Schattenblick → INFOPOOL → SPORT → BOXEN


MELDUNG/1901: Ein echter Prüfstein war das nicht (SB)



Andrea di Luisa chancenlos gegen George Groves

Der britische Supermittelgewichtler George Groves hat den Kampf gegen den Italiener Andrea di Luisa in der Londoner Copper Box Arena durch Abbruch in der fünften Runde gewonnen. Wenngleich der 27jährige Brite, der bereits dreimal um die Weltmeisterschaft gekämpft, aber jedesmal verloren hat, seine Talfahrt damit beenden konnte, fällt es doch schwer, von einer überzeugenden Rehabilitation zu sprechen, da sein sechs Jahre älterer Gegner schlichtweg überfordert war. Während Groves seine Bilanz auf 22 Siege und drei Niederlagen verbessern konnte, werden für seinen italienischen Kontrahenten nun 18 erfolgreiche und vier gescheiterte Auftritte notiert.

In den Jahren 2013 und 2014 mußte sich Groves bei der Herausforderung seines Landsmanns Carl Froch jeweils vorzeitig geschlagen geben, wobei er insbesondere beim zweiten dieser Kämpfe, der vor 80.000 Zuschauern im Londoner Wembley-Stadion ausgetragen wurde, zumindest in finanzieller Hinsicht auf seine Kosten kam. Im September 2015 unterlag er dem in Las Vegas lebenden Schweden Badou Jack knapp nach Punkten, der dabei den WBC-Titel erfolgreich verteidigte. Damit hatte Groves drei seiner letzten fünf Auftritte verloren, als er nun im Osten der britischen Hauptstadt in den Ring stieg.

Mit seinem neuen Trainer Shane McGuigan in der Ecke, dessen Vater Barry McGuigan einst Weltmeister im Federgewicht gewesen war, wirkte Groves frisch und zuversichtlich, wenngleich er zunächst recht vorsichtig an seinem Gegner Maß nahm. In der dritten Runde blutete Di Luisas Nase, in der vierten wurde er nach einem rechten Haken zur Schläfe angezählt, als er mit einem Knie kurzzeitig den Boden berührte. Das vorzeitige Ende kündigte sich im fünften Durchgang an, als Groves den Italiener mit einem Körpertreffer zu Boden schickte. Der Außenseiter kam noch einmal auf die Beine, sank aber nach einer wuchtigen Rechten des Briten erneut auf ein Knie. Als er sich aufraffte, warfen seine Betreuer das weiße Handtuch zum Zeichen der Aufgabe, worauf Ringrichter Ian John-Lewis den Kampf nach 1:55 Minuten der dritten Runde für beendet erklärte.

Wie Groves im anschließenden Interview Bilanz zog, sei es ihm gelungen, das Tempo von Beginn an zu diktieren. Der Italiener habe mit überraschend geringer Wirkung geschlagen, so daß dem geplanten souveränen Sieg nichts im Wege stand. Er fühle sich gut und werde bereits im April oder Mai den nächsten Kampf bestreiten. Sein Promoter Kalle Sauerland wolle ihm durchgängig Beschäftigung verschaffen und habe mehrere attraktive Optionen überall in Europa in der Hinterhand. Bei Shane McGuigan, der auch den IBF-Champion im Superbantamgewicht, Carl Frampton, und den ehemaligen Schwergewichtsweltmeister David Haye trainiert, fühle er sich in einem Siegerteam und wolle sich bis zu seinem nächsten Auftritt weiter verbessern. [1]

Andrea di Luisa war im vergangenen Jahr von dem in Kanada lebenden Rumänen Lucian Bute klar dominiert und in der vierten Runde besiegt worden. Obgleich er einen zweitklassigen Gegner vor sich hatte, ging Groves zunächst so zurückhaltend zu Werke, als habe er es mit einem brandgefährlichen Widersacher zu tun. Zudem mußte er etliche Treffer einstecken, die eine Schwellung in seinem Gesicht hinterließen. Zwar löste er seine Aufgabe mehr oder minder problemlos, doch war der Italiener auch kein ernsthafter Prüfstein, der fundierte Rückschlüsse auf die Verfassung des Briten zuließe. Stünde dieser mit Badou Jack, James DeGale oder Arthur Abraham im Ring, die konditionsstark sind und gehörig zuschlagen können, sähe die Sache wohl anders aus.

Wie Kalle Sauerland erklärte, habe Groves in seiner Gewichtsklasse ein gehöriges Wort mitzureden und werde früher oder später wieder um einen Titel kämpfen. Allem Anschein nach wäre es wohl am günstigsten, gäbe man Shane McGuigan ausgiebig Gelegenheit, in Ruhe mit seinem neuen Schützling zusammenzuarbeiten, Schwächen zu identifizieren und zu korrigieren, modifizierte Strategien zu entwerfen und zu erproben. Regelmäßige Auftritte können sicher nicht schaden, sofern die Auswahl der Gegner Groves weder überfordert, noch auf ein Abstellgleis nichtssagender Siege über allzu schwache Kontrahenten führt. [2]

Wenngleich diese Vorgehensweise das Risiko birgt, von unerwarteter Seite besiegt und erneut zurückgeworfen zu werden, wäre es doch weitaus schädlicher für Groves, sofort dem nächsten anspruchsvollen Gegner zu unterliegen. Die beiden Niederlagen gegen Carl Froch haben aus ihm einen anderen Boxer gemacht, der die frühere Entschlossenheit und Gefährlichkeit vermissen läßt. Wohl könnte man argumentieren, daß der Brite zuvor überschätzt worden sei und seine Mängel durch ein großspuriges und aggressives Auftreten im Ring wie außerhalb desselben kaschiert habe. Andererseits lag er im ersten Kampf gegen Froch nach Punkten in Führung und schien einem sicheren Sieg entgegenzusteuern, als er unachtsam wurde oder konditionell nachließ, so daß ihn der Champion auf die Bretter schicken konnte.

Die Überlegung, ob George Groves womöglich niemals Weltmeister in seiner Gewichtsklasse werden kann und daher im Halbschwer- oder Mittelgewicht besser aufgehoben wäre, erübrigt sich. Beide Limits sind derzeit noch stärker besetzt als das Supermittelgewicht, so daß ein solcher Wechsel des Szenarios den verhinderten Champion nur vom Regen in die Traufe führen würde.


Fußnoten:

[1] http://espn.go.com/boxing/story/_/id/14680878/george-groves-stops-andrea-di-luisa-fifth-round-copper-box

[2] http://www.boxingnews24.com/2016/01/groves-defeats-di-luisa-by-5th-round-tko/#more-204880

3. Februar 2016


Zur Tagesausgabe / Zum Seitenanfang