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MELDUNG/1674: Bluffen bis die Blase platzt (SB)



Britisches Pokerspiel zwischen Kell Brook und Amir Khan

Erklärter Wunschgegner des britischen IBF-Champions im Weltergewicht, Kell Brook, ist sein prominenter Landsmann Amir Khan. Käme es zu diesem derzeit spektakulärsten Kampf auf englischem Boden, wäre den Kontrahenten wohl eine Rekordkulisse im Londoner Wembley-Stadion ebenso sicher wie die höchste Gage ihrer Karriere. Nachdem Khan diese Option bislang stets mit der Begründung von sich gewiesen hatte, Brook müsse zuerst namhafte Gegner besiegen, schlägt nun sein überraschendes Angebot hohe Wellen, er sei zu diesem Duell bereit, sofern der Sieger die gesamte Börse einstreichen könne.

Was ihn zu dieser vollmundigen Äußerung bewogen hat, ist ungewiß, zumal er nicht ernsthaft damit gerechnet haben kann, daß der Rivale einen Rückzieher machen würde. Brook hat sich natürlich postwendend einverstanden erklärt, so daß Khan nun die Suppe auslöffeln muß, die er sich selbst eingebrockt hat. Steht er zu seinem leichtfertigen Wort, muß er einen Kampf bestreiten, gegen den er sich zuvor mit Händen und Füßen gewehrt hat. Tut er das nicht, nimmt seine ohnehin angeschlagene Glaubwürdigkeit gravierenden Schaden, da alle Welt zu dem Schluß kommen müßte, er führe leere Reden und habe Angst vor Brook.

Was die sportliche Bilanz betrifft, macht der in 34 Kämpfen ungeschlagene IBF-Weltmeister auf dem Papier die bessere Figur. Khan, für den 30 Siege und drei Niederlagen zu Buche stehen, ist jedoch auch ohne aktuellen Titel der prominentere Boxer und jagt einem hochdotierten Kampf gegen Floyd Mayweather oder Manny Pacquiao nach, den er jedoch kaum bekommen dürfte. Er hält seinem Landsmann vor, ausschließlich aus finanziellen Gründen gegen ihn antreten zu wollen, da er nach diesem Auftritt für den Rest seines Lebens ausgesorgt hätte und die Boxhandschuhe an den Nagel hängen könne. [1]

Während ein gemeinsamer Auftritt der Briten in den USA mangels Publikumsinteresse indiskutabel wäre, spaltet die Frage, wer von beiden der bessere Boxer sei, die Fans auf der Insel in zwei heftig widerstreitende Lager. Khans Anhänger sind der Überzeugung, daß ihr Favorit viel zu schnell für den plattfüßigen Kontrahenten sei und ihn folglich nach Strich und Faden vermöbeln würde. Demgegenüber schwört die Fangemeinde Brooks auf dessen Schlagwirkung, gegen die kein Kraut gewachsen sei. Unterdessen breiten US-amerikanische Kommentatoren genüßlich ihre Begründungen aus, warum sie beide Akteure für maßlos überbewertet halten.

Ganz von der Hand zu weisen ist diese Einschätzung nicht. Amir Khan war zwar früher Weltmeister im Halbweltergewicht, hat aber 2011 gegen Danny Garcia und 2012 gegen Lamont Peterson verloren. Seither wurde seine Karriere langsam wieder aufgebaut, ohne daß er mit einem erstklassigen Gegner in den Ring gestiegen wäre. Auch bei Kell Brook mischen sich Licht und Schatten, sofern man ihn an seinem eigenen Anspruch mißt, zu den führenden Akteuren im Weltergewicht zu gehören. Am 16. August 2014 hatte er im kalifornischen Carson durch einen knappen Punktsieg gegen Shawn Porter den IBF-Titel auf die britische Insel entführt. Der zuvor ebenfalls unbesiegte US-Amerikaner galt als Favorit und wurde nach Einschätzung eines Teils der Experten um den Sieg geprellt, da der Herausforderer ungestraft klammern durfte, sobald ihm der Champion zu nahe kam. Andere wiederum sprachen von einer Dominanz des talentierten Briten, der Porter mit seiner Athletik und Wucht restlos überfordert habe.

US-amerikanische Kommentatoren hofften, Kell Brook werde sich mit namhaften Gegnern wie Keith Thurman, Devon Alexander oder Timothy Bradley messen und im Falle anhaltenden Erfolgs in die höchste Liga zu Floyd Mayweather und Manny Pacquiao aufsteigen. Brook und sein Promoter Eddie Hearn gaben jedoch einer wesentlich leichteren Option den Zuschlag und entschieden sich für eine erste Titelverteidigung gegen Jo Jo Dan. Wenngleich Pflichtherausforderer der IBF, stellte der in Kanada lebende Rumäne eine vergleichsweise überschaubare Aufgabe dar. Der Weltmeister setzte sich am 28. März vor heimischem Publikum in der Motorpoint Arena wie erwartet durch und träumt nun zusammen mit seinem Promoter von einem Kampf gegen Khan am 13. Juni in Wembley.

Eddie Hearn schätzt die Situation jedoch realistisch ein und geht davon aus, daß Amir Khan bei seinem nächsten Auftritt, der am 30. Mai geplant ist, gegen Chris Algieri antreten wird. Seines Erachtens wird die Wahl nicht auf Miguel Cotto, Keith Thurman oder Adrien Broner fallen, deren Namen jüngst im Gespräch waren. Er könne jedenfalls nicht darauf warten, daß sich Khan bequemt, mit Kell Brook in den Ring zu steigen, um von diesem auf die Bretter geschickt zu werden, so der Promoter. [2]

Da Amir Khan einen Auftritt am 13. Juni wegen des Ramadans ausgeschlossen hat, ist unklar, warum Hearn dennoch diesen Termin für das britische Wunschduell vorhält. Als mögliche Alternativen für die nächste Titelverteidigung Brooks wurden zudem Juan Manuel Marquez und Brandon Rios genannt. Beide haben ihre beste Zeit hinter sich, so daß der IBF-Weltmeister gute Aussichten hätte, sich gegen sie durchzusetzen. Vor fünf Jahren wären das Kämpfe von höchster Güte gewesen, doch seither hat Rios entweder verheerende Niederlagen bezogen oder sich nur umstritten behaupten können. Der inzwischen 42jährige Marquez hat sich vor einem Jahr gegen Mike Alvarado eine Knieverletzung zugezogen, an der er offenbar immer noch laboriert. Solche Herausforderer würden es Kell Brook erlauben, seinen Titel mehr oder minder ungefährdet zu verteidigen. Als Belege der Zugehörigkeit zur Spitzenklasse im Weltergewicht, wie sie der Brite für sich reklamiert, könnte man sie schwerlich bezeichnen.


Fußnoten:

[1] http://www.boxingnews24.com/2015/03/khan-offers-brook-a-winner-take-all-fight/#more-190044

[2] http://www.boxingnews24.com/2015/04/hearn-thinks-khan-will-fight-algieri-on-may-30th/#more-190069

2. April 2015


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