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MELDUNG/1786: Felix Sturm im Glück (SB)



Verband WBA ordnet Revanche gegen Fedor Tschudinow an

Die World Boxing Association (WBA) ordnet jüngsten Meldungen zufolge einen sofortigen Rückkampf zwischen Fedor Tschudinow und Felix Sturm an, der im Dezember über die Bühne gehen soll. Wie es heißt, reagiert der Verband damit auf einen Einspruch nach dem ersten Duell der beiden Supermittelgewichtler, das am 9. Mai vor 8500 Zuschauern in der ausverkauften Festhalle in Frankfurt/Main stattfand. Damals stand der Titel des regulären WBA-Weltmeisters auf dem Spiel, der dem Briten Carl Froch wegen dessen langer Untätigkeit aberkannt worden war. Für Sturm eröffnete sich die unverhoffte Gelegenheit, gegen den relativ unerfahrenen und international wenig bekannten Russen noch einmal um einen Titel kämpfen zu dürfen.

Statt seine Erfahrung und Fertigkeit im Kampf aus wechselnden Distanzen und Vektoren auszuspielen, suchte Felix Sturm den direkten Schlagabtausch, in dem ihm Tschudinow überlegen war. Der 27jährige Russe war körperlich stärker als der neun Jahre ältere Kölner, der dem Kontrahenten jede Menge Gelegenheit bot, seine wuchtigen Schläge ins Ziel zu bringen und damit am Ende einen verdienten Punktsieg zu feiern. Während Fedor Tschudinow damit in dreizehn Profikämpfen ungeschlagen blieb, standen für Sturm 39 Siege, fünf Niederlagen sowie drei Unentschieden zu Buche.

Mit welcher Begründung ein zweiter Kampf zwischen Sturm und Tschudinow anberaumt wird, ist bislang nicht bekannt. Zwar ging ihr Duell im Mai mit zwei der drei Punktrichterwertungen zugunsten des Russen und einer für den Kölner recht knapp aus, doch sprach der Kampfverlauf insgesamt gesehen so deutlich für Tschudinow, daß an dessen Sieg im Grunde nicht zu rütteln war. Daß die WBA Felix Sturm in der Vergangenheit zumeist gewogen war und ihm nicht selten Türen öffnete, die alle Welt für fest verschlossen hielt, ist kein Geheimnis. Möglicherweise hat sich an dieser Konstellation bis heute nichts geändert, so daß man auf der Suche nach Gründen, die Außenstehenden plausibel sein könnten, schlichtweg nicht fündig wird.

Der Russe muß jedoch zunächst bei seiner ersten Titelverteidigung am 26. September in der Londoner Wembley-Arena mit Frank Buglioni fertigwerden, der 17 Auftritte gewonnen sowie einen verloren und einen weiteren unentschieden abgeschlossen hat. Wenngleich der Herausforderer an Nummer vier der WBA-Rangliste geführt wird, sollte Tschudinow in der Lage sein, diese Aufgabe zu lösen, sofern er annähernd so durchsetzungsfähig auftritt wie gegen den Kölner.

Leidtragender der aktuellen Entscheidung der WBA ist der 19 Jahre alte Vincent Feigenbutz, der bei Sauerland Event unter Vertrag steht. Er hat 20 Kämpfe gewonnen und einen verloren, womit er zum Interimschampion dieses Verbands aufgestiegen ist und damit im Prinzip Anspruch auf einen Titelkampf hat. Der junge Karlsruher hatte gehofft, im Dezember gegen Tschudinow antreten zu können, und fordert nun einen zwischenzeitlichen Kampf gegen Sturm, der aktuell an dritter Stelle der Rangliste steht.

Natürlich trägt sich Feigenbutz mit der Absicht, den Kölner zu besiegen und damit an dessen Stelle gegen Fedor Tschudinow antreten zu können. Sturm wird sich jedoch keinesfalls darauf einlassen, zumal er den Interimstitel des Karlsruhers nicht braucht, dessen enormer Schlagwirkung bereits 19 Gegner vorzeitig zum Opfer gefallen sind. Die Situation ruft Erinnerungen an Gennadi Golowkins vergebliche Versuche wach, im Jahr 2010 einen Titelkampf gegen Felix Sturm zu bekommen. Die WBA beförderte den Kölner im September 2010 zu ihrem Superchampion im Mittelgewicht, womit längere Fristen bis zur nächsten Pflichtverteidigung verbunden waren. Dies erlaubte es Sturm, Golowkin aus dem Weg zu gehen, der daraufhin auf anderen Pfaden zum weltbesten Boxer dieser Gewichtsklasse aufstieg.

Sollte die WBA einen Kampf zwischen Sturm und Feigenbutz anordnen, was eher unwahrscheinlich ist, würde der Kölner aller Voraussicht nach darauf ebenso verzichten wie auf einen Kampf gegen Tschudinow und direkt ein Duell mit Arthur Abraham um dessen WBO-Titel im Supermittelgewicht anstreben. Am liebsten würde sich Sturm vermutlich den WBA-Titel im zweiten Anlauf sichern, da dies seine Verhandlungsposition gegenüber Abraham erheblich verbessern und ihren Kampf aufwerten könnte. Das deutsche Publikum schätzt einheimische Duelle über alle Maßen und schert sich nicht darum, daß seine als Weltmeister adressierten Helden durch eine ausländische Brille betrachtet womöglich beträchtlich schrumpfen.

Sollte Sturm die Revanche mit Tschudinow annehmen, müßte man ihm das insofern hoch anrechnen, als er damit ein beträchtliches Risiko einginge. Der Kölner weiß seit ihrem ersten Kampf im Mai, daß er den Russen im direkten Schlagabtausch nicht bezwingen kann und ihn folglich ausmanövrieren muß. Das ist für die meisten Boxer eine ungünstige Ausgangsposition, die von vornherein die Option ausschließt, notfalls mit der Brechstange den Erfolg zu erzwingen. Verliert der Kölner ein zweites Mal, könnte dies seine Chance gefährden, gegen Abraham zum Zuge zu kommen.

Ob die WBO einer Titelverteidigung des Berliners gegen seinen früheren Erzrivalen ihre Zustimmung gibt, ist ungewiß. Andererseits kann der Verband Abraham kaum daran hindern, dieser in Deutschland zweifellos populären und lukrativen Option auch dann den Zuschlag zu geben, wenn sein Gürtel dabei nicht auf dem Spiel stünde. Daher dürfte die WBO Mittel und Wege finden, Sturm einen Platz unter den Top 15 ihrer Rangliste zu verschaffen, um an einem Titelkampf und den dabei fälligen prozentualen Gebühren zu partizipieren, die zu den wichtigsten Einnahmequellen der Verbände gehören. [1]


Fußnote:

[1] http://www.boxingnews24.com/2015/08/wba-to-order-sturm-chudinov-rematch-in-december-feigenbutz-upset/#more-198448

3. September 2015


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