Schattenblick → INFOPOOL → SPORT → BOXEN


MELDUNG/1802: Von einem Abstellgleis aufs andere? (SB)



IBF erkennt Yoan Pablo Hernandez den Titel im Cruisergewicht ab

Yoan Pablo Hernandez ist nicht mehr IBF-Weltmeister im Cruisergewicht. Da der gebürtige Kubaner, der beim Berliner Promoter Sauerland Event unter Vertrag steht und von Ulli Wegner trainiert wird, seinen Titel seit dreizehn Monaten nicht mehr verteidigt hat, wurde er vom Verband am grünen Tisch degradiert. Der 30jährige Hernandez, für den 29 Siege und eine Niederlage zu Buche stehen, wurde seit geraumer Zeit immer wieder von Krankheiten und Verletzungen heimgesucht. Er hatte den Gürtel im Jahr 2011 durch einen Sieg über den US-Amerikaner Steve Cunningham gewonnen und ihn bei der Revanche erfolgreich verteidigt. Danach setzte er sich gegen Troy Ross, Alexander Alexejew und bei seinem letzten Auftritt im September 2014 knapp gegen Firat Arslan durch.

Nachdem der in Deutschland lebende Kubaner aufgrund einer Ellbogenverletzung erneut lange ausgefallen war, vergab der Verband den vakanten Titel des Interimsweltmeisters in einem Kampf zwischen Victor Emilio Ramirez und dem Briten Ola Afolabi, den der Argentinier im April gewann. Zugleich wurde Hernandez auferlegt, gegen den Sieger anzutreten. Dieser Kampf gegen Ramirez wurde zunächst für Juli angesetzt, dann aber auf den 2. Oktober verschoben. Als Hernandez nun wegen einer nach wie vor nicht auskurierten Verletzung eine erneute Verlegung des Termins herbeiführen wollte, zog die IBF Konsequenzen.

Da Yoan Pablo Hernandez den Titel im Laufe seiner vier Jahre währenden Regentschaft nur viermal verteidigt hat, wird das Cruisergewicht inzwischen von einer Reihe namhafter Akteure bevölkert, mit denen er nie im Ring gestanden hat. Ob er ihnen gewachsen gewesen wäre, bleibt natürlich eine offene Frage, wobei er dem einen oder andern noch begegnen dürfte, sofern er seine Karriere fortsetzen kann. Rachim Tschachkijew, Dimitri Kudriaschow, Olexander Usik, Ilunga Makabu, Krzystof Wlodarczyk, Krzystof Glowaki, Thabiso Mchunu, Murat Gassijew oder Ola Afolabi würden ihn wohl vor beträchtliche Probleme stellen.

Neuer IBF-Weltmeister im Cruisergewicht ist damit Victor Emilio Ramirez, der 22 Auftritte gewonnen und zwei verloren hat. Der 31 Jahre alte Argentinier war 2009 kurze Zeit WBO-Champion, bis er bereits bei der ersten Titelverteidigung von Marco Huck entthront wurde. Damals trafen zwei Boxer aufeinander, die beide im Zweifelsfall zur Brechstange greifen und den Gegner mit einem Hagel heftiger Schläge eindecken. Der Berliner machte im offenen Schlagabtausch die bessere Figur, setzte sich einstimmig nach Punkten durch und nahm Ramirez den Gürtel ab. Nach dieser Niederlage zog sich der Argentinier zwischen 2009 und 2013 vom Boxsport zurück, ohne ihm freilich endgültig den Rücken zu kehren. Seit seinem Comeback hat er sieben Kämpfe in Folge gewonnen, darunter jenen gegen Afolabi.

Neben Ramirez scheint auch Tony Bellew von dem Titelverlust des Kubaners zu profitieren, da der Brite aller Voraussicht nach im Dezember gegen den neuen Weltmeister antreten kann. Bellew, der 25 Siege, zwei Niederlagen sowie ein Unentschieden vorzuweisen hat und an Nummer acht der IBF-Rangliste auftaucht, wurde von seinem Promoter Eddie Hearn als Herausforderer in Stellung gebracht und zieht damit an Rivalen wie den bereits genannten Tschachkijew, Gassijew, Kudriaschow und nicht zuletzt Marco Huck vorbei, die vermutlich alle mehr oder minder kurzen Prozeß mit Bellew machen würden, wenn sie ihn denn vor die Fäuste bekämen.

Dem Vernehmen nach verteidigt Ramirez seinen Titel am 2. Oktober in Buenos Aires gegen Ovill McKenzie, die Nummer vierzehn der Rangliste. Der 35jährige Herausforderer hat 25 Kämpfe gewonnen, aber bereits zwölf verloren, so daß der Weltmeister keine Probleme mit ihm haben dürfte. McKenzie mußte sich 2011 dem Waliser Enzo Maccarinelli in der elften Runde geschlagen geben und hat seither vier Kämpfe gegen schwache Gegner gewonnen. [1]

Da Ramirez die Veranstaltung am 2. Oktober nicht absagen wollte und dringend einen Ersatz für den noch immer verletzten Hernandez suchte, kann man ihm keinen Vorwurf machen, kurzfristig einen derart schwach einzuschätzenden Herausforderer wie Ovill McKenzie verpflichtet zu haben. Sich aber als nächstes mit Tony Bellew einen weiteren Kandidaten vorzunehmen, der nicht zur allerersten Garnitur im Cruisergewicht gehört, wirft kein gutes Licht auf den neuen Weltmeister. Yoan Pablo Hernandez war dank seiner technischen Qualitäten besser als sein Ruf, der durch die immer wiederkehrende verletzungsbedingte Abwesenheit erheblich gelitten hatte. Victor Emilio Ramirez steht es natürlich frei, sich irgendeinen Gegner auszusuchen, solange dieser nur unter den Top 15 der Rangliste geführt wird. Dennoch zeichnet sich angesichts der doch recht enttäuschenden ersten beiden Herausforderer des Argentiniers ab, daß dieser den IBF-Titel im Cruisergewicht sofort wieder aufs Abstellgleis manövriert, wo er nun schon so lange Zeit deponiert zu sein schien.


Fußnote:

[1] http://www.boxingnews24.com/2015/09/yoan-pablo-hernandez-stripped-of-ibf-title-ramirez-now-champion/#more-199374

23. September 2015


Zur Tagesausgabe / Zum Seitenanfang