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MELDUNG/1562: Kurzauftritt eines britischen Olympiahelden (SB)




Anthony Joshua braucht nur 90 Sekunden für Michael Sprott

In der Liverpooler Echo Arena hat der aktuelle Hoffnungsträger des britischen Schwergewichts, Anthony Joshua, die in ihn gesetzten Erwartungen abermals nicht enttäuscht. Der Sieger im Superschwergewicht bei den Olympischen Spielen 2012 in London brauchte nur 90 Sekunden, um den 39 Jahre alten Veteranen Michael Sprott in die Schranken zu weisen. Damit verbesserte der 25jährige Joshua seine Profibilanz auf zehn Siege, die er allesamt binnen weniger Runden erzielt hat.

Sprott versuchte zum Auftakt, dem Favoriten Paroli zu bieten, wurde aber bereits von der ersten rechten Geraden, die bei ihm einschlug, in die Enge getrieben. Joshua witterte seine Chance, setzte sofort nach und überhäufte seinen in die Seile zurückweichenden Gegner mit einem Hagel weiterer Schläge. Da Sprott den unablässigen Kombinationen des Angreifers nichts entgegenzusetzen hatte, blieb dem Ringrichter kaum eine andere Wahl, als den Kampf abzubrechen.

Promoter Eddie Hearn lobte seinen Boxer mit den Worten, dieser lasse einen Gegner nicht mehr vom Haken, sobald er ihn an den Seilen gestellt habe. In seinem nächsten Kampf werde Joshua am 31. Januar höchstwahrscheinlich auf den US-Amerikaner Kevin Johnson treffen. Habe er diese Hürde genommen, sei er bereit für jeden einheimischen Gegner der höchsten Kategorie.

Anthony Joshua zeigte sich nach seinem Kurzauftritt zufrieden, das Jahr 2014, in dem er vielbeschäftigt gewesen sei, zu einem guten Abschluß gebracht zu haben. Er freue sich auf Kevin Johnson, der zäh und erfahren sei wie auch über ein großes Mundwerk verfüge. Deshalb werde man sicher eine Menge Spaß haben.

Der Weltmeister der Verbände WBA und IBF im Supermittelgewicht, Carl Froch, hatte den Auftritt Joshuas vor Ort verfolgt. Er kenne Anthony sehr gut und sehe in ihm einen künftigen Champion. Wenngleich sich Michael Sprott dem Ende seiner Karriere nähere, habe man doch seit Ewigkeiten keinen derart vielversprechenden Schwergewichtler wie Joshua mehr erlebt. Er feuere seine Schläge so eindrucksvoll ab, daß er ein Alptraum für jeden Gegner sei. Zudem sei er nicht nur ein ausgezeichneter Boxer, sondern auch ein bemerkenswert angenehmer Mensch, den das Publikum längst ins Herz geschlossen habe. [1]

Da Anthony Joshua alle zehn Kämpfe frühzeitig gewonnen hat, steht sein Promoter vor dem Problem, ihn an längere Distanzen heranzuführen, da diese Erfahrung unverzichtbar ist. Andererseits darf es aber auch kein Gegner sein, der den 25jährigen in dieser Phase des Aufbaus überfordert. Kevin Johnson scheint die richtige Wahl zu sein, da er vor allem über eine erstklassige Defensive verfügt, inzwischen aber nicht mehr in der körperlichen Verfassung ist, an der Spitze mitzuhalten.

Der US-Amerikaner ist mit Vitali Klitschko über volle zwölf Runden gegangen und hat dem Briten Tyson Fury lange Widerstand geleistet. Vor sechs Monaten hielt er im Kampf gegen Dereck Chisora sieben Runden lang gut mit und mußte sich erst nach der vollen Distanz geschlagen geben. Berücksichtigt man, daß der Londoner derzeit bei allen vier großen Weltverbänden unter den Top 10 geführt wird, ist Johnson keinesfalls ein leichter Aufbaugegner für Joshua, der Ende Januar seinen bislang stärksten Gegner vor die Fäuste bekommen wird.

Wenngleich die Auftritte des Amerikaners oftmals langweilig anzusehen seien, weil er als Defensivkünstler zu wenig für den Angriff tut, boxe er doch diszipliniert und sei ein ausgesprochener Überlebenskünstler im Ring, so Eddie Hearn. Sein Jab sei immer noch respektabel, und nur die nachlassende Physis hindere ihn daran, über volle zwölf Runden ein ordentliches Tempo anzuschlagen. Die Marschrichtung des Promoters liegt auf der Hand: Johnson soll in der ersten Hälfte des Kampfs mit seiner soliden Deckung dem jungen Joshua Gelegenheit geben, sich technisch mit diesem Problem auseinanderzusetzen. Danach kann der Brite den Druck erhöhen und Johnson auf die Bretter schicken. [2]

Sofern dieser Plan aufgeht, wäre es sicher ratsam, für die nächste Zwischenetappe einen Gegner auszuwählen, der eine gute Kondition mit Beweglichkeit und Schlagwirkung verbindet. Erst nach einem solchen Prüfstein könnte man tatsächlich an namhafte Kontrahenten wie David Price, Dereck Chisora oder Tyson Fury denken, die derzeit noch eine Nummer zu groß für Joshua wären. Vor allem aber sollte man nie das traurige Schicksal Audley Harrisons vergessen, der seinerzeit als Olympiaheld gefeiert und mit Vorschußlorbeeren überhäuft wurde. Man sah in ihm bereits den langersehnten britischen Schwergewichtsweltmeister, und da er zugleich gebildet und eloquent war, einen erfolgreichen Moderator bei der BBC. Der Bürde dieser Erwartungen war Harrison nicht gewachsen, und so mündete seine Profilaufbahn nach guten Anfängen in ein beispielloses Desaster.


Fußnoten:

[1] http://www1.skysports.com/boxing/news/12040/9576075/anthony-joshua-proved-far-too-good-for-michael-sprott

[2] http://www.boxingnews24.com/2014/11/anthony-joshua-vs-kevin-johnson/#more-184770

25. November 2014