Schattenblick →INFOPOOL →SPORT → BOXEN

MELDUNG/1303: Gewandelt, geläutert, gelassen - George Foremans Weg auf die Sonnenseite (SB)




Vom Weltmeister zum Grillverkäufer zum gottesfürchtigen Familienmenschen

George Foreman, der älteste Schwergewichtsweltmeister aller Zeiten, hat am 10. Januar seinen 65. Geburtstag gefeiert. Gleichsam ein Gegenentwurf zu zahllosen anderen Boxern, die nach einer erfolgreichen Karriere mit leeren Händen dastanden, im Leben nach dem Sport nicht mehr recht Fuß fassen konnten oder schwere gesundheitliche Schäden davongetragen hatten, ist er ein gemachter - und wie er nicht müde wird zu betonen - ein erfüllter und glücklicher Mann. Bevor es dazu kam, waren viele schmerzhafte Lektionen und mutige Wandlungen erforderlich, von denen Foreman eine ganze Reihe durchlebt hat. Er wuchs ohne Vater im Ghetto auf, wurde straffällig, lernte in einem Sozialprogramm boxen und gewann schließlich eine olympische Goldmedaille. Als Profi wurde er rasch ein gefürchteter Schwergewichtler, dem nichts und niemand gewachsen war. Er blieb in 36 Kämpfen ungeschlagen, wobei die meisten Gegner bereits innerhalb der ersten drei Runden geschlagen am Boden lagen. Wie Foreman später erzählte, habe er sich absolut unschlagbar gefühlt und gedacht, niemand könne seiner Kraft widerstehen.

Die Wende kam am 30. Oktober 1974 in Kinshasa, der als "Rumble in the Jungle" zu einem der denkwürdigsten Tage der Boxgeschichte werden sollte. Viele fürchteten, daß Muhammad Ali den Kampf nicht überleben werde. Foreman prügelte unablässig auf seinen Gegner ein, doch Ali hielt auch den schwersten Treffern stand und hing mit seiner Taktik, die er "rope a dope" nannte, in den Seilen, während Foreman wie wahnsinnig in die Luft schlug, bis er müde wurde. Dabei redete Ali unentwegt auf ihn ein und sagte nach einem weiteren furchtbaren Treffer: "Ist das alles, was du draufhast, George?"

Nach dem Absturz vom unschlagbaren Giganten zum entthronten Champion habe er sich vor aller Welt zutiefst beschämt gefühlt und in vollem Ausmaß erkannt, wie wichtig der Titel für gewesen sei, so Foreman. Die Leute hätten ihn vorher gefürchtet, ihm hinterher jedoch nur noch mitleidig auf die Schulter geklopft. Er sei zwei Jahre lang schwer depressiv gewesen. Nach dem Kampf gegen Jimmy Young im Jahr 1977, der für lange Zeit sein letzter sein sollte, kam für Foreman eine weitere unverhoffte Wende in seinem Leben. Wie er berichtet, habe er tief in sich das Gefühl verspürt, er kämpfe um sein Leben. Eine Stimme fragte ihn, warum er Angst zu sterben habe, wo er doch an Gott glaube. Da habe er noch mehr Angst bekommen und dem Wesen den Handel vorgeschlagen, sein Geld künftig für wohltätige Zwecke zu spenden. Aber die Stimme habe geantwortet, sie wolle nicht sein Geld, sondern ihn. Dann sei er in ein tiefes, dunkles Nichts gefallen und habe einen entsetzlichen Gestank gerochen, bis ihn plötzlich jemand gepackt und emporgezogen habe.

Nach diesem tiefgreifenden Erweckungserlebnis hängte George Foreman die Boxhandschuhe an den Nagel, wurde Prediger und kümmerte sich als Hausmann um seine zahlreichen Kinder. Er war zeitweise finanziell bankrott, doch der Absturz vom gefürchteten Champion zum ramponierten Exboxer eröffnete ihm gleichsam ein neues Leben. Er verwandelte sich vom zornigen Schläger in einen milden Riesen, der mit verschmitzem Lächeln und selbstironischen Scherzen ein beliebter Interviewpartner von stetig wachsender Beliebtheit wurde.

Als George Foreman nach langer Pause in den Ring zurückkehrte und im Alter von 45 Jahren sogar Weltmeister Michael Moorer herausforderte, sorgte er für eine Sensation und kehrte noch einmal auf den Thron des Champions zurück. Wie gut Foreman noch immer war, zeigte sich auch in den folgenden Kämpfen, denn er verlor seine gewonnenen Titel am grünen Tisch, als er sich den Vorgaben der Verbände nicht fügen wollte. Schließlich unterlag er Shannon Briggs, der sein Sohn hätte sein können und genauso überrascht wie das Publikum war, als man ihn zum Punktsieger über einen deutlich besseren George Foreman erklärte. Für das Boxgeschäft hatte "Big George" offenbar ausgedient, da man den unbequemen Alten nicht mehr gängeln konnte. Als schließlich auch noch ein Duell der Veteranen mit dem kaum jüngeren Larry Holmes mangels Zuschauerinteresse abgesagt wurde, klang Foremans Boxkarriere endgültig aus.

Wenn ihm die Kinder auf der Straße zuwinken, berichtet Foreman mit dem ihm eigenen Erzähltalent schmunzelnd, so nicht, weil sie sich an den Champion erinnern. Sie rufen vielmehr, da komme der dicke Mann mit dem Grill aus dem Fernsehen. Zunächst hatte er mit der Werbung für Hamburger und Steakhäuser nicht schlecht verdient, doch was er später einnahm, stellte all das bei weitem in den Schatten. Ein Elektrogrill, für den er seit den 90er Jahren warb, wurde über 100 Millionen Mal verkauft und brachte ihm mehr als 150 Millionen Dollar ein.

Wie er heute sagt, gebe es sicher wichtigere Dinge im Leben, als eine Unmenge Geld zu besitzen. Doch wenn man es redlich verdiene, solle man es ruhig nehmen. Seine alleinige Glückseligkeit hänge davon aber nicht ab. Er sei gesund und hoffe, daß er und seine Familie noch lange damit gesegnet sind. Der feste Glaube an Gott helfe ihnen dabei und mache sie zu glücklichen Menschen. Er hat zehn Kinder und sechs Enkelkinder, die aufwachsen zu sehen ihm große Freude bereite. Als Prediger der "Church of Lord Jesus Christ" in Houston, Werbeträger, Boxkommentator, Leiter eines Jugendzentrums und Veranstalter von Boxkämpfen bezeichnet sich Foreman als einen erfüllten Mann, der keine Ruhe finde und brauche.

George Foreman, dessen christlich-religiöse Erweckung nie mit einer politischen Emanzipation verbunden war, mißtraute lange Muhammad Alis Konvertierung zum Islam und Engagement gegen den Vietnamkrieg zutiefst. Mittlerweile hat er Ali verziehen und erklärt, er sei einfach stolz, ein Teil dessen Legende zu sein. "Muhammad Ali hättest du in seinen besten Jahren ohnehin nur mit einem Gewehr und nicht mit den Fäusten erledigen können. Wenn er nicht die dreijährige Zwangspause wegen seiner Kriegsdienstverweigerung gehabt hätte, hätte er alle Rekorde gebrochen. Er hätte gewiss häufiger den Weltmeistertitel verteidigt als Joe Louis." [1]


Fußnote:

[1] http://www.welt.de/sport/boxen/article123657139/Fuer-Ali-haette-man-ein-Gewehr-gebraucht.html

12. Januar 2014