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MELDUNG/1601: Der Schlußstrich wird meist zu spät gezogen (SB)




Juan Manuel Marquez denkt über seinen Abschied nach

Juan Manuel Marquez, der in Kürze 42 Jahre alt wird, trifft diese Woche mit seinem Promoter Fernando Beltran zusammen, um in aller Ruhe zu beraten, ob er noch einige Kämpfe bestreiten oder die Boxhandschuhe an den Nagel hängen sollte. Angesichts seiner langen und erfolgreichen Karriere, in der er es auf 56 Siege, sieben Niederlagen und ein Unentschieden gebracht hat, wäre ein Abschied nicht verwunderlich. Da es jedoch nur den wenigsten Boxern gelingt, rechtzeitig einen Schlußstrich zu ziehen und in unbeschadeter körperlicher Verfassung wie auch ohne Ansehensverlust die aktive Laufbahn zu beenden, ist ein Wiedersehen im Ring keineswegs ausgeschlossen.

Fällt der Name des Mexikaners, denkt man unweigerlich an Manny Pacquiao, mit dem sich Marquez nicht weniger als vier Duelle geliefert hat. Nach drei glücklosen Kämpfen mit teils umstrittenen Urteilen setzte er sich im vierten Anlauf auf spektakuläre Weise durch. Am 8. Dezember 2012 bezog Pacquiao in der ausverkauften Arena des MGM Grand in Las Vegas im Prestigeduell mit seinem Erzrivalen eine bittere Niederlage. Der neben Floyd Mayweather als weltbester Boxer aller Gewichtsklassen gehandelte frühere Champion in acht Limits mußte sich in einem Kampf des Weltergewichts durch einen spektakulären Knockout in der sechsten Runde geschlagen geben.

Im fünften Durchgang lag ein vorzeitiger Sieg des Philippiners in der Luft, der seinen Gegner auf die Bretter schickte, worauf sich Marquez schwer angeschlagen gerade noch in die Pause retten konnte. Auch die folgende Runde stand zunächst ganz im Zeichen Pacquiaos, der weitere gefährliche Treffer ins Ziel brachte. Er machte unablässig Druck und legte es darauf an, den Mexikaner in die Enge zu treiben, als er in seinem allzu ungestümen Drang kurz vor Ende der Runde voll in eine rechte Gerade seines Gegners lief. Pacquiao stürzte mit dem Gesicht voran zu Boden, wo er über eine Minute bewußtlos liegenblieb.

Marquez hatte etwas vollbracht, was ihm kaum jemand zugetraut hätte: Pacquiao, der das Duell überlegen gestaltete und kurz vor einem Sieg zu stehen schien, mußte sich trotz seiner für gewöhnlich hervorragenden Nehmerqualitäten vorzeitig geschlagen geben. Allerdings kann man von einem ausgesprochenen Glückstreffer sprechen, und so räumte der gescheiterte Favorit denn auch selbstkritisch ein, daß er in dieser Phase zu leichtfertig vorgegangen sei.

Vielleicht wäre dies der denkbar günstigste Zeitpunkt für Juan Manuel Marquez gewesen, es mit dem nicht zu übertreffenden Erfolg als krönenden Abschluß bewenden zu lassen. Den Mexikaner zog es jedoch zurück in den Ring und so bestritt er seither zwei weitere Kämpfe. Mit dem Rückenwind des spektakulären Sieges über Pacquiao trat er gegen Timothy Bradley an, der den Philippiner zwar ebenfalls bezwungen hatte, dabei aber massiv von den Punktrichtern begünstigt worden war. Der US-Amerikaner setzte sich indessen mit einem respektablen Auftritt gegen Marquez durch und zeigte dabei dessen Grenzen auf, so daß der frische Ruhm des Mexikaners zu verblassen begann.

Am 17. Mai 2014 bestritt Marquez im kalifornischen Inglewood einen Ausscheidungskampf der WBO gegen den früheren Champion Mike Alvarado. Nachdem die Prognosen im Vorfeld geteilt waren, ob der Mexikaner dank seiner Erfahrung die Oberhand behalten oder Alvarado aufgrund seiner körperlichen Überlegenheit den Gegner überrollen würde, kam der bemerkenswert klare Punktsieg für Marquez einer Überraschung gleich. Ein leichter Sieg war es beleibe nicht, da der Mexikaner hart arbeiten mußte, um dank seiner deutlich größeren Aktivität einen Vorsprung herauszuarbeiten.

Durch diesen verdienten Erfolg hatte sich Juan Manuel Marquez dafür qualifiziert, den amtierenden WBO-Weltmeister Manny Pacquiao herauszufordern. Ob er aber gut beraten wäre, sich dem Philippiner zu einem fünften Duell zu stellen, mußte man in Zweifel ziehen. Dem Mexikaner war es nicht gelungen, den statisch boxenden Alvarado vorzeitig zu besiegen, obgleich sich ihm etliche Gelegenheiten dazu geboten hatten. Der wesentlich schnellere und gefährlichere Pacquiao würde ihm erheblich mehr zusetzen, als dies Mike Alvarado vermochte.

In einer Pressekonferenz nach dem Kampf erklärte der Mexikaner, das Alter könne ihm nichts anhaben, solange er nur gut auf sich achte. Auf die Frage, wie er zu einem weiteren Gang mit seinem ewigen Rivalen Pacquiao stehe, erwiderte Marquez diplomatisch, darüber denke er noch nicht nach. Daß er einer langen Karriere körperlichen Tribut zollen muß, zeigte eine Knieverletzung in diesem Kampf, an der er offenbar immer noch laboriert.

Wie Fernando Beltran ankündigte, werde er ein ausführliches Gespräch mit Marquez führen und ihn dabei fragen, wie es um seine körperliche Verfassung bestellt ist. Sollte die Verletzung auskuriert sein, könne man gemeinsam die vielfältigen Möglichkeiten künftiger Kämpfe ausloten. Marquez gehöre zu jenen mexikanischen Boxern, denen in den letzten Jahren die größte Aufmerksamkeit zuteil geworden sei.

Sollte es Juan Manuel Marquez wünschen, seine Karriere mit einem aufsehenerregenden Duell samt einer stattlichen Börse zu beschließen, könnte er sich für einen fünften Kampf gegen Pacquiao entscheiden. Dessen Promoter Bob Arum, Trainer Freddie Roach und der Philippiner selbst wären dafür sicher zu haben, da sich so die Revanche für die Niederlage böte. Der Mexikaner zögert jedoch verständlicherweise, Pacquiao noch einmal gegenüberzutreten und dabei seinen Sieg endgültig zu relativieren, sollte er diesmal den kürzeren ziehen.

So viele attraktive Optionen, wie sie Beltran geltend macht, stehen Marquez gar nicht mehr offen. Floyd Mayweather wird er nicht bekommen, für Miguel Cotto und Saul "Canelo" Alvarez ist er schlichtweg zu klein und zu leicht. Ginge es ihm vor allem um einen Titel, könnte er Kell Brook herausfordern, den IBF-Weltmeister im Weltergewicht. Der Brite wäre sicher nicht abgeneigt, doch brächte dieser Kampf keine sonderlich lukrative Börse und Marquez selbst im Falle eines klaren Sieges keine größere Reputation, als er sie in der Vergangenheit längst genossen hat. [1]


Fußnote:

[1] http://www.boxingnews24.com/2015/01/marquez-to-meet-with-promoter-this-week-to-discuss-future/#more-186281

8. Januar 2015


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