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MELDUNG/1676: Im Zwangskorsett schierer Muskelmasse (SB)



Anthony Joshuas Physis erweist sich als Hemmschuh

Anthony Joshua gewann bei den Olympischen Spielen 2012 in London die Goldmedaille im Superschwergewicht. Während ihn seine Landsleute wie einen Helden feierten, wandten ausländische Kritiker ein, daß der junge Brite ohne die Schützenhilfe ihm gewogener Punktrichter mindestens zwei seiner vier Kämpfe, wenn nicht gar sämtliche Auftritte verloren hätte. Viele Experten zogen die knappen Wertungen zum Auftakt gegen den Kubaner Erislandy Savon und im Finale gegen den Italiener Roberto Cammarelle in Zweifel, und einige meinten sogar, daß auch Zhilei Zhang und Ivan Dychko benachteiligt worden seien.

Solcher Einwände ungeachtet handelte man Joshua nach seinem Wechsel zu Matchroom ins Profilager im Oktober 2013 bereits als künftigen Schwergewichtsweltmeister. Seither hat der 1,98 m große Publikumsliebling elf Kämpfe vorzeitig gewonnen, wobei ihm sein Promoter Eddie Hearn sorgsam ausgewählte Gegner zuführte. Kontrahenten wie der 47jährige Matt Skelton, der 39 Jahre alte Michael Sprott oder der 36jährige Konstantin Airich boxten so statisch, daß sie dem aufstrebenden Nachwuchstalent leichte Ziele boten.

Der britische Schwergewichtler bewegt sich aufgrund seines muskelbepackten Oberkörpers so steif, daß er weder behende ausweichen noch flüssig zuschlagen kann. Vielmehr schiebt er seine Fäuste nach vorn, was lediglich reicht, um relativ schwache oder gealterte Gegner mit seiner athletischen Physis in die Niederlage zu zwingen. Deshalb ist man in seinem Lager darauf bedacht, ihn von agilen oder gefährlich schlagenden Kontrahenten fernzuhalten. Vor wenigen Tagen hatte der 25jährige Joshua anfangs einige Probleme mit dem elf Jahre älteren Aufbaugegner Jason Gavern, der in Bewegung blieb, so daß der Brite ihm nachsetzen mußte und dabei zunehmend frustriert wirkte. Wenngleich auch dieser Kampf in der dritten Runde endete, zeichnete sich doch ab, daß der Brite eindimensional agierende Kontrahenten braucht, um zu glänzen.

Möglicherweise bestreitet Anthony Joshua, der inzwischen an Nummer sieben der WBC-Rangliste geführt wird, bereits am 9. Mai in Birmingham seinen nächsten Kampf. Eddie Hearn plant, das Veranstaltungsprogramm zu ändern, und will seinen Schwergewichtler gegen Kevin Johnson antreten lassen. Der 35 Jahre alte US-Amerikaner hat vier seiner letzten fünf Auftritte verloren und neben 29 Siegen bereits sechs Niederlagen sowie ein Unentschieden auf dem Konto. Er wurde zuletzt von dem Kölner Manuel Charr dominiert und dürfte auch für Joshua ein handhabbarer Gegner sein. Das Duell sollte bereits Anfang des Jahres stattfinden, mußte aber wegen einer Verletzung des Briten verschoben werden.

Wie Hearn ankündigte, werde man nach dem Sieg über Johnson entweder Dillan Whyte oder David Price einen Zahltag bescheren, worauf Tyson Fury an die Reihe komme. Es sei nur eine Frage der Zeit und Abstimmung, um Anthony Joshua unter den britischen Rivalen aufräumen zu lassen, von denen keiner ungeschoren davonkommen werde. Daß Hearn unaufgefordert Whyte erwähnte, ist darauf zurückzuführen, daß der in vierzehn Profikämpfen ungeschlagene Rivale zu Amateurzeiten Joshua klar besiegt und auf die Bretter geschickt hat. Um sich ins Gespräch zu bringen, kramte Dillan White diese alte Geschichte hervor und drohte Anthony Joshua eine erneute Tracht Prügel an.

White ist zwar nicht so groß wie der WBC-Weltmeister Deontay Wilder oder Wladimir Klitschko, kann aber mit beiden Händen gefährlich zuschlagen. Wenngleich man natürlich nicht mit Sicherheit prognostizieren kann, daß er Anthony Joshua besiegen würde, wird Hearn ihn doch kaum an seinen Boxer herankommen lassen. Das gilt um so mehr für namhafte Schwergewichtler wie Wladimir Klitschko, Deontay Wilder, Bryant Jennings oder David Haye, um nur einige versierte Konkurrenten zu nennen, die aus Joshuas Unbeweglichkeit Kapital schlagen würden.

Dessen Probleme, seine überproportionierte Massigkeit in effektives Boxen umzusetzen, werden in Zukunft weiter anwachsen, wenn er mit zunehmendem Alter schwerer und noch langsamer wird, als er ohnehin schon ist. Da er bislang nie länger als drei Runden kämpfen mußte, steht der Beweis noch aus, daß er über die volle Distanz gehen kann, ohne Konditionsprobleme zu bekommen. Möglicherweise gelingt es bereits dem als Defensivkünstler bekannten Kevin Johnson, Joshua lange genug zu beschäftigen, um dessen Grenzen deutlich aufzuzeigen. [1]


Fußnote:

[1] http://www.boxingnews24.com/2015/04/anthony-joshua-could-fight-on-may-9th-birmingham-card-says-hearn/#more-190301

8. April 2015


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