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MELDUNG/1692: Opferlamm für den verlorenen Sohn (SB)



Andre Ward hat sich den Briten Paul Smith ausgesucht

Andre Ward gilt nach wie vor als weltbester Boxer im Supermittelgewicht. In den Jahren 2011 und 2012 setzte er sich im Super-Six-Turnier gegen namhafte Konkurrenz durch und trug am Ende unangefochten den Sieg davon. In der Folge mußte auch Chad Dawson, der damals noch als führender Akteur im Halbschwergewicht galt, gegen den Kalifornier vorzeitig die Segel streichen. Obgleich Ward alle Türen zu spektakulären Kämpfen und lukrativen Börsen offenzustehen schienen, nötigten ihm Verletzungen, Streitigkeiten mit seinem Promoter und daraus resultierende Probleme, angemessene Gegner zu finden, eine lange Zwangspause ab.

Nach 18 Monaten der Inaktivität kehrt der in 27 Profikämpfen ungeschlagene Superchampion der WBA am 20. Juni vor heimischem Publikum in Oakland in den Ring zurück. Herausforderer ist Paul Smith, für den 35 Siege und fünf Niederlagen zu Buche stehen. Dem deutschen Publikum ist der Brite aus zwei Kämpfen gegen den WBO-Weltmeister Arthur Abraham bekannt, die der Berliner nach Punkten für sich entscheiden konnte. Nach dem ersten Aufeinandertreffen machte das Lager des Briten zu Unrecht geltend, um den verdienten Erfolg geprellt worden zu sein, und forderte eine Revanche. Abraham willigte umgehend ein, war ihm damit doch eine weitere nicht sonderlich riskante Titelverteidigung sicher.

Da Paul Smith zweimal in Folge gegen Arthur Abraham verloren hat, der seinerzeit im Super-Six-Turnier chancenlos gegen Andre Ward war, muß der Brite bei seinem Auftritt in Oakland als krasser Außenseiter eingeschätzt werden. Selbst wenn der Lokalmatador nach seiner langen Zwangspause noch nicht ganz in der Verfassung früherer Tage boxen sollte, dürfte sein Können doch ohne weiteres ausreichen, diesen limitierten Herausforderer in die Schranken zu weisen. Ward sollte in der Lage sein, diese Titelverteidigung nach Belieben zu gestalten und entweder klar nach Punkten zu gewinnen oder sogar vorzeitig zu beenden. Daß seine Kampfesweise dem Briten eher liegt als jene Abrahams, ist nicht anzunehmen, da der Kalifornier zu Recht als Boxer gilt, der jeden Gegner nach allen Regeln erlaubter und nicht selten auch fragwürdiger Kunst auszumanövrieren versteht.

Warum er für seine Rückkehr in den Ring ausgerechnet Paul Smith ausgewählt hat, liegt auf der Hand. Der Brite ist zumindest in Europa Sender mit. In Verbindung mit dem Interesse zu verfolgen, ob der Kalifornier noch immer zu den führenden Akteuren der gesamten Branche gehört, dürfte das ausreichen, um den Kampf einträglich zu vermarkten. Davon abgesehen ist der Herausforderer ein Gegner nach Maß, an dem Ward wohl problemlos demonstrieren kann, daß mit ihm wieder zu rechnen ist.

Paul Smith ist selbst in England keineswegs der beste Akteur seiner Gewichtsklasse. Carl Froch, der nach wie vor regulärer Weltmeister der WBA im Supermittelgewicht ist, boxt eine Etage über ihm. Froch lehnte es im übrigen ab, zu einer Revanche für die Finalniederlage im Super-Six-Turnier gegen Ward in Oakland oder London anzutreten, sondern wollte sich allenfalls im heimischen Nottingham mit ihm messen, wo er alle denkbaren Vorteile inklusive eines ihm gewogenen Kampfgerichts auf seiner Seite hätte.

Auch James DeGale und George Groves sind stärker als Paul Smith einzuschätzen, zumal beide ihn wie auch seinen Bruder Callum Smith zu nennen, der neben Callum Smith als vielversprechendstes britisches Nachwuchstalent in dieser Gewichtsklasse gilt. Paul Smith und sein Promoter Matchroom Sport versuchen nichts weiter, als das Eisen finanzieller Erträge im Feuer eines weiteren Titelkampf zu schmieden, mag dieser auch in sportlicher Hinsicht ein recht aussichtsloses Unterfangen sein. [1]


Fußnote:

[1] http://www.boxingnews24.com/2015/04/andre-ward-vs-paul-smith-jnr-june-20th-oakland-california/#more-191437

24. April 2015


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