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MELDUNG/1943: Das Rätselraten hat ein Ende (SB)



Fury gegen Klitschko Anfang Juli in Manchester

Da der Vertrag beim ersten Kampf zwischen Wladimir Klitschko und Tyson Fury eine Klausel enthielt, die dem Ukrainer im Falle einer Niederlage den Anspruch auf eine sofortige Revanche einräumte, war deren Umsetzung nahezu ein Selbstgänger. Davon abgesehen, daß der Brite als neuer Weltmeister auf diesem Wege mehr Geld als mit nahezu jeder anderen Option verdienen kann, wäre ein Vertragsbruch mit so gravierenden Folgen verbunden, daß sich Fury ein Ausscheren schlichtweg nicht leisten kann. Wenngleich er seither des öfteren Alternativen im Munde geführt hat, als dächte er allen Ernstes darüber nach, seine Titel gegen einen anderen Herausforderer als Klitschko zu verteidigen, gab niemand allzu viel auf diese Äußerungen des bekanntermaßen zu nicht immer konsistenten Tiraden neigenden Briten.

Als dann jedoch Woche um Woche Nachrichten ausblieben, wann und wo die Revanche ausgetragen würde, sorgte das schon für wachsende Irritationen. Meldungen, in denen fast mit Gewißheit von einem Veranstaltungsort in Österreich und dann wieder vom Londoner Wembley-Stadion die Rede war, wurden entweder wenige Tage später dementiert oder kurzerhand gar nicht mehr erwähnt. Als dann auch noch die Hiobsbotschaft zirkulierte, Fury habe sich bei der Betreuung seines jüngeren Bruders Hughie eine Rückenverletzung zugezogen, machten Mutmaßungen die Runde, der Kampf werde wohl erst im Spätherbst über die Bühne gehen.

Schenkt man Furys Onkel und Trainer Peter Fury Glauben, wurden endlich Nägel mit Köpfen gemacht. Demnach soll der Rückkampf am 9. Juli in Manchester ausgetragen werden. Natürlich sind diesmal die Rollen vertauscht: Der in 25 Kämpfen ungeschlagene Tyson Fury verteidigt die Titel des Superchampions der WBA und WBO sowie des kleineren Verbands IBO gegen den mittlerweile 40 Jahre alten Herausforderer Wladimir Klitschko, für den 64 Siege und vier Niederlagen zu Buche stehen. Der Gürtel der IBF steht nicht zur Disposition, da er Fury aberkannt wurde, weil dieser natürlich die Revanche gegen Klitschko einem Kampf gegen den Pflichtherausforderer der IBF vorzieht, den der Verband verlangt hatte. Den vakanten IBF-Titel sicherte sich Charles Martin, der den Gürtel heute in London gegen den Briten Anthony Joshua verteidigt.

Klitschko wird natürlich versuchen, den Spieß umzudrehen und sich die Titel sofort wiederzuholen. Viele Experten waren nach dem ersten Kampf der Auffassung, daß in einer auf ganzer Linie enttäuschenden Vorstellung Fury kaum besser als der paralysiert wirkende Ukrainer gewesen sei. Hätte Klitschko nur ein wenig mutiger und aktiver geboxt, wäre er Punktsieger geworden und damit Weltmeister geblieben. Wenngleich der Ukrainer sichtlich nachgelassen habe, sollte er doch in halbwegs normaler Verfassung in der Lage sein, Furys Ära als Weltmeister im Schwergewicht auf eine kurze Episode zu stutzen.

Dessen Offensive fiel so schwach aus, daß der Ukrainer wenig Probleme mit den Schlägen des Herausforderers hatte. Dennoch wirkte Klitschko völlig ratlos, weil er seinen Jab und den linken Haken gegen den 2,06 m großen und entsprechend langarmigen Briten schlichtweg nicht anbringen konnte, zumal sich Fury fleißig umherbewegte. Statt das Risiko einzugehen, die Distanz zu überbrücken und dem Briten einige Rechte zu verpassen, wartete der Ukrainer zwölf Runden lang auf eine günstige Situation, die jedoch nie eintrat. Obgleich ihn sein Trainer Jonathon Banks und sein Bruder Vitali mit zunehmender Rundenzahl in den Pausen immer nachdrücklicher anspornten, mehr für den Kampf zu tun und häufiger zu schlagen, ließ Wladimir Klitschko wie blockiert die Felle ungehindert wegschwimmen.

Man kann getrost die Einschätzung wagen, daß Tyson Fury keine zwei Runden mit Deontay Wilder überstehen würde. Der 2,01 m große WBC-Weltmeister ließe sich kaum von dem Gefuchtel des Briten ins Bockshorn jagen und würde dessen fragwürdige Nehmerqualitäten rasch auf die Probe stellen. Wenn der US-Amerikaner den Gegner mit der wuchtig geschlagenen Rechten verfehlt, legt er sofort mit einem linken Haken oder einer kurzen Rechten nach und macht so das Beste aus der verkürzten Distanz. Hingegen neigt Klitschko dazu, die Rechte sehr sparsam zu gebrauchen und sofort zu klammern, wenn er den Kontrahenten bei einem Angriff verfehlt hat. Er fällt dabei regelrecht auf den Gegner, sofern dieser kleiner ist. Das funktioniert bei einem Riesen wie Fury überhaupt nicht, so daß Klitschko gut beraten wäre, seine über die Jahre eingeschliffene Kampfesweise zu modifizieren.

Der Ukrainer hat mehrere Monate lang Zeit gehabt, den ersten Kampf zu analysieren, die Gründe der Niederlage herauszuarbeiten und ein anderes Vorgehen zu konzipieren. Sollte es ihm nicht gelingen, sich die Gürtel zurückzuholen, stünde er wohl am Ende seiner Laufbahn. Das gilt um so mehr, als selbst die britischen Fans eher verhalten als euphorisch auf diesen einheimischen Schwergewichtsweltmeister reagieren. Dies hat verschiedene Gründe, die mit der Herkunft Furys und seinem großspurigen Auftreten zu tun haben. Vor allem aber dürften selbst die eingefleischten Lokalpatrioten unter den Zuschauern erkannt haben, daß dieser Champion einen hochklassigen Gegner niemals auf die Bretter schicken könnte, weil ihm dazu einfach trotz seiner imposanten Statur die Schlagwirkung fehlt. Daß die Revanche in Manchester veranstaltet werden soll, ist jedenfalls ein schlechtes Zeichen. Offenbar ist Fury nicht attraktiv genug, um die Ränge des Wembley-Stadions zu füllen. [1]


Fußnote:

[1] http://www.boxingnews24.com/2016/04/wladimir-klitschko-vs-tyson-fury-2-july-9-manchester-uk/#more-207806

9. April 2016


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