Turnierfinale mit Oleksandr Ussyk und Murat Gassijew

Wenn Oleksandr Ussyk und Murat Gassijew am 11. Mai in Jiddah, Saudi-Arabien, im Finale der World Boxing Super Series aufeinandertreffen, stehen alle maßgeblichen Titel im Cruisergewicht, darunter auch die Trophäe des Ring Magazine, zur Disposition. Der 31jährige Ukrainer Ussyk ist als Weltmeister der Verbände WBC und WBO in 14 Kämpfen ungeschlagen. Für den sieben Jahre jüngeren Russen Gassijew, der Champion der WBA und IBF ist, sind 26 erfolgreiche Auftritte verbucht. Das parallel dazu auch im Supermittelgewicht ausgetragene Turnier ist vor allem im Cruisergewicht hochklassig besetzt und kürt den derzeit führenden Akteur dieses Limits. Unter diesen Umständen macht es natürlich Sinn, daß die renommierte Fachzeitschrift ihren Ehrengürtel an den Turniersieger vergibt, der alle vier Titel in dieser Gewichtsklasse zusammenführt. Allerdings haben beide Boxer bereits angekündigt, daß sie künftig im Schwergewicht auftreten wollen. Sollten sie ihre Pläne in die Tat umsetzen, werden sämtliche Gürtel in absehbarer Zeit vakant und neu zur Vergabe stehen.

Oleksandr Ussyk wird in diesem Duell als Favorit gehandelt, da er größer, schneller und beweglicher als sein Gegner ist. Murat Gassijew kann demgegenüber eine explosive Kampfesweise und die überlegene Schlagwirkung ins Feld führen. Ungeachtet seiner geringen Größe kann er gewaltige Treffer landen, die den Kontrahenten auf die Bretter schicken. Zudem pflegt er die Wucht seiner Schläge zu variieren, so daß er den Widersacher überrascht, wenn er plötzlich voll zur Sache geht. Das wurde im Halbfinale Yunier Dorticos zum Verhängnis, den er in den letzten beiden Runden mit schweren Treffern eindeckte. Der Kubaner mußte unter diesem Ansturm mehrmals zu Boden gehen und wurde von Ringrichter Eddie Claudio nach 2:52 Minuten der zwölften Runde aus dem Kampf genommen.

Was das Vorprogramm des Finales betrifft, wünscht man sich einen Kampf der beiden unterlegenen Halbfinalisten Yunier Dorticos und Mairis Briedis, die ungeachtet der Niederlage einen ausgezeichneten Eindruck hinterlassen haben. Briedis mußte sich am 27. Januar vor heimischem Publikum in Riga dem Ukrainer Ussyk nur knapp nach Punkten geschlagen geben. Dorticos und Briedis brennen zweifellos darauf, sich zu rehabilitieren und umgehend den Beweis anzutreten, daß auch sie der absoluten Elite des Cruisergewichts angehören. [1]

Der in Simferopol auf der Krim geborene Oleksandr Ussyk kann auf eine erfolgreiche Amateurlaufbahn zurückblicken. Im Alter von 15 Jahren wurde er in ein Sportinternat aufgenommen, in dem künftige Olympiateilnehmer ausgebildet wurden. Er spielte zunächst Fußball, wechselte dann aber 2002 zum Boxen, wo er es bald zu internationalen Erfolgen brachte. Vier Jahre später gewann er bei der Europameisterschaft im bulgarischen Plowdiw eine Bronzemedaille im Mittelgewicht. 2008 stieg er ins Halbschwergewicht auf und gehörte dem Olympiakader seines Landes bei den Sommerspielen in Beijing an. Im selben Jahr zeichnete er sich in Liverpool mit Gold bei der Europameisterschaft aus. Weiter ging es im Cruisergewicht mit einer Silbermedaille beim Weltcup 2009 in Moskau sowie Bronze bei der Weltmeisterschaft in Mailand. Der Durchbruch an die Spitze dieser Gewichtsklasse erfolgte dann 2011 mit dem Gewinn der Weltmeisterschaft in Baku und ebenfalls Gold bei den Olympischen Spielen 2012 in London.

Im folgenden Jahr wechselte Oleksandr Ussyk ins Profilager, wo er einen Vertrag bei den K2 Promotions der Brüder Klitschko unterschrieb. Bei seinem Debüt am 9. November 2013 machte er in Kiew kurzen Prozeß mit Felipe Romero, der sich in der fünften Runde geschlagen geben mußte. Bereits in seinem fünften Profikampf forderte der Ukrainer am 14. Oktober 2014 den Intercontinental Champion der WBO, Daniel Brewer, heraus und setzte sich in der siebten Runde durch. Diesen Titel verteidigte er in der Folge viermal vorzeitig, worauf er 2016 sein sportliches Umfeld erheblich aufwertete. Er verpflichtete den namhaften Trainer Anatoli Lomatschenko, Vater des zweifachen Olympiasiegers und aktuellen WBO-Weltmeisters im Leichtgewicht, Wassyl Lomatschenko, und holte den renommierten Manager Egis Klimas ins Boot.

Nach nur neun absolvierten Profikämpfen forderte der Ukrainer am 9. September 2016 den ungeschlagenen WBO-Weltmeister Krzysztof Glowacki aus Polen heraus und besiegte ihn in Danzig einstimmig nach Punkten. Damit brach Ussyk einen Rekord, der älter war als er selbst: 1986 war Evander Holyfield bei seinem zwölften Auftritt im Profilager Champion im Cruisergewicht geworden. Glowacki, der Marco Huck im August 2015 den Gürtel abgenommen hatte, mußte sich nach 26 Siegen erstmals geschlagen geben. Dieser Erfolg rückte den neuen Weltmeister endgültig ins Visier der Branche, die ihn nun als einen der führenden Kandidaten im Cruisergewicht wahrnahm. Er bestätigte diese Einschätzung mit erfolgreichen Titelverteidigungen gegen namhafte Kontrahenten und wurde im Sommer vergangenen Jahres unter den acht Teilnehmern der World Boxing Super Series an Nummer eins gesetzt.

Zum Auftakt traf er am 1. Juli 2017 auf den ehemaligem WBO-Champion Marco Huck, dem die Erfahrung aus 44 Profikämpfen nicht weiterhalf. Ussyk bestach durch hervorragende Beinarbeit und variable Kombinationen, worauf er durch technischen K.o. die Oberhand behielt. Im Halbfinale des Turniers bekam es der Ukrainer dann mit dem in 23 Kämpfen ungeschlagenen WBC-Weltmeister Mairis Briedis zu tun, der ihm nach einem hochklassigen Kampf in Riga nach Punkten unterlag. Mit zwei Gürteln im Gepäck und den restlichen in Aussicht, sollte er sich im Finale gegen Murat Gassijew durchsetzen, steht Oleksandr Ussyk eine weitere bislang unerreichte Rekordmarke in Aussicht, mit der er abermals Geschichte schreiben könnte: Noch nie hat ein Boxer alle Titel im Cruisergewicht gleichzeitig in seinen Besitz gebracht. [2]