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MELDUNG/1847: Mit fliegenden Fahnen untergehen (SB)



Tyson Fury sorgt für den Fall der Niederlage vor

Da Wladimir Klitschko relativ wenig zur Einstimmung auf den in Wochenfrist bevorstehenden Kampf gegen Tyson Fury beisteuert, bleibt es im wesentlichen dem redefreudigen Briten überlassen, unablässig zu schwatzen und dabei jenen Müll zu produzieren, der einen nicht unmaßgeblichen Anteil am Treibstoff der Branche ausmacht. Während hierzulande regelrechte Pöbeleien durchaus ihr Publikum finden, aber in der offiziösen Präsentation eher verpönt sind, erwartet man in England und insbesondere in den USA geradezu, daß die Boxer auch verbal kräftig vom Leder ziehen. Boxmagazine sind dort anerkannte Medien, Boxjournalisten eine eigene Zunft, Kommentatoren, Analysten und sonstige Experten der diversen Sender mehr oder minder gefragte Berufsstände. Sie alle benötigen viel Stoff, der gedreht und gewendet, gelobt und zerpflückt werden kann. Die maßgeblichen Produzenten dieses Gewerbes sind die Boxer, die mit Faust und Mund dafür zu sorgen haben, daß die Schwungräder auch dann niemals stillstehen, wenn im Grunde genommen gar nichts passiert, was im Boxsport in sechs von sieben Tagen der Regelfall ist.

So ruft denn Tyson Fury seine Fangemeinde in England und Irland dazu auf, sich die verbliebenen Eintrittskarten zu sichern und ihn am 28. November in Düsseldorf anzufeuern, wo er einen historischen Sieg über Wladimir Klitschko feiern will. Der 27jährige Pflichtherausforderer des Weltmeisters beim Verband WBO ist in 24 Profikämpfen ungeschlagen und davon überzeugt, daß er dem Ukrainer bereits derart viel Angst eingejagt hat, daß er ihm mit lautstarker Unterstützung seiner Anhängerschaft den Rest geben kann. Die deutschen Zuschauer machten wenig Lärm und spendeten am Ende jeder Runde höflich Beifall, glaubt Fury zu wissen. Hingegen seien die britischen und irischen Fans die besten und lautesten der Welt. Klitschko habe keine Ahnung, wie sich eine solche Atmosphäre anfühlt. Der Champion bevorzuge die Ruhe, damit er nachdenken könne. Gehe es hingegen verrückt und chaotisch zu, gefalle ihm das überhaupt nicht. Deshalb werde der Weltmeister einen regelrechten Schock davontragen, wenn seine Anhänger übertönt würden und er mehr Schläge abbekomme als je zuvor in seiner Karriere.

Aufgrund einer Verletzung Klitschkos mußte der ursprünglich für den 24. Oktober geplante Kampf verschoben werden. Fury macht die Terminverlegung jedoch eigenen Angaben zufolge nicht das geringste aus, da er derzeit in der besten Verfassung seines Lebens sei. Er habe die Vorbereitung weitgehend abgeschlossen und brenne nun darauf, nach Düsseldorf zu reisen und sich seinen Traum zu erfüllen, eine Legende zu besiegen und Schwergewichtsweltmeister zu werden. Das bedeute ihm unendlich viel, so der ehemalige Irische, Britische, Commonwealth- und Europameister. Er werde ungeschlagen bleiben, den Ring als neuer Champion verlassen und vor allen Dingen den berühmten Klitschko auf die Bretter schicken, was ein Bonus von beispiellosen Ausmaßen sei, phantasiert der Brite munter vor sich hin.

Wladimir Klitschko sei seit Jahren der beste Schwergewichtler der Welt. Genau aus diesem Grunde habe er ihn so lange gejagt und schließlich gestellt. Irgendeinem anderen Champion den Gürtel abzunehmen wäre demgegenüber belanglos, da es stets sein Ziel gewesen sei, den Besten zu besiegen, behauptet der Brite. Da es im Schwergewicht derzeit nur einen weiteren Weltmeister gibt, spricht Fury über Deontay Wilder, der den WBC-Titel innehat. Der US-Amerikaner hat sich des öfteren bereiterklärt, gegen ihn anzutreten, was Fury jedoch zurückwies. Vermutlich würde der Brite keine drei Runden mit Wilder überstehen, weshalb er es vorzieht, ihn als unbedeutenden Champion abzutun, gegen den zu kämpfen sich nicht lohne.

Statt dessen nährt der 2,06 m große Herausforderer unablässig das Gerücht, daß alle Angst vor ihm hätten. Klitschko, so meint er, hätte ihn gemieden wie Pest, wäre er nicht gezwungen, sich dem Pflichtherausforderer zu stellen. Er sei weder irgendein beliebiger Boxer noch handverlesen. Der Weltmeister könne ihn nicht unter Kontrolle bringen und sehe sich nun mit seinem schlimmsten Alptraum konfrontiert, so Fury. Er selbst werde am 28. November etwas bieten, das Klitschko während seiner gesamten Karriere nie gelungen sei, nämlich das Publikum gut zu unterhalten und glücklich nach Hause zu schicken. [1]

Wie der Brite weiter schwadroniert, sei es unmöglich, Klitschko in Deutschland nach Punkten zu besiegen, wo alle hinter dem Superchampion stünden. Deshalb müsse und werde er ihn mit einem Volltreffer von den Beinen holen und auf diese Weise klare Verhältnisse schaffen. Nun trifft es zu, daß Wladimir Klitschko in seiner Karriere dreimal vorzeitig verloren hat. Diese Niederlagen liegen jedoch länger zurück, als Fury im Profigeschäft aktiv ist, und gingen auf das Konto von Ross Puritty, Corrie Sanders und Lamon Brewster, mit deren Schlagwirkung sich der Brite schlichtweg nicht messen kann. Er gilt trotz seiner imposanten Statur als Schwergewichtler, vor dessen Schlägen sich kein halbwegs guter Gegner fürchten muß, sofern er es versteht, sich von dem Riesen nicht erdrücken zu lassen. Wie der Herausforderer einen Kontrahenten wie Klitschko niederschlagen will, der die Kunst, vor allem nicht getroffen zu werden, über die Jahre perfektioniert hat, bleibt Furys Geheimnis.

Wenngleich er natürlich nie zugeben würde, daß ihn Zweifel beschleichen oder er gar eine Niederlage fürchtet, scheint der Brite doch bereits eine argumentative Brücke zu bauen, das drohende Scheitern schon auf dem Vorweg zu einer Heldentat zu verklären. Im Unterschied zu David Haye sei er ein wahrer Kämpfer, der sich lieber auf der Trage aus dem Ring befördern lasse als nach Punkten zu verlieren. Er reise nicht für Abklatschspiele nach Deutschland, grenzt sich der Brite von seinem Landsmann ab, der seinerzeit chancenlos gegen Klitschko war, aber immerhin zwölf Runden mit ihm überstand. Die Ankündigung, man werde ihn im Zweifelsfall in die Kabine tragen müssen, klingt so gar nicht nach einem Herausforderer, der eben noch verkündet hat, er werde den Weltmeister niederschlagen. Offenbar beugt Fury der Kritik vor, er sei deswegen auf den Brettern gelandet, weil er nicht auf dem Niveau des Champions boxe, und stilisiert sich statt dessen zu einem tapferen Krieger hoch, der im offenen Kampf mit fliegenden Fahnen untergeht. [2]


Fußnoten:

[1] http://www.boxingnews24.com/2015/11/tyson-fury-urges-british-and-irish-fans-to-bring-the-noise-and-watch-him-make-history-on-november-28/#more-202093

[2] http://www.boxingnews24.com/2015/11/fury-doubts-hell-be-given-a-decision-over-klitschko/#more-202176

21. November 2015


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