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MELDUNG/1411: Prominentester deutscher Amateurboxer unterschreibt bei Sauerland (SB)




Berliner Promoter macht das Rennen um Stefan Härtel

Mit Stefan Härtel hat Sauerland Event den prominentesten deutschen Amateurboxer verpflichtet. Der Mittelgewichtler unterschrieb bei dem Berliner Profiboxstall einen mehrjährigen Vertrag, der allerdings an einen Fernsehvertrag gekoppelt ist. Da Härtels neuer Arbeitgeber ab 2015 um seine Zusammenarbeit mit der ARD bangen muß, die nicht mehr fortgesetzt werden soll, bleibt dies offenbar ein Unsicherheitsfaktor.

Mit Härtels Unterschrift bei Sauerland Event scheitert in Deutschland auch vorläufig die AIBA-Profiserie APB und die World Series of Boxing. Für beide Konzepte des Olympischen Boxens galt Härtel regional als mediales Zugpferd. Bei den Olympischen Spielen 2012 in London, wo er im Kampf gegen den britischen Kandidaten um den Sieg betrogen wurde, wie auch bei den Welt- und Europameisterschaften 2013 belegte der viermalige Deutsche Meister jeweils Rang fünf. Zu seinen Erfolgen im Amateurbereich, darunter auch dem dreimaligen Gewinn des Chemiepokals, wurde er von den Trainern Ralf Dickert und Egon Omsen geführt.

Stefan Härtel hatte sich den Wechsel ins Profilager lange überlegt. Auch andere Boxställe signalisierten ihr Interesse an dem gebürtigen Lausitzer, doch letztlich gab die Zusicherung Sauerlands den Ausschlag, daß der 26jährige neben dem Boxsport sein Studium auf das Lehramt für Sport und Geschichte an der Humboldt Universität fortsetzen kann. Zudem wird er weiterhin Sold als Sportsoldat beziehen - ein Novum für einen Profisportler in Deutschland.

Als Härtel in seiner Heimatstadt Berlin die Unterschrift unter den Vertrag gesetzt hatte, sagte er im Boxgym des Berliner Olympiastadions gegenüber der Presse, er wolle nach reiflicher Überlegung und mehreren Teilnahmen an Europa- und Weltmeisterschaften sowie den Olympischen Spielen auch im Profiboxen an die Weltspitze gelangen und um Weltmeistertitel kämpfen. [1]

Wie Promoter Kalle Sauerland erklärte, verfüge Härtel bereits über genügend Erfahrungen, um zügig an die Weltspitze geführt zu werden. In zwei Jahren könne er schon Weltmeister sein. Seine Verpflichtung sei eine Entscheidung für die Zukunft. Man habe vier oder fünf Boxer unter Vertrag, die das Potential zum Weltmeister hätten. Zu diesem Kreis der vielversprechenden Talente gehören der ehemalige Amateurweltmeister Jack Culcay, Tyron Zeuge und Enrico Kölling. Wenngleich Sauerland verständlicherweise eine sehr optimistische Prognose vorhält, haben die genannten Akteure noch eine ganze Reihe anspruchsvoller Aufgaben zu bewältigen, ehe sie in die Nähe dieses hochgesteckten Ziels gelangen.

Trainer des aktuellen Neuzugangs wird Karsten Röwer sein, bei dem auch Härtels frühere Trainingskollegen Enrico Kölling und Tyron Zeuge nach ihrem Wechsel ins Profilager untergekommen sind. Das sorgte offenbar hinter den Kulissen für böses Blut, da sich Sauerlands Cheftrainer Ulli Wegner übergangen gefühlt und öffentlich beschwert haben soll. Debütieren wird Härtel nach der Sommerpause am 16. August im Supermittelgewicht. Wo und gegen wen er antreten soll, ließ Sauerland noch offen.

Dem traditionsreichen Berliner Boxstall gehören derzeit mit dem Supermittelgewichtler Arthur Abraham (WBO), dem Halbschwergewichtler Jürgen Brähmer (WBA) und den Cruisergewichtlern Marco Huck (WBO) sowie Yoan Pablo Hernandez (IBF) vier aktuelle Weltmeister an. Ob die laufenden Verhandlungen über eine Verlängerung des millionenschweren Fernsehvertrages mit der ARD über 2014 hinaus zu einer Fortsetzung der Zusammenarbeit führen, ist ungewiß und angesichts der grundsätzlichen Widerstände einiger Rundfunkräte eher unwahrscheinlich.

Die Verpflichtung Stefan Härtels ist eine Investition in die Zukunft, die kaum Einfluß auf diese im Spätsommer anstehende Entscheidung haben dürfte. Der 26jährige hat sich dennoch für seine Profikarriere viel vorgenommen und bezeichnet den US-amerikanischen Megastar Floyd Mayweather jun. als sein großes Vorbild. Der Weltmeister der Verbände WBA und WBC im Weltergewicht und Halbmittelgewicht ist in 46 Kämpfen ungeschlagen und verdient derzeit im Rahmen seines Vertrags mit dem Sender Showtime garantierte 40 Millionen Dollar pro Auftritt. Floyd Mayweather sei für ihn das Nonplusultra, da er das Boxen auf eine andere Stufe gehoben habe, so Härtel.

Wenngleich erfolgreiche Karrieren nicht zuletzt aus ehrgeizigen Träumen geboren werden, darf man darüber nicht vergessen, daß jeder ambitionierte Boxer eines Tages Weltmeister werden will. Damit einige Dutzend dieses Ziel tatsächlich erreichen, müssen Tausende andere auf der Strecke bleiben. Immerhin kann man soviel sagen, daß überschwengliche Vorschußlorbeeren selten hilfreich, doch häufig kontraproduktiv sind. Sie schüren überzogene Erwartungen und schlagen ins Gegenteil um, sobald ein aufstrebender Boxer Lehrgeld zahlen muß. Wenn gar eine große Tageszeitung titelt, Sauerland habe sich den "deutschen Mayweather" geangelt [2], zeugt dies weder von Sachverstand, noch einem Interesse, das über eine reißerische Schlagzeile hinausginge.


Fußnoten:

[1] http://www.boxen-heute.de/artikel/5978-stefan-haertel-wird-profiboxer-sauerland-event-sichert-sich-den-olympiateilnehmer.html

[2] http://www.welt.de/sport/boxen/article128188643/Sauerland-angelt-sich-den-deutschen-Mayweather.html

20. Mai 2014