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MELDUNG/1650: Eine gehörige Prise Lokalpatriotismus (SB)



Chris Eubank jun. klammert sich zum Sieg über Dimitri Chudinow

Der britische Mittelgewichtler Chris Eubank jun. hat einen großen Sprung nach vorn gemacht. Bislang an Nummer elf der WBA-Rangliste geführt, setzte er sich in der Londoner O2 Arena in der zwölften Runde gegen den Interimsweltmeister Dimitri Chudinow durch. Der schwer gezeichnete Russe mußte einen Hagel von Schlägen über sich ergehen lassen, leistete aber dennoch Widerstand, als Ringrichter Mikael Hook den Kampf kurz vor dem regulären Ende vorzeitig abbrach. Wie die Aufzeichnung dieser Szene in Zeitlupe zeigte, hatte Eubank dabei kein einziges Mal getroffen, so daß man diesbezüglich von einer Fehlentscheidung sprechen muß. Während Chris Eubank jun. seine Bilanz auf 19 Siege und eine Niederlage verbesserte, mußte sich sein zuvor ungeschlagener Gegner nach vierzehn Erfolgen erstmals geschlagen geben.

In der Einschätzung des jungen Briten gingen die Meinungen insofern weit auseinander, als dieser während des gesamten Kampfverlaufs ungewöhnlich häufig geklammert hatte. Auf diese Weise bremste er fortgesetzt Chudinows Angriffsversuche aus und führte diverse verletzungsträchtige Situationen herbei, da die beiden des öfteren mit den Köpfen zusammenstießen. Der Russe trug in der fünften Runde nach einem Kopfstoß eine Rißwunde über dem rechten Auge davon, was jedoch für Eubank abermals folgenlos blieb, da ihn der Referee kein einziges Mal mit einem Punktabzug für sein Klammern bestrafte. Statt dessen sanktionierte er Chudinow auf diese Weise, nachdem der Russe in der neunten Runde zum zweiten Mal in dem Kampf seinen Mundschutz verloren hatte.

Wenngleich Punktrichter bekanntermaßen recht unterschiedlich mit klammernden Boxern verfahren, drohte Hooks Duldsamkeit die Grenze unparteiischen Handelns zu überschreiten. Eubank klammerte über zehnmal pro Runde, so daß Chudinow kaum eine Chance hatte, seine boxerischen Fähigkeiten zu entfalten. Ein weniger gewogener Referee hätte den Briten frühzeitig ermahnt, verwarnt und mit einem oder mehreren Punktabzügen bis hin zur Disqualifikation bestraft. [1]

Andere Kommentatoren sprachen hingegen von einer großartigen Vorstellung Eubanks, der zunächst fünf Runden lang klug auf der Außenbahn geschlagen, fleißig mit dem Jab gearbeitet und bei Bedarf geklammert habe. Diesem überlegenen Können habe der Russe lediglich seinen Mut und unablässigen Vorwärtsdrang entgegensetzen können. Von der sechsten Runde an sei Eubank mit seinen Kombinationen zu Kopf und Körper wie auch Schlägen in Serie der dominierende Boxer gewesen, während Chudinow allenfalls der zehnte Durchgang gutgeschrieben werden könne. Was den Abbruch betreffe, habe der Russe ohnehin keine realistische Chance mehr gehabt, das Blatt zu wenden.

Kritisiere man Eubanks häufiges Klammern, dürfe man nicht außer acht lassen, daß sich anerkannt hochklassige Akteure wie Floyd Mayweather und Andre Ward häufig desselben Mittels bedienten. Der Clinch gehöre zu den defensiven Techniken, wenn er auch im Reglement nicht vorgesehen sei, und ziehe eher selten Punktabzüge nach sich, sofern er nicht gerade theatralisch ausgeführt oder als mangels jeglicher anderen Mittel angewendet werde.

Auch wurde auf Gennadi Golowkin verwiesen, der sich jüngst dem in den ersten beiden Runden klammernden Martin Murray dadurch entzogen hatte, daß er in der Folge sofort einen Schritt zurückwich, sobald ihn der Brite erneut greifen wollte. Dieses Manöver ging übel für den Herausforderer aus, da ihn der Kasache sofort mit wuchtigen Schlägen traktierte. Die daraus abgeleitete Schlußfolgerung, daß man einen guten Boxer gar nicht klammern könne, ist dennoch weder schlüssig, noch stellt sie die außergewöhnliche Gefährlichkeit Golowkins in Rechnung.

In einer ersten Stellungnahme nach seinem Sieg zog sich Eubank auf die Erklärung zurück, Chudinow sei ständig vorwärtsmarschiert, so daß boxerische Mittel eben nicht ausgereicht hätten. Falls das eine Rechtfertigung seines ständigen Klammerns gewesen sein sollte, fiel sie nachgerade schwach aus. Weiter forderte Eubank einen Rückkampf gegen seinen Landsmann Billy Joe Saunders. Er sei bereit, sich Genugtuung zu verschaffen, zumal die Boxfans ohnehin wüßten, daß Saunders eine Liga unter ihm rangiere. Das ist zwar übertrieben, doch kann man durchaus die Auffassung teilen, daß Eubank in ihrem ersten Kampf nicht gerade bevorteilt wurde.

Klugerweise erwähnte er Gennadi Golowkin mit keinem Wort, der als Superchampion der WBA im Mittelgewicht eigentlich der Wunschgegner aller aufstrebenden Kandidaten bei diesem Verband sein müßte. Der Kasache wäre derzeit mehr als eine Nummer zu groß für den Briten, der gerade erst dabei ist, als Sohn eines legendären Vaters den Verdacht loszuwerden, sein Name ebne ihm den Weg. Eubank jun. ist zweifellos talentiert, beweglich und angriffslustiger als Saunders, der nur aus der Distanz eine überzeugende Figur macht. Er bekam jedoch im Kampf gegen Chudinow trotz seiner unablässigen Bremsmanöver jede Menge Treffer ab, was bei einem Gegner mit größerer Schlagwirkung verhängnisvoll wäre.

Sein Vater riet ihm daher aus gutem Grund, künftig lieber weniger Schläge in Folge auszuteilen und sich nach seinen Angriffen schneller zurückzuziehen. Dem jüngeren Eubank schon jetzt Ratschläge zu geben, wie er Kontrahenten vom Schlage Golowkins bewältigen könnte, wozu sich manche Kommentatoren hinreißen ließen, muß man hingegen eher unter überschwenglichem Lokalpatriotismus verbuchen. [2]


Fußnoten:

[1] http://www.boxingnews24.com/2015/02/fury-hammer-early-results-eubank-jr-beats-chudinov-in-ugly-fight/#more-188877

[2] http://www.boxingnews24.com/2015/03/chris-eubank-jr-shines-despite-the-clinching-or-because-of-it/#more-188890

4. März 2015


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