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MELDUNG/2027: Kreisen im Rückwärtsgang (SB)



Chris Eubank verteidigt britischen Titel gegen Tommy Langford

Chris Eubank jun. verteidigt den Titel des Britischen Meisters im Mittelgewicht gegen Tommy Langford. Da dessen Promoter Frank Warren die Versteigerung der Austragungsrechte gewonnen hat, liegt es in seinem Ermessen, Termin und Ort zu bestimmen. Die Entscheidung des 26jährigen Eubank, sich wie schon in seinen beiden vorangegangenen Kämpfen auf die nationale Ebene zurückzuziehen, ist enttäuschend, kommt aber nicht ganz unerwartet. Als er jüngst verkündet hatte, er sei nun doch bereit für Gennadi Golowkin, setzte es Häme und harsche Kritik. Wie sollte sich ein Boxer, der nur mit handverlesenen Gegnern in den Ring steigt, gegen den gefährlichsten Akteur seiner Gewichtsklasse behaupten?

Wenngleich der 27 Jahre alte Langford derzeit an Nummer zwei der WBO-Rangliste geführt wird, ist er wesentlich schwächer einzuschätzen, als es diese prominente Plazierung vermuten ließe. Der ungeschlagene Herausforderer kann zwar mit einer ansehnlichen Bilanz von 17 Siegen aufwarten, hat aber bislang ausschließlich gegen international unbekannte einheimische Akteure gekämpft und dennoch nur sechs von ihnen vorzeitig bezwungen. Liest man die Namen seiner letzten zehn Kontrahenten, bleibt vollends unverständlich, womit er sich die Protektion seitens des Verbands verdient haben könnte. Wenigstens bringt er den Gürtel des Commonwealth-Champions und den interkontinentalen Titel der WBO mit, so daß seine Chance, sich mit Eubank zu messen, nicht völlig deplaziert anmutet.

Auf Langford folgen in der WBO-Rangliste Ryota Murata, David Lemieux, Hassan N'Dam, Rob Brant, Maciej Sulecki, Chris Eubank, Andy Lee, Gabriel Rosado, Jewgeni Chrytow, Curtis Stevens und Willie Monroe, die allesamt stärker als er einzuschätzen sind. Natürlich könnte sich Eubank darauf berufen, daß er nur deshalb gegen Langford antritt, weil dieser an der Reihe ist, was den nationalen Titel betrifft. Die grundsätzliche Frage lautet jedoch: Warum verschwendet er seine Zeit damit, diesen Gürtel ein ums andere Mal zu verteidigen?

Galt der Sohn des legendären Chris Eubank sen. vordem als eines der vielversprechendsten Talente im Mittelgewicht, dessen Namen man mit Kämpfen gegen Weltmeister in Verbindung brachte, so hat der Brite in jüngerer Zeit den Rückwärtsgang eingelegt. Dabei hätte er bei einer Bilanz von 23 Erfolgen und einer Niederlage gegen seinen Landsmann Billy Joe Sanders gute Aussichten, sich mit dem Sieger des Kampfs zwischen Gennadi Golowkin und Kell Brook zu messen, die am 10. September in der Londoner O2 Arena aufeinandertreffen. Sollte Langford jedoch die Generalprobe für diesen anspruchsvollen Auftritt sein, wirkt er wie eine denkbar schlechte Vorbereitung. Der Schritt von diesem Gegner zu dem Kasachen mutet wie ein Sprung in ein anderes Universum an.

Wollte sich Eubank tatsächlich auf den gefürchteten Angreifer Golowkin einstimmen, sofern das überhaupt möglich ist, wären anspruchsvolle Kontrahenten wie David Lemieux, Tureano Johnson, Daniel Jacobs, Peter Quillin oder Andy Lee gefragt. Der Brite bräuchte zumindest einen Gegner mit Dampf in den Fäusten, der seine Defensive testet. Langford hingegen hat in dieser Sparte wenig aufzubieten, scheint er doch vor allem auf eine hohe Schlagfrequenz und schnelle Beine zu setzen. Daß er stärker als Eubanks letzter Gegner Tom Doran sein könnte, der keine vier Runden durchhielt, ist nicht abzusehen.

Da Eubanks Vater, der die Karriere seines Sprößlings maßgeblich mitgestaltet, die treibende Kraft hinter dessen Gegnerwahl zu sein scheint, wäre Promoter Eddie Hearn gehalten, seinem Mittelgewichtler das Kreisen um den britischen Titel auszureden und ihn mittels namhafterer Kontrahenten für höhere Aufgaben zu rüsten. Eubank jun. hat kürzlich Sequenzen einer Sparringseinheit auf YouTube gestellt, in denen er nicht gerade eindrucksvoll wirkt. Er arbeitet dabei mit einem kleineren Partner, der eher wie ein Weltergewichtler aussieht und ihm keine ernsthaften Probleme bereitet. Stellt man sich an dessen Stelle Kell Brook vor, hätte Eubank wenig zu bestellen, von Gennadi Golowkin ganz zu schweigen. [1]

Der in Devon geborene und in Birmingham lebende Tommy Langford hatte sich im März im Vorprogramm des Titelkampfs zwischen Terry Flanagan und Derry Mathews nach Punkten gegen Lewis Taylor durchgesetzt, wofür ihn die WBO mit einem großen Sprung nach vorn in ihrer Rangliste belohnte. Im Juli verteidigte er dann in der Cardiff Ice Arena den Interkontinentaltitel dieses Verbands zum vierten Mal erfolgreich, indem er dem Finnen Timo Laine das Nachsehen gab.

Langford zeigt sich in einer Stellungnahme erfreut, daß er um den berühmten Lonsdale-Gürtel kämpfen könne und sein Promoter Frank Warren bei der Versteigerung die Oberhand behalten hat. Er benötige einen Skalp dieser Größenordnung, um sein Profil zu schärfen, und Eubank sei derzeit einer der namhaftesten Akteure auf der Bildfläche. Er habe in der jüngeren Vergangenheit etliche Sparringsrunden mit ihm absolviert. Ohne zu sehr ins Detail zu gehen, könne er doch soviel dazu sagen, daß ihm klar sei, was Eubank gut kann und wo seine Schwächen angesiedelt sind.

Auf Grundlage dieser Erfahrung gehe er davon aus, daß sein eigener Stil den des Titelverteidigers neutralisieren werde. Wenngleich Chris Eubank zweifellos ein gefährlicher Gegner sei, habe Billy Joe Saunders doch mit seinen technischen Qualitäten und seiner Beweglichkeit die Grenzen Eubanks aufgezeigt. Auch er selbst verfüge über die Werkzeuge, diesem Beispiel zu folgen, meint Langford. Er könne daher nur hoffen, daß Eubank angesichts dieser Gefahr nicht wieder kalte Füße bekomme und es vorziehe, den Titel niederzulegen, statt sich dieser Herausforderung zu stellen. [2]


Fußnoten:

[1] http://www.boxingnews24.com/2016/08/eubank-jr-face-tommy-langford/#more-214777

[2] http://www.boxingnewsonline.net/frank-warren-wins-purse-bid-for-chris-eubank-jnrs-next-title-defence/

13. August 2016


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