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MELDUNG/2142: Geschenk an eine alternde Legende (SB)



Titelkampf zwischen Miguel Cotto und Yoshihiro Kamegai

Miguel Cotto will zum sechsten Mal in seiner Karriere Weltmeister werden, wenn er am 26. August in Carson, Kalifornien, im Kampf um den vakanten WBO-Titel im Halbmittelgewicht auf Yoshihiro Kamegai trifft. Champion dieses Verbands war zuletzt Saul "Canelo" Alvarez, der den Gürtel zurückgab, um sich im Supermittelgewicht mit seinem mexikanischen Landsmann Julio Cesar Chavez zu messen. Der 36jährige Cotto, für den 40 gewonnene und fünf verlorene Auftritte zu Buche stehen, ist der erste puertoricanische Boxer, der Titel in vier verschiedenen Gewichtsklassen vom Halbweltergewicht bis zum Mittelgewicht erkämpft hat. Für seinen zwei Jahre jüngeren japanischen Gegner stehen 27 Siege, drei Niederlagen sowie zwei Unentschieden zu Buche.

Wie Oscar de la Hoya von den Golden Boy Promotions hervorhob, sei Miguel Cotto eine Legende, da er mehr als ein Dutzend Jahre nach seinem ersten Titelgewinn noch einmal Weltmeister werden könne. Andererseits habe er Kamegai oftmals kämpfen sehen und sei sich sicher, daß dieser Boxer niemals zurückweichen und Miguel alle Hände voll zu tun geben werde. Cotto würdigte den Japaner als einen großartigen und zähen Gegner, doch werde er bereit für ihn sein und sich den Gürtel sichern. Kamegai ist sich natürlich bewußt, daß er auf einen berühmten Kontrahenten mit einer glanzvollen Geschichte trifft. Das alles zähle jedoch nicht, wenn er ihm erst einmal Fuß an Fuß gegenüberstehe. Er werde den Fans wie immer einen aggressiven Kampf bieten und den Ring als Sieger verlassen.

Cotto, dem ein künftiger Platz in der Hall of Fame des Boxsports sicher ist, hat mit zahlreichen namhaften Akteuren im Ring gestanden, darunter Floyd Mayweather, Manny Pacquiao, Saul Alvarez, Sergio Martinez, Antonio Margarito, Shane Mosley und Zab Judah. Bei seinem letzten Auftritt mußte er sich im November 2015 in Las Vegas "Canelo" geschlagen geben, der ihm dabei den WBC-Titel im Mittelgewicht abnahm. Ein im Februar gegen James Kirkland geplanter Kampf mußte aufgrund einer Verletzung Kirklands, der sich im Trainingslager das Nasenbein gebrochen hatte, abgesagt werden.

Yoshihiro Kamegai hat sich in etlichen turbulenten Kämpfen achtbar geschlagen, darunter einer knappen Niederlage gegen den früheren Weltmeister Robert Guerrero im Jahr 2014 wie auch bei seinen beiden letzten Auftritten gegen Jesus Soto Karass, von dem er sich im April 2016 unentschieden trennte, um dann die Revanche im September vorzeitig für sich zu entscheiden.

Die Golden Boy Promotions, bei denen der Japaner unter Vertrag steht, unterhalten seit langem gute Beziehungen zu Cotto. Dies trug maßgeblich dazu bei, daß nur eine Woche nach dem Ende der Zusammenarbeit zwischen dem Puertoricaner und seinem Promoter Roc Nation Sports der zuvor längst geplante, aber wegen unvereinbarer finanzieller Vorstellungen nicht zustande gekommene Kampf gegen Kamegai nun doch unter Dach und Fach gebracht werden konnte. Solange sich die beiden Promoter nicht einigen konnten, setzte die WBO das geplante Duell nicht als Titelkampf an. Auch der Sender HBO war zunächst nicht mit im Boot, da für Cotto kein attraktiver Folgekampf in Aussicht stand.

Der Puertoricaner hatte sich mit seinem Trainer Freddie Roach in dessen Wild Card Boxing Club in Hollywood auf einen Kampf gegen Kamegai im Juni vorbereitet. Als jedoch keine Einigung zustande kam und er sich von Roc Nation Sports trennte, brach er das Trainingslager ab. Da Cotto jedoch inzwischen kurz vor Abschluß eines Vertrags über mehrere Kämpfe mit den Golden Boy Promotions steht, sieht die Sache ganz anders aus: Sollte er gegen Kamegai gewinnen, könnte er ins Mittelgewicht aufsteigen und dort gegen den ehemaligen IBF-Weltmeister David Lemieux antreten, dessen Co-Promoter Oscar de la Hoya ist. Dank dieser Perspektive ist HBO mit von der Partie. [1] Eine nicht minder attraktive Alternative böte ein Kampf gegen Juan Manuel Marquez im Spätherbst, der ebenfalls im Gespräch ist. Marquez will im Juli einen Aufbaukampf bestreiten und wäre danach für ein Duell zweier alternder Stars bereit, die es noch einmal wissen wollen.

Allerdings darf man nicht übersehen, daß Miguel Cotto seit zwei Jahren nicht mehr gewonnen und seit 18 Monaten keinen Kampf mehr bestritten hat. Dennoch führt er die aktuelle WBO-Rangliste an und darf nun sogar um den Titel kämpfen. Normalerweise müßte ein Boxer in seiner Situation wegen langer Inaktivität längst zurückgestuft und aus den Top 15 genommen worden sein. Daß ihn der Verband zahlreichen anderen Akteuren vorzieht, die auf Grund ihrer aktuellen Leistungen erheblich größere Ansprüche auf den ersten Ranglistenplatz und einen Kampf um die vakante Weltmeisterschaft hätten, verdankt sich einem interessengeleiteten Schulterschluß mit einem prominenten Boxer zum Zweck eigenen Einflusses und finanziellen Zugewinns seitens der WBO, die dafür ihre vorgehaltenen Prinzipien und Statuten mit Füßen tritt.

Der Sender HBO geht mit seiner Entscheidung, diesen Kampf zu übertragen, ein beträchtliches Risiko ein, da sich die Begeisterung des Boxpublikums in Grenzen halten dürfte. Wenngleich Miguel Cotto stets eine große Fangemeinde mobilisieren kann, zählt sein Gegner nicht gerade zu den Publikumsmagneten. Wie der Puertoricaner nach seiner langen Pause mit dem körperlich überlegenen und aggressiv boxenden Japaner zurechtkommt, wird sich zeigen. [2]


Fußnoten:

[1] http://www.espn.com/boxing/story/_/id/19451898/miguel-cotto-goes-sixth-world-title-facing-yoshihiro-kamegai-aug-26

[2] http://www.espn.com/boxing/story/_/id/19451898/miguel-cotto-goes-sixth-world-title-facing-yoshihiro-kamegai-aug-26

25. Mai 2017


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