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MELDUNG/1738: Bewegung im Verhandlungspoker? (SB)



Versteigerung des Kampfs zwischen Klitschko und Fury anberaumt

Repräsentanten des Schwergewichtsweltmeisters Wladimir Klitschko und seines Pflichtherausforderers Tyson Fury führen seit Wochen Gespräche über einen Kampf im Herbst, ohne daß es zu ersichtlichen Fortschritten gekommen wäre. Wenngleich beide Seiten ihr Interesse an dieser Option signalisiert haben, scheinen die Vorstellungen hinsichtlich der Konditionen noch weit auseinander zu liegen. Da die Zeit ergebnislos verstreicht, hat der Verband WBA die Initiative ergriffen und für den 6. Juli eine Versteigerung der Austragungsrechte an seinem Sitz in Panama-Stadt anberaumt.

Diese Fristsetzung könnte die Verhandlungspartner anspornen, doch noch eine Übereinkunft herbeizuführen. Sollte das nicht der Fall sein und es zur Versteigerung kommen, stünden Klitschko als Titelverteidiger 80 Prozent und Fury als Herausforderer 20 Prozent der Gesamtbörse zu. Deren Betrag entspricht dem Höchstgebot, wobei die beiden Lager wie auch mögliche weitere Interessenten einmalig verdeckt bieten, also nicht auf das Gebot der Konkurrenten mit einer Erhöhung ihres eigenen Einsatzes reagieren können. Dieser Modus führt tendentiell zu einer Steigerung der gebotenen Summen, die wiederum dem Verband zugute kommt, der bei Titelkämpfen mit einem festgelegten Prozentsatz an der Börse beteiligt ist.

Wer sich bei der Versteigerung durchsetzt, erwirbt die Rechte an der Austragung des Kampfs und gestaltet diese nach seinen Vorstellungen. Zum Termin und Austragungsort gesellen sich in der Regel zahlreiche weitere Einzelheiten, wobei das Lager Klitschkos dafür bekannt ist, selbst die kleinsten Details vertraglich festzuschreiben. Man kann davon ausgehen, daß Manager Bernd Bönte im Falle einer Versteigerung nicht knausern und mit einem hohen Gebot dafür sorgen würde, die Kontrolle über die Abwicklung der Titelverteidigung zu erlangen.

Für Wladimir Klitschko, den Superchampion der WBA und WBO sowie Weltmeister der IBF und IBO, stehen 64 Siege und drei Niederlagen zu Buche. Der in Südflorida lebende 39jährige Ukrainer kann inzwischen auf 18 Titelverteidigungen in Folge zurückblicken, wobei er zuletzt bei seinem ersten Auftritt in den USA seit 2008 am 25. April in New York den Herausforderer Bryant Jennings klar dominiert und einstimmig nach Punkten besiegt hat.

Der 26 Jahre alte Tyson Fury ist in 24 Profikämpfen ungeschlagen. Im November 2014 setzte er sich in einem Ausscheidungskampf der WBO in der zehnten Runde gegen seinen britischen Landsmann Dereck Chisora durch und wurde dadurch neuer Pflichtherausforderer bei diesem Verband. Um die Wartezeit zu überbrücken, bestritt er im Februar einen Aufbaukampf gegen Christian Hammer, der sich in der achten Runde geschlagen geben mußte. [1]

Während bislang nichts dagegen spricht, daß es tatsächlich zu einem Kampf zwischen Wladimir Klitschko und Tyson Fury kommen wird, zweifelt der ehemalige Weltmeister David Haye an der Entschlossenheit seines Landsmanns, sich dem Ukrainer zu stellen. Er geht vielmehr davon aus, daß der 2,06 m große Fury das Risiko scheut und sich einen leichteren Gegner aussucht, weil ihm klar sein müsse, daß er Klitschko nicht besiegen kann.

Für seine Mutmaßung führt Haye das Argument ins Feld, Fury habe bislang stets gegen wesentlich kleinere Gegner gekämpft, die vor allem nicht gefährlich zurückschlagen konnten. Diese Auffassung ist insofern nicht von der Hand zu weisen, als Klitschko schon erheblich nachlassen müßte, um gegen diesen Herausforderer zu verlieren. Allerdings ließ der Ukrainer bei seinem letzten Auftritt gewisse Schwächen erkennen, die etliche Kommentatoren in der Einschätzung bestärkte, der Weltmeister habe den Zenit seines Könnens deutlich überschritten und müsse endlich seiner langen Karriere und dem fortschreitenden Alter Tribut zollen.

Im Kampf gegen Bryant Jennings agierte Klitschko ungewohnt zurückhaltend, setzte die Rechte nur spärlich ein und ließ die frühere Präzision seiner Schläge vermissen. Verglichen mit seinen Auftritten vor einigen Jahren hat die Schlagfrequenz deutlich nachgelassen. Daraus abzuleiten, es gehe mit dem Champion rapide bergab, macht jedoch die Rechnung ohne den jeweiligen Gegner. Der erheblich kleinere Jennings kam nicht an Klitschko heran, schlug relativ wenig und pendelte viel, so daß er dem Weltmeister selten ein Ziel bot. Der Ukrainer boxte wie immer nach der Devise, möglichst nicht getroffen zu werden und sich den Gegner vom Leib zu halten, was ihm durchaus gelang. Daraus resultierte freilich ein ereignisarmer und eher enttäuschender Kampf, was man vor allem dem Titelverteidiger anlastete. [2]

Tyson Fury ist bekanntlich von seinem Können derart überzeugt, daß er sich durchaus zutrauen dürfte, gegen Klitschko zu obsiegen. Zudem kann er den seit langem eingeforderten Titelkampf nicht ewig vor sich her schieben, und eine Gelegenheit wie diese würde sich ihm so schnell nicht wieder bieten, ginge er dem Ukrainer aus dem Weg. Die einzige Alternative wäre Deontay Wilder, der den Gürtel des WBC trägt und genauso gefährlich für den Briten wäre. Der US-Amerikaner ist jünger als Klitschko, hat fast alle Gegner vorzeitig besiegt und lernt schnell dazu.

Da Fury trotz seiner imposanten Statur nur eine geringe Schlagwirkung aufzubieten hat und als deckungsschwach gilt, stünde er gegen Wilder wie auch einen Klitschko in Bestform auf verlorenem Posten. Er hätte gegen den Ukrainer allenfalls dann eine gewisse Chance, sollte dieser noch schlechter boxen als gegen Bryant Jennings.


Fußnoten:

[1] http://espn.go.com/boxing/story/_/id/12508267/boxing-fight-schedule

[2] http://www.boxingnews24.com/2015/06/haye-fury-isnt-good-enough-to-beat-wladimir-klitschko/#more-195454

30. Juni 2015


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