nämlich für den bevorstehenden Kampf gegen Jorge Linares erstmals ins Leichtgewicht aufsteigt, gehört Garcia dort zu den größten und schwersten Akteuren.

Als ehemaliger Weltmeister im Federgewicht (WBO), Superfedergewicht (WBO) und Halbweltergewicht (IBF) sowie aktueller Champion im Leichtgewicht (WBC) gehört der ungeschlagene Mikey Garcia zu den herausragenden Akteuren des Boxgeschäfts. Obgleich er zwischen dem 25. Januar 2014 und dem 30. Juli 2016 keinen Kampf bestritten hatte, gab er bei seiner Rückkehr ein glänzendes Comeback. In einem Kampf des Halbweltergewichts setzte er sich im Barclays Center in Brooklyn in der fünften Runde gegen Elio Rojas durch. Am 28. Januar 2017 sicherte er sich dann in Las Vegas durch einen Sieg in der dritten Runde über Dejan Zlaticanin den WBC-Titel im Leichtgewicht. Dann kam es am 29. Juli zu einem vielbeachteten Prestigekampf gegen Adrien Broner im Halbweltergewicht, bei dem Garcia einstimmig nach Punkten die Oberhand behielt. Zuletzt setzte er sich am 10. Februar im Alamodome in San Antonio gegen Sergej Lipinets durch.

Nun könnte man allerdings einwenden, daß Garcia in den letzten fünf Jahren bei der Wahl seiner Gegner sorgsam darauf bedacht war, den gefährlichsten Kontrahenten aus dem Weg zu gehen, solange sie auf dem Höhepunkt ihres Könnens boxten. Sein härtester Kampf war der gegen Orlando Salido, in dem er aufgrund einer Verletzung an der Nase nicht weiterboxen konnte, aber aufgrund des Punktestands dennoch gewann. Damals machten Mutmaßungen die Runde, er habe auf Abbruch gedrängt, weil Salido zunehmend die Oberhand gewann. Juan Manuel Lopez, Elio Rojas, Dejan Zlaticanin und Adrien Broner hatten den Zenit ihres Könnens überschritten, als er gegen sie antrat, und Sergej Lipinets galt als schwächster Weltmeister im Halbweltergewicht. Dasselbe könnte man freilich auch von Floyd Mayweather, ja den allermeisten über Jahre erfolgreichen Akteuren sagen: Ohne eine geschickte Auswahl passender Gegner sind in den seltensten Fällen legendäre Karrieren gewachsen.


Fußnote:

[1] www.boxingnews24.com/2018/05/mikey-garcia-close-to-signing-with-dana-white/#more-262262

7. Mai 2018


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