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MELDUNG/1944: Ein vierter Streich ist nicht in Sicht (SB)



George Groves hat leichtes Spiel mit David Brophy

Der englische Supermittelgewichtler George Groves hat in der Londoner O2 Arena den zuvor ungeschlagenen Schotten David Brophy in der vierten Runde besiegt und sich damit den vakanten internationalen Titel des Verbands WBA gesichert. Der in der WBC-Rangliste an Nummer zwei geführte 28jährige Favorit war für die Wahl dieses Gegners kritisiert worden, schätzte man den zwei Jahre jüngeren Kontrahenten doch angesichts seiner gering ausgeprägten Schlagwirkung als relativ leichte Beute ein. Groves, der in zwei Titelkämpfen gegen seinen Landsmann Carl Froch und einem gegen den in Las Vegas lebenden Schweden Badou Jack den kürzeren gezogen hat, verfolgte offenbar die Absicht, mit einem vorzeitigen Sieg Selbstvertrauen aufzubauen und seine Karriere wieder anzuschieben.

Der Schotte hatte während seiner fünf Jahre währenden Profikarriere keinen namhaften Kontrahenten besiegt und nur ein einziges Mal vorzeitig gewonnen. Nun mußte er nach 16 Siegen und einem Unentschieden seine erste Niederlage hinnehmen, da sein prominenter Widersacher schlichtweg eine Nummer zu groß für ihn war. Groves, der damit 23 Auftritte gewonnen und drei verloren hat, vertraute auf die deutlich überlegene Wucht seiner Schläge und machte den Schotten Zug um Zug nieder. Der dabei gewonnene Gürtel stellt lediglich eine Durchgangsstation dar, die allenfalls für einen jungen und aufstrebenden Akteur attraktiv ist, weniger jedoch für einen recht namhaften Kandidaten wie den Briten, der bereits dreimal um die Weltmeisterschaft gekämpft hat.

Schon gegen Ende der ersten Runde traf Groves seinen Gegner mit einer wuchtigen Rechten am Kopf, worauf sich Brophy an die Seile zurückzog und für die verbliebene Zeit bis zur Pause auf seine Deckungsarbeit beschränkte, während der Kontrahent ungehindert auf ihn einschlagen konnte. Auch im zweiten Durchgang rang sich der Schotte zu nicht allzu vielen Schlägen durch, so daß Groves weiter klar dominierte und diverse Treffer anbringen konnte. Deren Spuren traten in der folgenden Runde unübersehbar zu Tage, da Brophys rechtes Auge gerötet war und zuzuschwellen begann.

Sollte man im Lager des Außenseiters die taktische Marschroute verfolgt haben, den bekanntermaßen für Konditionsprobleme in der zweiten Hälfte eines Kampfs anfälligen Groves zu ermüden, um später in die Offensive zu gehen, so funktionierte dies jedenfalls nicht. Der Schotte verfügte über keine angemessene Deckung, um die eintreffenden Schläge größtenteils zu neutralisieren, und mußte zu viele zermürbende Treffer einstecken. Bereits in der vierten Runde war es dann um den überforderten Brophy geschehen: Als er Groves gerade mit einer Rechten getroffen hatte, schlug ein wuchtiger Konter bei ihm ein, der ihn auf ein Knie niedersinken ließ, wo er geraume Zeit benommen verharrte. Als er endlich wieder auf die Beine kam, schritt der Ringrichter ein und erklärte den ungleichen Kampf für beendet.

Groves, der in den Ranglisten des WBC (2), der WBO (8) und der IBF (11) unter den Top 15 im Supermittelgewicht geführt wird, strebt eine Revanche mit dem WBC-Weltmeister Badou Jack an, der ihn im September knapp nach Punkten besiegt hatte. Der Schwede verteidigt seinen Titel jedoch am 3. April in Washington D.C. gegen den in Kanada lebenden Lucian Bute, worauf der Sieger dieses Kampfs aller Voraussicht nach auf den IBF-Champion James DeGale oder Rogelio Medina trifft, die im Rahmen derselben Veranstaltung gegeneinander antreten. Sollte Groves daher an seinem Vorhaben festhalten, vorzugsweise um den WBC-Gürtel zu kämpfen, müßte er wohl bis 2017 auf eine Gelegenheit warten. [1]

Eine Alternative wäre der Mexikaner Gilberto Ramirez, der in Las Vegas den Berliner Arthur Abraham klar dominiert und als WBO-Weltmeister in dieser Gewichtsklasse entthront hat. Ramirez ist wesentlich stärker als Brophy einzuschätzen und hätte sicher keine Probleme, mit Groves in die zweite Hälfte des Kampfes zu gehen. Um sich durchzusetzen, müßte der Brite einerseits konditionell zulegen und andererseits seine Nehmerqualitäten steigern. Allerdings ist unwahrscheinlich, daß Groves den Mexikaner vor die Fäuste bekommt, da dessen Promoter Bob Arum bereits angekündigt hat, er wolle Ramirez gegen namhafte einheimische Akteure kämpfen lassen. Den Anfang soll Jesse Hart machen, der ebenfalls bei Top Rank unter Vertrag steht. Danach könnten große Namen wie Gennadi Golowkin, Saul "Canelo" Alvarez oder Miguel Cotto folgen, träumt Arum davon, Ramirez zu einem neuen Star der Szene aufzubauen.

George Groves ist in diesen Plänen nicht vorgesehen, so daß ihm nur noch die Möglichkeit bliebe, Felix Sturm zu überzeugen. Der Leverkusener hat im Februar vor 8000 Zuschauern in Oberhausen die Revanche gegen Fjodor Tschudinow gewonnen und ist damit neuer Weltmeister des Verbands WBA im Supermittelgewicht geworden. Der 37jährige setzte sich knapp und umstritten nach Punkten gegen den neun Jahre jüngeren russischen Titelverteidiger durch, der mit zunehmender Kampfdauer immer stärker aufkam, Sturms Gesicht lädierte und nach Meinung vieler Experten die Mehrzahl der Runden dominiert hatte. Da auch die Statistik von CompuBox eindeutig für Tschudinow sprach, war nachvollziehbar, daß dessen Team mit dem Urteil überhaupt nicht einverstanden war und eine Vorteilsnahme zugunsten des Leverkuseners monierte. Dieser ließ nach seinem glücklichen Sieg offen, ob er seine Karriere überhaupt fortsetzen wird, und scheint es jedenfalls nicht eilig zu haben, noch einmal in den Ring zurückzukehren.

Da Groves bei Sauerland-Event unter Vertrag steht, wäre eine gewissermaßen deutsche Übereinkunft nicht ganz ausgeschlossen, diesen Kampf auf die Beine zu stellen. Da jedoch keiner der möglicherweise Beteiligten bislang auch nur eine Andeutung in diese Richtung gemacht hat, bleibt die Option des WBA-Gürtels vorerst bloße Spekulation. Fest steht, daß George Groves so schnell keinen vierten Titelkampf bekommen wird, wobei grundsätzlich zu fragen wäre, wieso er nach seinem dreimaligen Scheitern noch immer in der Nähe eines weiteren Anlaufs zu navigieren scheint oder das jedenfalls für sich in Anspruch nimmt.


Fußnote:

[1] http://www.boxingnews24.com/2016/04/george-groves-stops-david-brophy/#more-207871

13. April 2016


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