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MELDUNG/2019: Zwei Seelen in einer Brust (SB)



Paulie Malignaggi als Boxer und Kommentator beliebt

Paulie Malignaggi ist schon geraume Zeit als Kommentator von Boxkämpfen bei Showtime Sports so populär und etabliert, daß er diese Tätigkeit zu seinem ausschließlichen Hauptberuf machen könnte. Andererseits reizt es ihn auch im Alter von 35 Jahren noch immer ungemein, die Boxhandschuhe anzuziehen und im Scheinwerferlicht einen Kampf auszutragen. Wie gut ihm das nach wie vor gelingt, stellte er vor großer Kulisse im Barclays Center unter Beweis, wo er auf Gabriel "Tito" Bracero traf, einen langjährigen Kumpel aus seiner Nachbarschaft in New York. Auf dem Spiel stand denn auch der symbolische Titel des Meisters von Brooklyn, was beim Publikum großen Anklang fand, das beide Akteure gleichermaßen anfeuerte. Aus welchen Gründen auch immer hatte es ewig gedauert, bis dieses Duell der gleichaltrigen Boxer zustande kam, die nun im Herbst ihrer Karriere endlich doch noch aufeinandertrafen. Sie schenkten einander nichts, verliehen aber unmittelbar nach dem Schlußgong ihrem beiderseitigen Respekt Ausdruck, indem sie einander umarmten.

Malignaggi, der ehemals Weltmeister im Halbwelter- und Weltergewicht gewesen war, stieg natürlich als Favorit in den Ring. Daß er eine derart überzeugende Vorstellung geben würde, die phasenweise an seine allerbesten Zeiten erinnerte, in denen er seine Gegner systematisch ausgeboxt hatte, dürfte jedoch kaum jemand erwartet haben. Er dominierte den Kampf mit seinem ausgezeichneten Jab und ging höchst konzentriert zu Werke, so daß er am Ende nach zehn vereinbarten Runden einen verdienten Punktsieg feiern konnte (98:92, 98:92, 96:94). Laut der Statistik von CompuBox brachte Malignaggi 164 von 486 Schlägen ins Ziel (35 Prozent), Rojas erzielte 134 Treffer bei 470 Versuchen (29 Prozent). Während der Sieger damit seine Bilanz auf 36 gewonnene und sieben verlorene Auftritte ausbauen konnte, stehen für Bracero nunmehr 24 Erfolge und drei Niederlagen zu Buche.

Der boxende Kommentator hinterließ einen wesentlich besseren Eindruck als bei seiner vorzeitigen Niederlage gegen Danny Garcia im August 2015, dem er sich im Barclays Center in der neunten Runde geschlagen geben mußte. Er hatte damals der überlegenen Schlagwirkung seines Kontrahenten nichts Gleichwertiges entgegenzusetzen. Seither konnte er mit Antonio Moscatiello und Lazlo Fazekas zwei schwächere Widersacher in die Schranken weisen, denen gegenüber Gabriel Bracero eine erheblich schwerer zu lösende Aufgabe darstellte.

Wie Malignaggi nach dem Kampf einräumte, habe er in seiner Karriere natürlich schon bessere Nächte erlebt. Dessen ungeachtet habe er den Eindruck, einen guten Kampf geboten zu haben. Da Bracero genau wie er selber ein Konterboxer sei, habe er eben versucht, in dieser Hinsicht entschiedener zu Werke zu gehen. Während sie einander immer wieder Fallen gestellt hätten, habe er dafür gesorgt, daß sich sein Gegner jeden Punkt hart erarbeiten mußte. Zugleich habe er den Kampf mit seinen präzisen Einzeltreffern und Manövern diktiert und insbesondere darauf geachtet, bei der Punktwertung nie ins Hintertreffen zu geraten. Diese Rolle habe er Bracero zugewiesen, der sich dadurch zwangsläufig zu der einen oder anderen Verzweiflungstat hinreißen ließ.

Nach drei Siegen in Folge und angesichts des heutigen Auftritts sei er mit seinem Latein noch nicht am Ende. Nun müsse er erst einmal gründlich darüber nachdenken, welche Richtung er einschlagen werde. Einerseits habe er einen guten Job beim Fernsehen, andererseits falle es ihm sehr schwer, dem Kämpfen den Rücken zu kehren. So ringe er regelrecht mit einer Entscheidung, zumal er sich realistische Ziele setzen wolle.

Offensichtlich denkt Malignaggi ernsthaft darüber nach, seine Profikarriere fortzusetzen. Allerdings hat er beim Kampf gegen Bracero nicht allzu viel Geld verdient und wird wohl nie wieder eine so üppige Börse wie vor Jahresfrist mit Danny Garcia einfahren können. Sollte es ihm gelingen, im Welter- oder Halbweltergewicht einen namhaften Kandidaten zu besiegen, wäre sogar ein Titelkampf nicht auszuschließen. Angesichts der scharfen Konkurrenz in diesen stark besetzten Limits trägt sich der New Yorker jedoch mit dem Gedanken, um den europäischen Titel im Weltergewicht zu kämpfen oder aber bis ins Leichtgewicht hinunterzugehen, um dort Akzente zu setzen.

Letzteres wäre jedoch mit gravierenden Problemen verbunden, da Malignaggi eine Menge Gewicht loswerden müßte, um dieses Limit zu erreichen. Und selbst wenn ihm das gelingen würde, träfe er dort auf Gegner wie Mikey Garcia, Dejab Zlaticanin und Terry Flanagan, die sehr viel wirksamer als im Leichtgewicht üblich zuschlagen können. Letztlich sähe er sich mit derselben Problematik wie im Weltergewicht konfrontiert, schlagstarke Kontrahenten allenfalls mit einem ungleich höheren Aufwand an Schlagfrequenz, Variabilität und Beweglichkeit neutralisieren zu können, wie ihm das nur auf dem Höhepunkt seiner Karriere gelungen ist. [1]

Kaum war sein eigener Auftritt beendet, als Malignaggi auch schon seinen Platz als Analyst der von Showtime übertragenen weiteren Kämpfe am Ring einnahm. Zuallererst sei er ein Fan, weshalb es ihm große Freude bereite, gleich wieder in seiner anderen Funktion in Aktion zu treten. In wenigen Tagen werde er nach Italien aufbrechen, einen längeren Urlaub einlegen und sich unter der Sonne seine Zukunft durch den Kopf gehen lassen. [2]


Fußnoten:

[1] http://www.boxingnews24.com/2016/07/malignaggi-vs-bracero-punch-stats/#more-214256

[2] http://espn.go.com/boxing/story/_/id/17181119/mikey-garcia-demolishes-elio-rojas-tko-victory-return-ring

3. August 2016


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