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MELDUNG/1801: Ein Kandidat mit besonderen Qualitäten (SB)



Johann Duhaupas will Deontay Wilder prüfen

Der in 34 Kämpfen ungeschlagene Deontay Wilder verteidigt am Samstag den WBC-Titel im Schwergewicht in Birmingham, Alabama, gegen den Franzosen Johann Duhaupas, für den 32 Siege und zwei Niederlagen zu Buche stehen. Da die Veranstaltung des Formats "Premier Boxing Champions" von NBC zur besten Sendezeit kostenlos übertragen wird, ist mit einer ausgezeichneten Zuschauerquote zu rechnen, die dem Boxsport im allgemeinen und dem Champion im besonderen zuträglich sein dürfte. Wilder ist in den USA sehr populär, was zum einen damit zusammenhängt, daß er nach langen Jahren der Abstinenz wieder einen Gürtel der Königsklasse ins Land gebracht hat. Zum anderen hat er 33 Auftritte binnen weniger Runden gewonnen und nur beim Titelgewinn gegen den Kanadier Bermane Stiverne volle zwölf Runden gebraucht. Das US-Publikum bevorzugt Akteure, die ihre Gegner auf die Bretter zu schicken pflegen, so daß der WBC-Weltmeister alle Voraussetzungen für eine glanzvolle Karriere mitzubringen scheint.

Bei seinem Auftritt in Birmingham bekommt es der 29jährige Lokalmatador mit einem drei Jahre älteren Herausforderer zu tun, der als einer der technisch versiertesten Schwergewichtler gilt. Da der Franzose jedoch nur über eine durchschnittliche Schlagwirkung verfügt, sind seinen Möglichkeiten Grenzen gesetzt. Wilder muß daher nicht befürchten, einem überraschenden Volltreffer zum Opfer zu fallen, und kann zügig darangehen, Duhaupas in die Enge zu treiben und niederzuschlagen. Das wird der Weltmeister jedenfalls versuchen, zumal er vor einem Heimpublikum auftritt und mit einer spektakulären Darbietung dank NBC an diesem Abend viele Zuschauer erreichen kann, die sich ansonsten keine Boxkämpfe anzusehen pflegen.

Johann Duhaupas wird andererseits bestrebt sein, eine frühe Niederlage zu verhindern, die ihn zu einem bloßen Kanonenfutter des Champions degradieren würde. Je länger er den 2,01 m großen Titelverteidiger beschäftigt, um so besser ist das für seinen weiteren Karriereweg. Und sollte es dem Herausforderer sogar gelingen, Wilder phasenweise schlecht aussehen zu lassen, wäre das für den Franzosen schon ein halber Sieg. Jeder erwartet, daß der Weltmeister nach wenigen Runden gewinnt, was nicht gerade zu dessen Entspannung beitragen dürfte.

Wilders Trainer Jay Deas zeigt sich jedenfalls bemüht, gar nicht erst den Verdacht aufkommen zu lassen, man habe dem Champion einen leichten Gegner besorgt, damit er seine Serie schneller Erfolge gefahrlos fortsetzen könne. Von allen in Frage kommenden Kandidaten habe Duhaupas in seinem letzten Kampf den bedeutendsten Sieg eingefahren, verweist Deas auf den Erfolg des Franzosen gegen den Kölner Manuel Charr. Chris Arreola, der ebenfalls im Gespräch gewesen sei, habe im Juni nur unentschieden gegen Fred Kassi geboxt und dadurch Attraktivität eingebüßt. Duhaupas trete stets in guter Verfassung an und bringe den Charme eines ausländischen Kontrahenten mit, der für eine Überraschung gut sein könnte.

Die Einschätzung des Trainers ist natürlich zu einem guten Teil Werbung für den Gegner und damit den Kampf, aber andererseits auch nicht von der Hand zu weisen. Der Franzose ist tatsächlich ein Boxer, wie man ihn im Schwergewicht selten antrifft, und inzwischen in Europa wohl unübertroffen, wenn man einmal von Erkan Teper absieht. Stünde er nicht gerade Deontay Wilder gegenüber, der mit einem einzigen schnellen Schlag den Kampf entscheiden kann, müßte man ihm gute Aussichten einräumen, die Oberhand zu behalten.

Als Kommentator der Übertragung wird mit Marv Albert ein altgedienter und sachkundiger Sportjournalist durch den Abend führen, was dessen Reiz für ein breiteres Publikum sicherlich zugute kommt. Sollte Wilder wie erwartet die Oberhand gegen Duhaupas behalten, könnten die Verhandlungen mit Alexander Powetkin beginnen, der die WBC-Rangliste anführt und Pflichtherausforderer des Champions ist. Der Kampf gegen den Russen könnte dann im ersten Quartal 2016 über die Bühne gehen, sofern nicht der Sieger des Kampfs zwischen Wladimir Klitschko und Tyson Fury beschließt, sich im nächsten Schritt mit Wilder zu messen.

Wie WBC-Präsident Mauricio Sulaiman kürzlich wissen ließ, werde er einem Kampf zwischen Klitschko und Wilder keine Steine in den Weg legen. Sollten die beiden das wünschen, müßte sich Powetkin nach diesem Duell weitere fünf oder sechs Monate gedulden, bis er an die Reihe käme. Ob der Ukrainer im Falle seines Sieges gegen Tyson Fury eine sofortige Konfrontation mit dem US-Amerikaner wünscht, ist indessen ungewiß. Setzt sich Wilder auf eindrucksvolle Weise gegen Duhaupas durch, wäre das nicht gerade ein Signal, das Klitschko motivieren würde, sich seinem gefährlichsten Rivalen zuzuwenden. Dessen ungeachtet wird Wilder wohl bestrebt sein, kurzen Prozeß mit dem Franzosen zu machen, da dessen Aussichten bei steigender Rundenzahl eher wachsen als schwinden dürften. [1]

Zumindest hatte Wilder in seinem letzten Kampf am 13. Juni gegen den als krassen Außenseiter gehandelten Eric Molina geraume Zeit größere Mühe als erwartet, bis der Herausforderer schließlich in der neunten Runde die Segel streichen mußte. Nachdem der Weltmeister in der Anfangsphase für seine Verhältnisse zurückhaltend geboxt hatte, kämpfte Molina immer beherzter mit und konnte seinerseits einige Treffer landen, die den Champion sichtlich erschütterten. Der Außenseiter stand nach mehreren Niederschlägen immer wieder auf und sorgte für die eine oder andere gefährliche Situation, bis er aus dem Kampf genommen wurde.


Fußnote:

[1] http://www.boxingnews24.com/2015/09/deontay-wilder-im-going-to-burn-this-reptile-duhaupas/#more-199370

22. September 2015


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