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MELDUNG/1641: Zwischen Skylla und Charybdis (SB)



Tyson Fury kann weder Klitschko noch Wilder das Wasser reichen

Der britische Schwergewichtler Tyson Fury hat die Wahl, entweder mit Wladimir Klitschko oder Deontay Wilder in den Ring zu steigen. Wenngleich der in 23 Kämpfen ungeschlagene Riese vollmundig wie eh und je verkündet, er werde sie einen nach dem andern auf die Bretter schicken, winkt ihm in beiden Fällen selbst ein jähes Ende, das allerdings durch eine stattliche Börse versüßt wird. Den US-Amerikaner könnte er sofort bekommen, auf den Ukrainer muß er wohl bis zum Herbst warten. Dennoch steht seine Entscheidung fest, zuerst gegen Klitschko anzutreten, dessen Pflichtherausforderer beim Verband WBO er ist.

Fury ist zwar mit 2,06 m sogar noch einige Zentimeter größer als Wilder (2,01 m) und Klitschko (1,98 m), schlägt aber deutlich langsamer und weit weniger wirksam als die beiden Weltmeister. Zudem kann er es in technischer Hinsicht nicht mit ihnen aufnehmen und gilt als Boxer mit fragwürdigen Nehmerqualitäten. Das läßt den Schluß zu, daß es schon eines Wunders bedürfte, sollte der Brite volle zwölf Runden überstehen. Über Klitschkos Bilanz und Erfahrung braucht man im Grunde kein Wort mehr zu verlieren, Wilder ist in 33 Kämpfen ungeschlagen, in denen er nur ein einziges Mal über die volle Distanz gehen mußte, als er Bermane Stiverne den WBC-Titel abnahm.

Legte man allein die Höhe der Börse zugrunde, würde Fury bei einem Kampf gegen den US-Amerikaner wahrscheinlich noch besser abschneiden. Als Pflichtherausforderer Klitschkos steht ihm zwar ein ordentlicher Anteil zu, doch könnte er zusammen mit Wilder wohl sogar das Londoner Wembley-Stadion füllen. Was die Übertragung im Bezahlfernsehen betrifft, würde insbesondere der medienerfahrene WBC-Weltmeister die Buchungen in England und den USA in die Höhe treiben. Im Unterschied zu anderen Boxern, die ihr Management nur mit ausgewählten Journalisten zusammenführt, ist Wilder ausgesprochen freigiebig mit seinen Interviews, die er redegewandt über die Bühne bringt. Im Duett mit dem unentwegt pöbelnden Briten wäre eine Vermarktung garantiert, die sämtliche Kassen klingeln ließe.

Auf die immer gleiche Frage, gegen wen er antreten werde, gibt sich Fury ungewöhnlich wortkarg und erklärt, Klitschko sei die Nummer eins im Schwergewicht und habe die meisten Gürtel. Des Rätsels Lösung dürfte eine andere sein. Dem Briten schwant natürlich, wie die Sache für ihn ausgehen wird, weshalb er eine Niederlage gegen Klitschko vorzieht. Diese Erfahrung würde er dann mit vielen anderen Kandidaten teilen, so daß der zu erwartende Rückschlag weit weniger schmerzlich wäre.

Verliert er jedoch gegen Wilder, der für seine schnellen Siege binnen weniger Runden bekannt ist, wird man ihm ankreiden, chancenlos gegen einen relativ jungen und vergleichsweise unerfahrenen Champion gewesen zu sein. In diesem Fall läge auf der Hand, was man bislang zwar vermuten, aber nicht mit letzter Sicherheit sagen konnte: Tyson Fury ist kein ernsthafter Titelaspirant, sondern eher durch günstige Umstände in diese Position gespült worden. [1]

Am 28. Februar bestreitet der Brite in der Londoner O2 Arena einen Kampf gegen Christian Hammer, den er offensichtlich als mutmaßlich leichte Aufgabe zur Überbrückung der Wartezeit ausgewählt hat. Der beim Hamburger Promoter Erol Ceylan unter Vertrag stehende Rumäne hat 17 Kämpfe gewonnen und drei verloren, wird aber in der WBO-Rangliste aus unerfindlichen Gründen an Nummer drei und damit vor einer ganzen Reihe namhafterer Schwergewichtler geführt.

Christian Hammer hatte enorme Probleme, sich umstritten gegen Kevin Johnson durchzusetzen, verlor 2010 in der sechsten Runde gegen den Polen Mariusz Wach und im selben Jahr auch gegen Taras Bidenko. Bei seinem letzten Auftritt besiegte er im November 2014 Beato Costa Junior in einem Kampf über zehn Runden nach Punkten. Tyson Fury hat sich vorgenommen, den 27jährigen Gegner nicht nur zu besiegen, sondern vorzeitig auf die Bretter zu schicken. Sollte ihm das gelingen, wäre er nach Mariusz Wach und Robert Gregor im Jahr 2008 erst der dritte Gegner Hammers, dem das gelungen ist.

Wie Fury verkündet, werde einer durch K.o. verlieren, und das sei ganz gewiß nicht er selbst. Er glaube nicht, daß dieser Kampf über mehr als fünf Runden geht. Allerdings sollte der Brite auf der Hut sein, dabei seine Deckung nicht zu vernachlässigen, da Hammer ordentlich zuschlagen kann und Fury in der Vergangenheit schon mehrfach von körperlich unterlegenen Gegnern zu Boden geschickt worden ist. Deontay Wilder eine Absage zu geben und dann gegen Christian Hammer zu verlieren, wäre denn doch zu peinlich. [2]


Fußnoten:

[1] http://www.boxingnews24.com/2015/02/tyson-fury-prefers-klitschko-fight-rather-than-deontay-wilder/#more-188371

[2] http://www.boxingnews24.com/2015/02/tyson-fury-wants-knockout-win-over-christian-hammer-on-february-28th-in-london/#more-188352

21. Februar 2015


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